VfGH G255/93

VfGHG255/9323.6.1994

Zurückweisung eines Individualantrags eines Luftbeförderungsunternehmens auf Aufhebung von Bestimmungen über den Sicherheitsbeitrag wegen rechtskräftig entschiedener Sache, mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen sowie mangels direkten Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragstellerin

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §11
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §16 Abs1
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §16 Abs2
VfGG §57 Abs1
VfGG §62 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §11
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §16 Abs1
BG über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen §16 Abs2
VfGG §57 Abs1
VfGG §62 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Die T A T L Aktiengesellschaft stellte mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1993 - beim Verfassungsgerichtshof am selben Tag eingelangt - gemäß Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge aus näher geschilderten Gründen die §§11 und 16 des Bundesgesetzes über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, BGBl. 824/1992, in eventu §16 Abs1 leg.cit. als verfassungswidrig aufheben.

Unter dem 26. April 1994 gab die antragstellende Gesellschaft eine Stellungnahme ab, in welcher sie anregt, "die Anlaßfallwirkung auch auf sämtliche im Berufungsstadium befindlichen, die Vorschreibung von Sicherheitsbeiträgen oder Abgaben betreffenden Fälle auszudehnen" und auszusprechen, daß die angefochtenen Bestimmungen auf drei näher bezeichnete, gegen die antragstellende Gesellschaft bei Gericht anhängig gemachte Rechtssachen nicht mehr anzuwenden seien.

2.1. Das gemäß seinem §20 Abs1 teils mit 30. Dezember 1992, teils mit 1. März bzw. 1. Mai 1993 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, BGBl. 824/1992 (sofern im folgenden nicht anderes ausgeführt wird, beziehen sich alle Paragraphenbezeichnungen auf dieses Bundesgesetz), überträgt den Sicherheitsbehörden den besonderen Schutz von Zivilluftfahrzeugen und der Menschen, die sich an Bord befinden oder an Bord gehen, vor bestimmten gefährlichen Angriffen (§1) und verpflichtet sie, dafür zu sorgen, daß dieser vorbeugende Schutz durch die Durchsuchung der Kleidung und des Gepäcks der Menschen gewährleistet wird, die an Bord eines Zivilluftfahrzeuges gehen wollen (§2). §4 ermächtigt den Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, mit der Durchführung von Sicherheitskontrollen hiefür geeignete Unternehmer oder Gesellschaften vertraglich zu beauftragen. Gemäß §10 umfaßt der Sicherheitsbeitrag die Sicherheitsabgabe nach §11 und den Risikozuschlag nach §13 Abs3. §12 sieht Ausnahmen von der Abgabenpflicht vor und §13 regelt die Höhe des Sicherheitsbeitrags.

2.2. Die hier angefochtenen Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

"Sicherheitsabgabe, Abgabenschuldner

§11. (1) Tritt ein Passagier auf Grund einer von einem Luftbeförderungsunternehmen erteilten Berechtigung von einem inländischen Zivilflugplatz einen Flug an, der nicht bloß stichprobenweisen Sicherheitskontrollen unterliegt (§2 Abs3), so ist dafür eine Sicherheitsabgabe zu entrichten.

(2) Die Sicherheitsabgabe ist eine Abgabe im Sinne des §1 der Bundesabgabenordnung (BAO).

(3) Abgabenschuldner ist der Zivilflugplatzhalter."

"Zivilrechtliche Begleitbestimmungen

§16. (1) Für jeden Passagier, der an einem inländischen Zivilflugplatz einen abgabenpflichtigen Flug beginnt, ist das Luftbeförderungsunternehmen verpflichtet, an den Zivilflugplatzhalter ein Entgelt in der Höhe des Sicherheitsbeitrags zu leisten. Dieses Entgelt ist auf dem Zivilrechtsweg einzufordern.

(2) Das Luftbeförderungsunternehmen hat dem Zivilflugplatzhalter die von diesem zur Erfüllung seiner Dokumentationspflicht nach §13 benötigten Auskünfte zu erteilen. Diese Leistung ist auf dem Zivilrechtsweg einzufordern."

3. Zur Begründung der Antragslegitimation wird ausgeführt, die durch die angefochtenen Bestimmungen normierte Verbindlichkeit sei durch die - von der antragstellenden Gesellschaft ebenfalls bekämpfte (s. den Beschluß des VfGH vom 28. Februar 1994, V89/93) - Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Höhe des Sicherheitsbeitrages für Flugpassagiere, BGBl. 136/1993, aktualisiert. Die mit dieser Verordnung festgelegte Bestimmung der Höhe des Sicherheitsbeitrages und des Zeitraumes für die Zahlungsverpflichtung wirke direkt und unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein, ohne daß es eines Bescheides oder eines Urteiles bedürfe. Es sei der antragstellenden Gesellschaft jedenfalls nicht zuzumuten, die Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in einem langjährigen Zivilprozeß nach Bestreitung der Entgeltansprüche der Zivilflugplatzhalter durch Anregung an das Gericht, einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, geltend zu machen.

Es sei weiters "nach dem Gleichheitsgebot sowie nach dem Sachlichkeitsgebot" nicht vertretbar, allein §16 Abs1 und 2 zu bekämpfen, der die Luftbeförderungsunternehmen zur Bezahlung des Sicherheitsbeitrages an die Zivilflugplatzhalter verpflichte, welches Entgelt auf dem Zivilrechtsweg einzufordern sei, nicht aber jene Bestimmung, die den Zivilflugplatzhalter selbst verpflichte, "das durch die Sicherheitsbeiträge zu zahlende Entgelt als Sicherheitsabgabe an die Finanzbehörden abzuführen".

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag mangels Antragslegitimation zurückweisen, in eventu aussprechen, daß die §§11 und 16 Abs1 nicht als verfassungswidrig aufzuheben seien.

Zur Antragslegitimation hinsichtlich des §11 führt die Bundesregierung aus, daß die antragstellende Gesellschaft nicht Adressat der angefochtenen Norm sei. §11 richte sich nur an den Zivilflugplatzhalter als Abgabenschuldner, nicht hingegen an die einzelnen Luftbeförderungsunternehmen, zu denen die antragstellende Gesellschaft zähle. Für die antragstellende Gesellschaft habe die angefochtene Norm zwar insoweit faktische Wirkungen, als ohne Entrichtung der Sicherheitsabgabe durch den Zivilflugplatzhalter auch das Luftbeförderungsunternehmen gemäß §16 im Zuge des Regresses nicht zur Entrichtung eines Entgeltes in der Höhe des Sicherheitsbeitrages verpflichtet wäre. Es handle sich dabei jedoch bloß um faktische Reflexwirkungen einer an andere Personen gerichteten Norm.

Zur Anfechtung des §16 Abs2 vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß im Antrag nicht näher ausgeführt sei, in welcher Weise die antragstellende Gesellschaft durch diese Bestimmung in ihren subjektiven Rechten verletzt werde, in welcher Weise §16 Abs2 für sie wirksam werde und welche Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit dieser Regelung bestünden. Fehlten derartige Ausführungen, so habe der Verfassungsgerichtshof den Antrag hinsichtlich dieses Begehrens zurückzuweisen, ohne daß ein Auftrag zur Behebung dieses Mangels zu ergehen habe. Das gesamte Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft im Zusammenhang mit §16 betreffe sachlich nur den ersten Absatz dieser Bestimmung.

Zur Antragslegitimation hinsichtlich des §16 Abs1 äußerte sich die Bundesregierung nicht.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Anfechtung des §16 Abs1:

1. Mit Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, G48/93, V13/93, hat der Verfassungsgerichtshof (u.a.) dem Antrag eines Luftbeförderungsunternehmens auf Aufhebung des §16 Abs1 nicht Folge gegeben. Eine Einbeziehung des vorliegenden Antrages in das zu G48/93, V13/93, protokollierte Verfahren war im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen (Anberaumung der mündlichen Verhandlung für den 3. Dezember 1993; Einlangen des vorliegenden Antrages am 1. Dezember 1993) nicht mehr möglich (vgl. VfSlg. 9735/1983, 10394/1985, 10737/1985, 11455/1987, VfGH 13.3.1993, G212-215/92 u.a., 24.6.1993, G262/92 u.a.).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur ein einziges Mal zu entscheiden (s. VfSlg. 5872/1968, 6550/1971, 9186/1981, 9216/1981, 9217/1981, 10311/1984, 10578/1985, 10841/1986, 12661/1991, u.a.). Da die von der antragstellenden Gesellschaft gegen §16 Abs1 vorgetragenen Bedenken der Sache nach mit jenen übereinstimmen, über die der Verfassungsgerichtshof bereits mit dem genannten Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, G48/93, V13/93, abgesprochen hat, erweist sich der vorliegende Antrag insoweit wegen entschiedener Sache als unzulässig.

B. Zur Anfechtung des §16 Abs2:

1. Nach den §§62 Abs1 und 57 Abs1 VerfGG 1953 müssen Anträge mit dem Begehren, ein Gesetz oder eine Verordnung als verfassungs- oder gesetzwidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bzw. Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im einzelnen darlegen. Das Fehlen dieser Darlegung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozeßhindernis (VfSlg. 8594/1979, 9716/1983, 9897/1983, 11150/1986, 11888/1988, 13086/1992, u.a.).

2. Bezüglich des §16 Abs2 hat die antragstellende Gesellschaft in keiner Weise dargetan, inwieweit durch diese Bestimmung ein unmittelbarer Eingriff in ihre Rechte erfolgte und welche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestehen.

Der Antrag ist daher auch hinsichtlich des §16 Abs2, und zwar aus diesem Grunde unzulässig.

C. Zur Anfechtung des §11:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

2. §11 Abs1 normiert, daß eine Sicherheitsabgabe zu entrichten ist, wenn ein Passagier auf Grund einer von einem Luftbeförderungsunternehmen erteilten Berechtigung von einem inländischen Zivilflugplatz einen Flug antritt, der nicht bloß stichprobenweisen Sicherheitskontrollen unterliegt. Gemäß §11 Abs2 ist die Sicherheitsabgabe eine Abgabe im Sinne des §1 der Bundesabgabenordnung. Abgabenschuldner ist gemäß §11 Abs3 der Zivilflugplatzhalter.

3. Die antragstellende Gesellschaft ist ein Luftbeförderungsunternehmen gemäß §102 LuftfahrtG, welches Fluglinienverkehr mit Betriebspflicht gemäß §113 leg.cit. betreibt. Damit ist die antragstellende Gesellschaft aber nicht Adressat des §11. Sie wird durch diese Bestimmung auch in ihrer Rechtsstellung nicht beeinträchtigt. Eine die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft betreffende Belastung kann niemals durch die Normierung der Abgabenpflicht für den Zivilflugplatzhalter, sondern - wenn überhaupt - nur durch jene Vorschrift bewirkt werden, aus der sich eine derartige Belastung für das Luftbeförderungsunternehmen unmittelbar ergibt (vgl. VfSlg. 11190/1986, 11289/1987, VfGH 22.3.1993, G240/92).

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Belastung des Luftbeförderungsunternehmens ausschließlich aus §16 Abs1, wonach das Luftbeförderungsunternehmen verpflichtet ist, für jeden Passagier, der an einem inländischen Zivilflugplatz einen abgabenpflichtigen Flug beginnt, an den Zivilflugplatzhalter ein Entgelt in der Höhe des Sicherheitsbeitrages zu leisten. Die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft wird durch §11 sohin nicht im Sinne des Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG berührt.

Der Antrag ist daher auch insoweit, und zwar mangels Antragslegitimation unzulässig.

III. 1. Der Antrag war sohin

zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

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