Normen
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Verzug
B-VG Art137 / Zinsen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
ZustG §9 Abs1
KFG 1967 §103 Abs2
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Verzug
B-VG Art137 / Zinsen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
ZustG §9 Abs1
KFG 1967 §103 Abs2
Spruch:
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger den Betrag von S 2.190,-- samt 4 % Zinsen seit 4. Jänner 1994 sowie die mit S 1.839,36 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu Handen seiner Rechtsvertreter zu bezahlen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Am 14. Jänner 1994 langte beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art137 B-VG gestützte Klage gegen das Land Wien ein. In dieser führt der Kläger aus, daß er der Bundespolizeidirektion Wien, die im Vollzugsbereich der beklagten Partei tätig geworden sei, eine "Lenkerauskunft" iSd §103 Abs2 KFG 1967 erteilt und die Zustellbevollmächtigung iSd §9 Abs1 ZustG seiner nunmehrigen Klagevertreter bekanntgegeben habe. Deshalb sei der Versuch, ihm zwei Strafverfügungen am 5. Februar 1993 zuzustellen, erfolglos geblieben und habe es nicht vermocht, eine rechtmäßige Zustellung nach den Verwaltungsvorschriften zu bewirken. In weiterer Folge sei aufgrund der erwähnten "scheinrechtskräftigen" Strafverfügungen Exekution geführt worden. Die bewilligte Exekution sei durch Überweisung gepfändeter Gehaltsansprüche zur Einziehung an die beklagte Partei mit Wirkung spätestens am 15. November 1993 vollzogen worden, "und zwar im Umfang von S 2.190,-, wobei sich dieser Betrag aus S 2.000,- betriebene Forderung, S 150,- Kosten der Drittschuldneranfrage und S 40,- Überweisungsgebühren zusammensetzt." Da der rechtsgrundlos exekutiv hereingebrachte Betrag trotz entsprechender schriftlicher Aufforderung nicht zurückerstattet worden sei, werde begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, "der klagenden Partei bei sonstigem Zwang binnen vierzehn Tagen zuhanden der Klagevertreter den Betrag von
S 2.190,- samt 4 % Zinsen seit 16.11.1993 zu bezahlen sowie die Kosten dieses Rechtsstreites zu ersetzen."
2. Die Wiener Landesregierung hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und anstelle einer Gegenschrift eine Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien vorgelegt und unter Verweis darauf den Antrag gestellt, die Klage als unzulässig zurückzuweisen bzw. als unbegründet abzuweisen. In der genannten Stellungnahme wird im wesentlichen ausgeführt, daß die Rechtsfolgen des §9 ZustG nicht bewirkt worden seien, da die Behörde niemals eine schriftliche Vollmacht erhalten habe. Durch die bloße Anzeige eines unter Umständen bestehenden Zustellvollmachtsverhältnisses sei eine Vertretungsbefugnis nicht entstanden. Aber selbst wenn der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsansicht nicht teilen sollte, dann sei doch zu beachten, daß sich eine Zustellbevollmächtigung nur auf das jeweilige Verfahren beziehe. Die Zustellbevollmächtigung sei aber vom Kläger in Verfahren gemäß §103 Abs2 KFG 1967 erteilt worden; auf die nachfolgenden Strafverfahren habe die allenfalls erteilte Zustellbevollmächtigung keine Anwendung finden können. Außerdem sei niemals die beklagte Partei, das Land Wien, zur Rückzahlung der begehrten S 2.000,-- aufgefordert worden, sondern die Bundespolizeidirektion Wien. Diese sei jedoch nur im gerichtlichen Exekutionsverfahren namens des Landes Wien eingeschritten.
3. Aus dem vorgelegten Administrativakt ergibt sich, daß am 17. November 1992 an den Kläger gemäß §103 Abs2 KFG 1967 von seiten der Bundespolizeidirektion Wien zwei Aufforderungen ergingen, dieser mitzuteilen, wer ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug in der Doblhoffgasse gegenüber dem Haus Nr. 9 abgestellt hat, sodaß es dort am 1.10.1992 um 12.15 Uhr gestanden ist. Der Kläger erteilte auf den ihm übermittelten Formularen die Lenkerauskunft, gab an, zum angeführten Zeitpunkt das Fahrzeug an dem ihm bekanntgegebenen Ort abgestellt zu haben und brachte auf den Formularen jeweils den Hinweis "Zustellbevollmächtigte" an, unter welchen er die Namen und die (gemeinsame) Kanzleianschrift zweier Rechtsanwälte setzte.
In weiterer Folge ergingen zwei an den Kläger selbst adressierte Strafverfügungen, die am 5. Februar 1993 am Postamt 1130 Wien hinterlegt wurden. Die Abholfrist begann am 8. Februar 1993.
Da trotz Mahnung eine Einzahlung der Strafbeträge nicht erfolgte, erwirkte die für das Land Wien einschreitende Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Hietzing, beim Exekutionsgericht Wien eine Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution.
Am 21. Oktober 1993 brachte der Kläger einen Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit der Strafverfügungen vom 14. Dezember 1992 ein und brachte vor, daß ihm diese nicht zugestellt worden seien, weshalb auch keinerlei Rechtskraft habe eintreten können. Außerdem begehrte er die Einstellung der gegen ihn bewilligten Exekution. Darauf wurden die Strafverfügungen an die vom Kläger auf seinen Lenkerauskünften als Zustellungsbevollmächtigte namhaft gemachten Rechtsanwälte am 24. November 1993 (neuerlich) zugestellt.
Am 9. Dezember 1993 erhob der Kläger Einspruch gegen die Strafverfügungen vom 14. Dezember 1992.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 1993 begehrte der Kläger von der Bundespolizeidirektion Wien, den "rechtsgrundlos in Exekution gezogenen Betrag von S 2.190,- binnen 7 Tagen" zu überweisen.
4. Die Klage ist zulässig (vgl. VfSlg. 8666/1979, 8812/1980). Daran ändert die Tatsache, daß der Kläger nie das Land Wien, sondern nur die Bundespolizeidirektion Wien zur Rückzahlung des Betrages von S 2.190,-- aufgefordert hat, nichts. Ein Zahlungsbegehren ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zwar an den Rechtsträger zu richten, gegen den der Anspruch besteht; es ist aber auch dann wirksam, wenn es - wie der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit einer an das Land Wien gerichteten Klage und einem an die Bundespolizeidirektion Wien gerichteten Rückforderungsbegehren ausgesprochen hat - an die Behörde gerichtet ist, die befugt war, einen zu Unrecht vorgeschriebenen - und nunmehr rückgeforderten - Betrag einzuziehen (VfSlg. 11262/1987; vgl. auch 12298/1990).
5. Die Klage ist berechtigt. Mangels ordnungsgemäßer Zustellung sind die an den Kläger gerichteten Strafverfügungen nicht in Rechtskraft erwachsen, sodaß die durch die Einhebung der verhängten Geldstrafen im Exekutionswege eingetretene Vermögensverschiebung zufolge Fehlens eines Titels ohne Rechtsgrund erfolgt ist.
Gemäß §9 Abs1 ZustG hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, dann, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, dieser Person zuzustellen. "Die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten kann durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht oder durch mündliche Vollmachtserteilung vor der Zustellbehörde erfolgen" (so Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 51991, Rz 202). Es genügt auch, daß der Zustellungsbevollmächtigte der Behörde namhaft gemacht wird (vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen II, 1962, S. 575, Anm. 1 zu §94).
Mit der Namhaftmachung von Zustellungsbevollmächtigten auf den Formularen für die Lenkerauskunft erlangte somit im gegenständlichen Fall die Bestellung der Zustellungsbevollmächtigten für die Bundespolizeidirektion Wien rechtliche Wirksamkeit. Ab dem Vorliegen der Zustellungsbevollmächtigung durfte daher rechtswirksam nur mehr an die Zustellungsbevollmächtigten des Klägers zugestellt werden (vgl. VwSlg. 4557 A/1958, ZfVB 1990/261). Dem steht auch das von der Bundespolizeidirektion Wien in ihrer Stellungnahme vorgebrachte Argument, eine Zustellungsbevollmächtigung beziehe sich nur auf ein Verfahren (im gegenständlichen Fall: auf die Verfahren gemäß §103 Abs2 KFG 1967), nicht aber auf allenfalls nachfolgende andere (hier: die folgenden Strafverfahren), nicht entgegen. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1982, Z82/03/0018, ergibt sich nämlich, daß einer Behörde im Falle eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen dem Verwaltungsverfahren, in welchem ein Rechtsanwalt allgemein (mit Zustellungsvollmacht) bevollmächtigt wurde, und einem darauf basierenden anderen Verfahren keine Rechtswidrigkeit unterläuft, wenn sie die Bevollmächtigung auch für das Folgeverfahren als gegeben erachtet. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Verfahren zur Lenkererhebung und den aufgrund des Ergebnisses dieser Verfahren durchgeführten Verwaltungsstrafverfahren gegen den Kläger liegt vor. Das ergibt sich schon daraus, daß sowohl die beiden an den Kläger ergangenen Aufforderungen zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers als auch die in weiterer Folge gegen ihn ergangenen Strafverfügungen die jeweils selbe Aktenzahl aufweisen: Im einen Fall sind Aufforderung und Strafverfügung unter der Zahl Cst 2843/HG/92, im anderen unter der Zahl Cst 2844/HG/92 ergangen.
Da sohin die Bundespolizeidirektion Wien die Strafverfügungen an die namhaft gemachten Zustellungsbevollmächtigten hätte zustellen müssen, dies aber nicht getan hat, konnten die an den Kläger gerichteten Strafverfügungen durch Hinterlegung nicht in Rechtskraft erwachsen. Die durchgeführte Exekution ist somit ohne Rechtsgrund erfolgt (vgl. VfSlg. 8812/1980). Das Klagebegehren ist daher sowohl in der Hauptsache (vgl. VfSlg. 8812/1980) als auch hinsichtlich der Kosten der Drittschuldneranfrage und der Überweisungsgebühren berechtigt.
Anders verhält es sich jedoch mit dem Zinsenbegehren. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß der Kläger die Bundespolizeidirektion Wien mit Schriftsatz vom 23. Dezember 1993 - unter Setzung einer Frist von sieben Tagen - dazu aufgefordert hat, "den rechtsgrundlos in Exekution gezogenen Betrag von S 2.190,-" zurückzuzahlen. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zB VfSlg. 9498/1982, 10496/1985, 10498/1985, 12335/1990), tritt Verzug bei der Rückzahlung einer eingehobenen Geldstrafe, deren Titel durch ein nachfolgendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes weggefallen ist, erst mit dem Zeitpunkt ein, für den die Rückgängigmachung der Vermögensverschiebung begehrt wurde. Diesem Fall ist der gegenständliche gleichzuhalten. Unter Bedachtnahme auf die vom Kläger selbst gesetzte Frist - das diese setzende Schreiben ist der Bundespolizeidirektion Wien laut Eingangsstempel am 28. Dezember 1993 zugegangen - besteht seine Zinsenforderung sonach erst ab dem 4. Jänner 1994 zu Recht (vgl. VfSlg. 10496/1985, 12335/1990).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §41 VerfGG iVm §43 Abs2 ZPO und §35 Abs1 VerfGG. Der Einheitssatz war nur in der Höhe von 60 vH zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 266,56 enthalten.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)