Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zu Handen des Beschwerdevertreters die jeweils mit S 15.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheiden vom 2. März 1992 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn über die Beschwerdeführerinnen, zwei Schwestern türkischer Staatsangehörigkeit, bis zum 3. März 1997 befristete Aufenthaltsverbote gemäß §3 Abs1 und 2 Z6 iVm. §4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954, idF des Bundesgesetzes BGBl. 21/1991 (im folgenden: FrPolG - beachte jedoch auch die Novelle BGBl. 406/1991; das FrPolG ist gemäß §86 Abs3 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992, mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft getreten): Die Beschwerdeführerinnen hätten in ihrem Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes zur Einreise nach Österreich unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthalts gemacht und so die Erteilung des Sichtvermerkes erschlichen.
Den dagegen rechtzeitig erhobenen Berufungen der Beschwerdeführerinnen gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg mit ihren Bescheiden vom 9. November 1992 keine Folge.
2. Diese Bescheide bekämpften die Beschwerdeführerinnen mit auf Art144 Abs1 B-VG gestützten und zu B1854/92 und B1895/92 protokollierten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, in denen ua. die Verletzung der durch Art3 und Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird. Zum Vorwurf der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung wurde ausgeführt, daß die belangte Behörde den Erlaß des Bundesministers für Inneres vom 14. November 1985, Zl. 70.030/10-II/14/85, ohne ihn im Bescheid zu zitieren, angewandt habe. Dieser als Rechtsverordnung zu wertende Erlaß sei jedoch nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden.
3. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg als belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor, verzichtete aber darauf, eine Gegenschrift zu erstatten.
4. Aus Anlaß dieser Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen mit Beschluß vom 25. Juni 1993, B1854/92, B1895/92, gemäß Art139 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Erlasses des Bundesministers für Inneres vom 1. Dezember 1987, Zl. 79.003/42 - II/14/87, ein.
5.1. Mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1993, V59,60/93, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß der als Verordnung qualifizierte Erlaß gesetzwidrig war.
5.2. Die belangte Behörde hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung dieser Vorschriften im Administrativverfahren für die Rechtsposition der Beschwerdeführerinnen nachteilig war (s. auch: VfSlg. 10303/1984, 10622/1985, 10790/1986).
6. Demgemäß hatte der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, daß die Beschwerdeführerinnen durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Bescheide sind somit aufzuheben.
7.1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen jeweils S 2.500,-- auf Umsatzsteuer.
7.2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)