Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Stmk LStVG 1964 §2
Stmk LStVG 1964 §5
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Stmk LStVG 1964 §2
Stmk LStVG 1964 §5
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
Das Land Steiermark ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer die mit S 15.000,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Am 31. Juli 1961 schloß die "Republik Österreich" (Österreichische Bundesforste) mit der Gemeinde Bad Mitterndorf ein Übereinkommen, wonach der Gemeinde gestattet wurde, eine Straße auf die Tauplitzalm zu erbauen und nach Fertigstellung derselben deren Instandhaltung einer anderen natürlichen oder juristischen Person zu übertragen.
Am 21. Mai 1962 wurde sodann zwischen der Gemeinde Bad Mitterndorf und der Tauplitzalm-Alpenstraße S S Ges.m.b.H. & Co KG ein Vertrag abgeschlossen, wonach die Gemeinde die Rechte und Pflichten aus dem Übereinkommen mit dem Bund vom 31. Juli 1961, insbesondere jene zur Straßenerhaltung, auf die genannte Gesellschaft übertrug.
Nach Fertigstellung der Straße kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Benützung der Straße, insbesondere auch über die Verpflichtung der Straßenbenützer zur Entrichtung der von der Straßenerhalterin eingehobenen Maut.
Schließlich stellte die Tauplitzalm-Alpenstraße S S Ges.m.b.H. & Co KG am 19. November 1971 beim Bürgermeister der Gemeinde Bad Mitterndorf unter Berufung auf die §§2 und 3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 - LStVG 1964, Anlage zur Kundmachung der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. Juni 1964, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 154/1964, über die Wiederverlautbarung des Landes-Straßenverwaltungsgesetzes idF der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 195/1969, den Antrag auf Feststellung, daß es sich bei der Tauplitzalm-Alpenstraße nicht um eine öffentliche Straße handle. Dieser Antrag wurde aufgrund einer Säumnisbeschwerde schließlich vom Verwaltungsgerichtshof mangels Parteistellung der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen.
Zur genaueren Darstellung der Vorgeschichte verweist der Verfassungsgerichtshof auf die Sachverhaltsschilderung in Pkt. I.1. lita bis c seines Erkenntnisses VfSlg. 8015/1977, mit dem der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde des Geschäftsführers der Tauplitzalm-Alpenstraße S S Ges.m.b.H. & Co KG gegen eine mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung über ihn ausgesprochene Ermahnung abgewiesen hat. Die Ermahnung wurde erteilt, weil der Geschäftsführer den Tauplitzer Fremdenverkehrsbetrieben Brüder M die Benützung der Tauplitzalm-Alpenstraße verwehrt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §5 LStVG 1964 idF der Novelle LGBl. für das Land Steiermark Nr. 133/1974 begangen habe. Der Verfassungsgerichtshof verneinte die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte mit der Begründung, der angefochtene Bescheid entbehre nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage; ob der Sachverhalt im einzelnen richtig unter den gesetzlichen Tatbestand subsumiert worden sei, habe der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen. Er führte weiters aus, daß gegen die Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften unter dem Gesichtspunkt des (damals) vorliegenden Beschwerdefalles Bedenken nicht entstanden seien.
Mit Bescheiden der Bürgermeister der Gemeinden Tauplitz vom 30. Oktober 1985 und Bad Mitterndorf vom 31. Oktober 1985 bzw. 8. November 1988 wurde schließlich gemäß §§2 bis 4 LStVG 1964 die Öffentlichkeit der Tauplitzalm-Alpenstraße festgestellt, wobei im Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Tauplitz ausgesprochen wird, "daß die Tauplitzalm-Alpenstraße eine öffentliche Straße ist, für deren Benützung jedoch eine Maut eingehoben wird".
In der Folge hatten sich wiederholt Verwaltungsbehörden, ordentliche Gerichte und auch der Verwaltungsgerichtshof mit Streitigkeiten um diese Straße und ihre Benützung zu beschäftigen.
2.1. Mit Straferkenntnis der Politischen Expositur der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Bad Aussee vom 26. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer als verantwortlicher Geschäftsführer der Tauplitzalm-Alpenstraße S S Ges.m.b.H. & Co KG für schuldig erkannt, seit 1. Dezember 1990 den Auftrag zur Anhaltung der Kraftfahrzeuge am Beginn der Tauplitzalmstraße in Bad Mitterndorf und zur Einhebung der gesetzwidrigen Personenmaut (S 95,--/Pkw) für die Benützung der öffentlichen Gemeindestraße von Bad Mitterndorf, Thörl auf die Tauplitzalmstraße gegeben und dadurch die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Gemeindestraße eigenmächtig behindert zu haben. Er habe dadurch §56 Abs1 iVm §5 LStVG 1964 iVm §3 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. April 1974, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 42/1974, verletzt und werde wegen dieser Verwaltungsübertretungen zu einer Geldstrafe von S 5.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit zu sieben Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.
2.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Oktober 1991, Z 03-20 Ta 21-71/121, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"...
Seit ihrer Errichtung war diese Straße Anlaß für eine Unzahl von gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzungen.
Einen wesentlichen Irrtum des angefochtenen Straferkenntnisses sieht der Berufungswerber darin, daß die in der Begründung zitierte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1988, Zl. 88/06/0023,0024, und des OGH vom 9. November 1989, Zl. 8 Ob 616/89, eindeutig falsch interpretiert wurden. Aus den Aussagen in der Begründung dieser beiden Erkenntnisse leitete der Berufungswerber die Zulässigkeit der Mauteinhebung auch nach Feststellung der Öffentlichkeit ab. Dabei steht er auf dem Standpunkt, daß die Bescheide der Gemeinde Bad Mitterndorf und Tauplitz lediglich die Öffentlichkeit der Straße gemäß den §§2 - 4 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964 festgestellt haben. ...
...
Der VwGH hat sich jedoch nicht über die Frage geäußert, ob die Einhebung der Maut auch nach der bescheidmäßigen Feststellung der Öffentlichkeit der Straße weiterhin zulässig ist. ...
...
Die Entscheidung des OGH gibt ebenfalls keine ausdrückliche oder schlüssige Antwort auf die Frage, ob eine Beitragseinhebung nach der Öffentlicherklärung der Straße weiterhin zulässig ist ...
...
Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, daß die Frage, ob nach der Öffentlicherklärung der Straße eine Mauteinhebung durch die Gesellschaft weiterhin zulässig ist, durch die beiden höchstgerichtlichen Entscheidungen nicht beantwortet wird.
...
Nach dem Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetz kann die Öffentlichkeit einer Straße auf folgende Weise begründet werden:
- durch behördliche Widmung (§2 Abs1, erster Fall -
öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes sind alle Straßen, die von der zuständigen Stelle bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind),
- durch langjährigen Gemeingebrauch (§2 Abs1, zweiter Fall -
öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes sind weiters solche, die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden), sowie
- durch Enteignung (§6 - eine solche ist zulässig, wenn sich
ein dringendes Verkehrsbedürfnis in anderer Weise ohne unverhältnismäßige Kosten nicht befriedigen läßt oder wenn die Umlegung einer öffentlichen Straße aus wichtigen Gründen notwendig ist; ein Entschädigungsanspruch ist ausdrücklich vorgesehen).
Für Zweifelsfälle ist ein Feststellungsverfahren vorgesehen:
Bestehen Zweifel, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist oder in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch), so entscheidet die Gemeinde auf Antrag oder von Amts wegen (§3).
Der VwGH hat festgehalten, daß es beim Gemeingebrauch auf die tatsächlichen Benützungsverhältnisse (und nicht etwa auf vertragliche Regelungen über die Straßenbenützung) ankommt. Er hat weiters festgehalten, daß die (allgemeine) Einhebung einer Maut die Tatsache des Gemeingebrauches nicht aufhebt (VwGH 23.6.1988, 88/06/0023, 0024 - siehe vorhin).
...
Langjähriger, uneingeschränkter, vom Willen des Grundeigentümers oder dritter Personen unabhängig ausgeübter Gemeingebrauch, mit dem ein dringendes Verkehrsbedürfnis befriedigt wird, begründet gemäß §2 Abs1, 2.Fall LStVG die Öffentlichkeit der betreffenden Straße. Handelt es sich dabei um eine (ursprünglich) private Straße, so geht durch die Umwandlung in eine öffentliche Straße die privatrechtliche Dispositionsbefugnis, mit der die Benützung der Straße (auch einseitig) geregelt werden kann, verloren und macht einem öffentlich-rechtlichen Regime Platz, das den Gemeingebrauch fortan garantiert (siehe vorhin).
Die Umwandlung einer privaten in eine öffentliche Straße auf Grund eines langjährigen, tatsächlich ausgeübten Gemeingebrauches tritt nach §2 Abs1 LStVG nicht durch eine behördliche Verfügung, sondern ex lege ein. Der Feststellungsbescheid nach §3 LStVG hat die Funktion, Zweifelsfälle verbindlich zu lösen. Er begründet aber nicht die Öffentlichkeit der Straße, sondern setzt diese Eigenschaft in ihrer Existenz voraus und stellt sie außer Streit.
Dennoch hat auch ein solcher Bescheid - wie jeder Feststellungsbescheid ... - konstitutive, d.h., rechtsgestaltende Elemente: Ist einmal eine rechtskräftige Feststellung nach §3 LStVG getroffen worden, so darf bei einer vormaligen Privatstraße der bisher Berechtigte keinesfalls mehr über die Benützung der Straße privatrechtlich bestimmen.
Vor der Existenz eines solchen Bescheides kann bei Privatstraßen eine Situation bestehen, bei der ein in zeitlicher oder persönlicher Hinsicht unvollständiger oder noch nicht gefestigter Gemeingebrauch durch privatrechtliche Dispositionen des Berechtigten beendet oder in seiner weiteren Entwicklung (Etablierung) gehindert werden könnte.
Daraus wird deutlich, daß auch ein Feststellungsbescheid nach §3 LStVG konstitutive und für den Adressaten rechtseingreifende Wirkung haben kann. Eine vormals bestehende privatrechtliche Gestaltungsbefugnis, deren Anwendung unter Umständen zur Beendigung gerade jenes Prozesses führen kann, der die Öffentlichkeit der Straße bewirkt, wird durch einen solchen Bescheid unzweifelhaft beendet.
Dies zeigt auch, daß der Unterschied zwischen einem Bescheid, mit dem gemäß §3 in Verbindung mit §2 Abs1 LStVG die Öffentlichkeit einer Privatstraße festgestellt wird, und einem Bescheid, mit dem gemäß §6 Abs1 leg.cit. eine Privatstraße im Wege der Enteignung als öffentlich erklärt wird, im Hinblick auf die Eingriffswirkungen für den Betroffenen relativ ist. Beide Bescheide haben zur Folge, daß von einer vormals bestehenden privatrechtlichen Verfügungsmöglichkeit fortan nicht mehr Gebrauch gemacht werden kann.
...
Folgerungen für die Tauplitzalmstraße
Durch die rechtskräftige bescheidmäßige Feststellung der Öffentlichkeit dieser Straße ist die Mauteinhebung, die bis dato im Rahmen privatautonomer Gestaltungsrechte durchgeführt werden konnte, in das Koordinatensystem von öffentlich-rechtlichen Bindungen geraten. Diese erfordern vor allem die Legitimierung der weiteren Mauteinhebung durch eine ausdrückliche oder erschließbare gesetzliche Ermächtigung ...
...
Keine Grundlage für die Einhebung eines allgemeinen Benützungsbeitrages bietet §19 Steiermärkisches Landesstraßenverwaltungsgesetz ... Die dort vorgesehenen Beiträge dienen dem Ausgleich von ungewöhnlichen Kosten ...
...
Die Bestandsgarantien des §1 und 3 LStVG betreffen private Sachenrechte am Straßengrund und den Rechtsweg zur Durchsetzung solcher Rechte. Eine Ermächtigung zur Mauteinhebung ist daraus nicht zu gewinnen.
- Gemäß §23 Abs1 LStVG werden die auf Grund eines besonderen Rechtstitels bestehenden Verpflichtungen zur Herstellung oder Instandhaltung einer öffentlichen Straße oder zur Beitragsleistung durch dieses Gesetz nicht berührt. ...
Auch diese Regelung kann nicht als Ermächtigungsgrundlage für die Einhebung einer Publikumsmaut gedeutet werden ...
- §43 Abs1 LStVG sieht für Gemeindestraßen die Beibehaltung von bestehenden Erhaltungslasten vor ...
Die damit angeordnete Beibehaltung des status quo der Erhaltungslast bei Gemeindestraßen findet auch auf die Tauplitzalmstraße Anwendung. Seit der Öffentlicherklärung hat diese Straße den Status einer Gemeindestraße (§7 Abs1 Z3 LStG (richtig wohl: LStVG) ...).
...
Mit dieser Auslegung des §43 Abs1 LStVG harmoniert auch die Bestimmung in §43 Abs2 leg.cit, wonach solche (überkommenen) Verpflichtungen (zur Straßenerhaltung) auf Antrag eines Beteiligten neu zu regeln oder ganz aufzuheben sind, wenn sich die Verkehrsverhältnisse wesentlich geändert haben. ...
Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß die bestehende Rechtslage (LStVG) keine Grundlage für eine weitere Bemautung der Tauplitzalmstraße bietet. ...
...
Wenn der Berufungswerber in seiner Stellungnahme vom 27. Februar 1991 noch darauf verweist, daß die österreichische Rechtsordung den Begriff einer 'stillen' bzw. einer 'entschädigungslosen' Enteignung nicht kennt, die Straßengesellschaft aber tatsächlich enteignet wäre, wenn man ihr das privatrechtlich verankerte Recht zur Einforderung eines Benützungs- und Erhaltungsentgeltes für die Tauplitzalmstraße entziehe, ist festzustellen, daß diese Überlegungen - mögen sie auch berechtigt sein - im Verwaltungsstrafverfahren nicht zur Erörterung heranstehen."
3.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3.2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Die Bestimmungen des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. für das Land Steiermark Nr. 154/1964 (§3 idF LGBl. für das Land Steiermark Nr. 195/1969) lauten - soweit sie für das Verfahren von Bedeutung sind - wie folgt:
"I. Abschnitt.
Öffentlichkeit der Straßen.
§1.
(1) Dieses Gesetz ist auf alle öffentliche Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen anzuwenden.
(2) Das Eigentumsrecht oder sonstige auf einem Privatrechtstitel beruhende Rechte dritter Personen an der Grundfläche von Straßen, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, können jederzeit gerichtlich geltend gemacht werden.
(3) ...
(4) ...
§2.
(1) Öffentliche Straßen sind im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden.
(2) ...
§3.
Bestehen Zweifel, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist oder in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch), entscheidet die Gemeinde auf Antrag oder von Amts wegen.
§4.
(1) ...
(2) Parteien, die aus einem privatrechtlichen Titel Einwendungen erheben, sind vor die ordentlichen Gerichte zu verweisen, wenn hierüber ein gültiges Übereinkommen nicht erzielt wird.
(3) Der Bescheid, mit dem die Öffentlichkeit ausgesprochen wird, muß zum Ausdruck bringen, für welche Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahr-, Reit-, Radfahr-, Fußgeherverkehr usw.) die Straße benützt werden kann.
§5.
Die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Straße zum Verkehr ist jedermann gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden.
§6.
(1) Läßt sich ein dringendes Verkehrsbedürfnis in anderer Weise ohne unverhältnismäßige Kosten nicht befriedigen oder wird die Umlegung einer öffentlichen Straße aus wichtigen Gründen notwendig, so kann auf eine bestehende Privatstraße auf Antrag einer oder mehrerer Ortsgemeinden oder der Landesregierung von der Bezirksverwaltungsbehörde oder, wenn sich die Straße auf mehrere politische Bezirke erstreckt, von der Landesregierung nach Anhören der bisher Berechtigten und Feststellung des unabweislichen Bedürfnisses auf Grund eines Augenscheines durch Enteignung als öffentlich erklärt werden. Dabei sind die Vorschriften dieses Gesetzes über die Entschädigung (§50) und über Vorarbeiten (§51) entsprechend anzuwenden.
(2) ...
II. Abschnitt.
Einteilung der Straßen.
§7.
(1) Die unter dieses Gesetz fallenden Straßen sind in folgende Gattungen eingereiht:
- 1. Landesstraßen ...
- 2. Eisenbahn-Zufahrtstraßen ...
- 3. Konkurrenzstraßen ...
- 4. Gemeindestraßen, das sind Straßen, die vorwiegend dem Verkehr innerhalb von Ortsgemeinden oder zwischen Nachbargemeinden dienen und zu solchen erklärt wurden (§8). Als Gemeindestraßen gelten auch alle öffentlichen Verkehrsanlagen, die nicht zu einer anderen Gattung der Straßen gehören.
5. Öffentliche Interessentenwege ...
(2) ...
...
IV. Abschnitt.
Verpflichtungen, betreffend den Bau und die Erhaltung der Straße.
A. Allgemeine Bestimmungen.
a) Verpflichtungen der Straßenverwaltung.
§14.
...
b) Verpflichtungen der Straßenbenützer.
§18.
...
§19.
(1) Wird eine Gemeindestraße oder ein öffentlicher Interessentenweg durch eine Unternehmung mit eigenen oder gedungenen Fahrzeugen dauernd oder vorübergehend in größerem Maße in Anspruch genommen und abgenützt, so kann die Unternehmung zu den Kosten der Straßenerhaltung (Wiederinstandsetzung) zu einer angemessenen Beitragsleistung herangezogen werden. ...
...
§23.
(1) Durch dieses Gesetz werden die auf Grund eines besonderen Rechtstitels bestehenden Verpflichtungen zur Herstellung oder Instandhaltung einer öffentlichen Straße oder zur Beitragsleistung nicht berührt.
...
B. Besondere Bestimmungen.
a) Landesstraßen.
...
d) Gemeindestraßen.
(§7 Abs1 Z. 4).
§39.
(1) Die Ortsgemeinden haben innerhalb ihres Gebietes für die Herstellung und Erhaltung der Gemeindestraßen zu sorgen.
(2) Durch die Bestimmungen des Abs1 werden anderweitige Verpflichtungen sowie mit anderen Ortsgemeinden getroffene Vereinbarungen nicht berührt. ...
...
§43.
(1) Wird die Erhaltung einer Gemeindestraße nach bestehender Übung auf Grund einer Vereinbarung der Beteiligten oder einer behördlichen Verfügung oder ohne eine solche nachweisbare Grundlage ganz oder teilweise von anderen Ortsgemeinden, Ortschaften oder einzelnen physischen oder juristischen Personen bestritten, so sind diese Einrichtungen in der bisherigen Weise aufrecht zu erhalten.
(2) Solche Verpflichtungen sind auf Antrag eines Beteiligten neu zu regeln oder ganz aufzuheben, wenn sich die Verkehrsverhältnisse wesentlich geändert haben.
..."
4.2. Aus dem Zusammenhalt der wiedergegebenen Bestimmungen ergibt sich, daß der Vorwurf der Beschwerde, der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, zutrifft, da §5 LStVG 1964 ein gleichheitswidriger Inhalt - wie die folgenden Ausführungen erweisen - unterstellt wurde.
Das LStVG 1964 kennt drei Fälle, in welchen eine Straße zu einer öffentlichen Straße wird, nämlich den Fall der Widmung einer Straße als öffentlich (§2 Abs1 leg.cit. erster Tatbestand), weiters das Vorliegen der Tatsache, daß eine Privatstraße in langjähriger Übung allgemein ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt wurde (§2 Abs1 leg.cit. zweiter Tatbestand) und schließlich die Öffentlicherklärung einer Privatstraße durch Enteignung, weil ein dringendes Verkehrsbedürfnis in anderer Weise nicht befriedigt werden kann (§6 Abs1 LStVG 1964).
Während im Falle einer Enteignung nach §6 Abs1 leg.cit. der letzte Satz dieser Bestimmung eine Entschädigungspflicht festlegt, wird vom Gesetz gleiches für den zweiten Tatbestand nach §2 Abs1 LStVG 1964 nicht vorgesehen. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 8538/1979 die unterschiedliche gesetzliche Behandlung deshalb für sachlich gerechtfertigt erachtet, weil der Grundeigentümer in der Lage ist, den Eintritt der für den zweiten Tatbestand des §2 Abs1 LStVG 1964 geforderten Voraussetzungen für das Vorliegen der Öffentlichkeit einer Straße zu verhindern; die vom damaligen Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der Entschädigung stelle sich schon deshalb nicht für eine solche Art von Eigentumsbeschränkung, weil für solche Fälle eine Entschädigung in der Rechtsordnung zum Zeitpunkt der Erlassung des StGG nicht vorgesehen gewesen sei, wozu auf Regelungen im Zusammenhang mit der Ersitzung von Servituten (§§479, 480 ABGB) verwiesen wurde; eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums wurde damit verneint.
Wie sich aus den unter Pkt. 1. erwähnten Feststellungsbescheiden vom 30. Oktober 1985 und vom 31. Oktober 1985 bzw. 8. November 1988 ergibt, ist Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ein Fall, der dem zweiten Tatbestand nach §2 Abs1 LStVG 1964 zuzurechnen ist.
Auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1988, Z88/06/0023,0024 (S 26) liegt die Ansicht zugrunde, daß ein Fall des zweiten Tatbestandes des §2 Abs1 LStVG 1964 vorliegt.
Die belangte Behörde meint nun, daß die Einhebung einer Maut - die zulässig war, solange es sich um eine Privatstraße handelte - nach §5 LStVG 1964 nicht mehr zulässig sei, sobald die Voraussetzungen der Öffentlichkeit der Straße nach dem zweiten Tatbestand des §2 Abs1 LStVG 1964 eingetreten seien, da deren bestimmungsgemäße Benützung zum Verkehr jedermann gestattet sei und von niemandem eigenmächtig behindert werden dürfe.
Aus dem systematischen Zusammenhang der Bestimmungen des LStVG 1964 ergibt sich, daß die Auffassung der belangten Behörde, wenn sie das Gesetz gebieten sollte, zur Verfassungswidrigkeit des §5 LStVG 1964 aus folgenden Gründen führen würde:
Eine private Mautstraße, die von einem Grundeigentümer oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten gewerbsmäßig errichtet und betrieben wird, wird nur dann gebaut werden, wenn damit einem dringenden Verkehrsbedürfnis entsprochen wird und diese Straße voraussetzungsgemäß ohne Einschränkung langjährig allen Verkehrsteilnehmern gegen Zahlung der Maut zur Benützung angeboten werden soll, ohne daß es einer zusätzlichen Willenseinigung zwischen dem Benützer und dem Betreiber bedürfen soll. Damit wird, sobald eine private Mautstraße durch einige Jahre in Betrieb ist, der zweite Tatbestand des §2 Abs1 LStVG 1964 zwangsläufig erfüllt; die private Mautstraße wird damit nach einigen Jahren zur öffentlichen Straße.
Würde man §5 leg.cit. den Inhalt unterstellen, daß die weitere Einhebung einer Maut auf einer ursprünglich privaten Mautstraße, nachdem diese gemäß §2 Abs1 LStVG 1964 zu einer öffentlichen Straße geworden ist, den Tatbestand einer eigenmächtigen Behinderung der bestimmungsgemäßen Benützung erfüllt, so hätte das zur Folge, daß das Recht zur Einhebung einer Maut entschädigungslos unterginge. Denn da die Öffentlichkeit der Straße eine Rechtsfolge der Verwirklichung des zweiten Tatbestandes des §2 Abs1 LStVG 1964 ist, würde dem Straßenerrichter auch kein Entschädigungsanspruch nach §6 LStVG 1964 zustehen, obwohl vom Gewicht der Folgen ein vergleichbarer Fall zur Enteignung, für den die zuletzt genannte Gesetzesstelle eine Entschädigungspflicht begründet, vorläge.
Dazu kommt weiters, daß gemäß §23 LStVG 1964 die aufgrund eines besonderen Rechtstitels bestehenden Verpflichtungen zur (weiteren) Instandhaltung einer - öffentlich gewordenen - Straße nicht berührt werden.
Wie sich aus §7 Abs1 Z4 letzter Satz LStVG 1964 ergibt, gelten Privatstraßen, die nach dem zweiten Tatbestand des §2 Abs1 LStVG 1964 zu öffentlichen Straßen wurden - da sie zu keiner anderen Gattung der Straßen gehören - als Gemeindestraßen. §43 Abs1 LStVG 1964 legt fest, daß die Erhaltung einer Gemeindestraße, wenn sie nach bestehender Übung oder aufgrund einer Vereinbarung der Beteiligten von einer einzelnen physischen oder juristischen Person bestritten wurde, in der bisherigen Weise aufrecht zu erhalten ist; solche Verpflichtungen sind - erst - auf Antrag eines Beteiligten neu zu regeln oder ganz aufzuheben, wenn sich die Verkehrsverhältnisse wesentlich geändert haben (§43 Abs2 leg.cit.). Dies zeigt ebenfalls, daß ein privater Mautstraßenerrichter, wenn die Mautstraße gemäß §2 Abs1 LStVG 1964 zu einer öffentlichen wurde, zur weiteren Straßenerhaltung verpflichtet ist, wofür sich keine sachliche Rechtfertigung fände, wenn §5 leg.cit. eine weitere Mauteinhebung verbieten sollte.
Der Verfassungsgerichtshof hält es für unsachlich und damit für verfassungswidrig, daß ein bis zum Eintritt der Öffentlichkeit der Straße rechtmäßiger Anspruch auf Mauteinhebung entschädigungslos untergeht und der Private dennoch zusätzlich weiter verpflichtet bleibt, den Instandhaltungsaufwand zu tragen, bis er über seinen Antrag davon entbunden wird.
Ein solcher - verfassungswidriger - Inhalt muß aber §5 LStVG 1964 nicht unterstellt werden. Systematisch geht nämlich das LStVG 1964 davon aus, daß auch dann, wenn eine Straße nach dem zweiten Tatbestand des §2 Abs1 zur öffentlichen Straße wird, weder das Eigentumsrecht (§1 Abs2) noch andere private Rechtstitel berührt werden (§23 Abs1). Dies läßt zu und rechtfertigt, §2 Abs1 LStVG 1964 so zu lesen, daß die Einhebung einer Maut bei einer Privatstraße nicht verhindert, daß der zweite Tatbestand dieser Bestimmung - Öffentlichwerden der Privatstraße zufolge langjähriger, unabhängig vom Willen des Grundeigentümers erfolgender Übung - verwirklicht wird. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Grundsatz des Ersitzungsrechtes, wonach nur jener Zustand ersessen werden kann, der besessen wird. Da somit über die Benützung einer Mautstraße eben nur das Recht zur Benützung einer Mautstraße ersessen werden kann, ist festzuhalten, daß die Einhebung einer Maut bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes weder eine vom Willen des Grundeigentümers (Mautstraßenbetreibers) abhängige Einschränkung der Straßenbenützung im Sinne des §2 Abs1 noch eine eigenmächtige Behinderung des Verkehrs gemäß §5 bildet.
Da die belangte Behörde dennoch die Einhebung der Maut als ein nach §5 LStVG 1964 gesetzwidriges Verhalten angenommen hat, hat sie dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
Abschließend ist lediglich festzuhalten, daß mit diesem Ergebnis das bereits zitierte Erkenntnis VfSlg. 8015/1977 insofern nicht im Widerspruch steht, als darin lediglich ausgesagt wurde, daß der damals angefochtene Bescheid nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehre.
4.3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des Gleichheitsgebotes als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; in den Kosten ist USt im Betrage von S 2.500,-- enthalten.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)