VfGH G120/92,G143/92,G260/92,G261/92

VfGHG120/92,G143/92,G260/92,G261/92G120/92,G143/92,G260/92,G261/92G120/92,G143/92,G260/92,G261/92G120/92,G143/92,G260/92,G261/9217.12.1992

Verfassungswidrigkeit der Regelung über das unterschiedliche Pensionsalter von Mann und Frau nach dem ASVG idF des Sozialrechts-ÄnderungsG 1991 bis zum Inkrafttreten der Verfassungsbestimmung über die Zulässigkeit unterschiedlicher Altersgrenzen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
BG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 627/1991 ArtI
ASVG §253b Abs1 idF ArtI Z7 Sozialrechts-ÄnderungsG 1991
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
BG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl 627/1991 ArtI
ASVG §253b Abs1 idF ArtI Z7 Sozialrechts-ÄnderungsG 1991

 

Spruch:

Die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 des Bundesgesetzes vom 9. September 1955, BGBl. Nr. 189/1955, über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG) idF des ArtI Z7 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 157/1991, war bis zum Ablauf des 30. November 1991 verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Diese Wortfolge im §253b Abs1 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 ist auch auf jene Sachverhalte nicht mehr anzuwenden, die den beim Verfassungsgerichtshof zu G260/92 und zu G261/92 anhängigen Rechtssachen zugrunde liegen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Der Oberste Gerichtshof stellte mit Beschlüssen vom 26. Mai 1992 und 30. Juni 1992 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, idF des ArtI Z7 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 157/1991, als verfassungswidrig aufzuheben oder auszusprechen, daß in der angeführten Bestimmung diese Wortfolge in der Zeit vom 1. April bis 30. November 1991 verfassungswidrig war.

Diese Gesetzesprüfungsanträge sind hg. zu G120/92 und G143/92 protokolliert.

1.1.2. Gleichlautende Anträge, wobei in den diesen zugrundeliegenden Rechtssachen der Stichtag jeweils der 1. November 1991 ist, stellte der Oberste Gerichtshof mit Beschlüssen vom 10. November 1992 und vom 24. November 1992. Diese Anträge sind beim Verfassungsgerichtshof am 15. Dezember 1992 eingelangt und hg. zu G260/92 und G261/92 protokolliert.

1.2. Zur Rechtslage:

1.2.1. Der unter der Überschrift "Vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer" stehende §253b Abs1 ASVG idF des ArtI Z7 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991, BGBl. Nr. 157/1991, - die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben - hat folgenden Wortlaut:

"(1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres,

a) wenn die Wartezeit (§236) erfüllt ist,

b) wenn am Stichtag 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben sind,

c) wenn innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen sind oder die letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z5 bzw. Z6 sind,

d) wenn der (die) Versicherte am Stichtag (§223 Abs2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist; eine Erwerbstätigkeit, auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach §5 Abs2 litc jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt, bleibt hiebei unberücksichtigt;

als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten auch die im §23 Abs2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge;

e) solange der (die) Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten ab dem Stichtag (§223 Abs2) weder eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem noch nach einem anderen Bundesgesetz begründende selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Außer Betracht bleibt jedoch eine solche Erwerbstätigkeit, die

aa) nicht bei dem Dienstgeber ausgeübt wird - oder bei einem anderen Unternehmen, das sich im wirtschaftlichen Entscheidungsbereich dieses Dienstgebers befindet oder mit diesem in einer konzernartigen Verbindung steht -, bei dem sie während der letzten sechs Monate vor dem Stichtag (§223 Abs2) überwiegend ausgeübt worden ist,

bb) als betriebliche Tätigkeit bzw. selbständige Tätigkeit im Sinne der §§2 und 3 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes ausgeübt wird, sofern sie der (die) Versicherte nicht während der letzten sechs Monate vor dem Stichtag (§223 Abs2) überwiegend ausgeübt hat,

cc) nicht auf der Fortführung des unmittelbar vor dem Stichtag (§223 Abs2) geführten land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (§2 Abs1 Z1 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) beruht bzw. die nicht auf einer Beschäftigung im Sinne des §2 Abs1 Z2 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes beruht, die während der letzten sechs Monate vor dem Stichtag (§223 Abs2) ausgeübt worden ist.

Fallen in den Zeitraum der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag gemäß litc Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z5 bzw. Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z6, so verlängert sich der Zeitraum um diese Zeiten bis zum Höchstausmaß von 42 Kalendermonaten."

1.2.2. ArtV Abs3 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 bestimmt:

"(3) Die §§253 Abs1, 253 b Abs1, 254 Abs1, 271 Abs1, 276 Abs1 und 3, 276 b Abs1 und 279 Abs1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes in der Fassung des ArtI Z6 lita, 7, 8, 12, 14 lita und b, 15 und 16 sind nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag nach dem 31. März 1991 liegt."

Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 ist (mit Ausnahme des ArtIX) mit 1. April 1991 in Kraft getreten (ArtXI Abs1 dieses Gesetzes).

1.2.3. ArtI und IV des Bundesgesetzes über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl. Nr. 627/1991, lauten:

"Artikel I

(Verfassungsbestimmung)

Gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung vorsehen, sind zulässig."

"Artikel IV

(1) (Verfassungsbestimmung) ArtI tritt mit 1. Dezember 1991 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft.

(2) ArtII und III treten mit 1. Dezember 1991 in Kraft."

Mit ArtII dieses Gesetzes wurden die - vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, G223/88 ua., unter Fristsetzung bis zum Ablauf des 30. November 1991 teilweise aufgehobenen - Bestimmungen des §236 Abs1 Z1 lita und b sowie Abs2 Z1 ASVG neu erlassen.

2. In der Begründung seiner Anträge legt der Oberste Gerichtshof zunächst dar, daß er aus Anlaß an ihn gerichteter Revisionen über Berufungsurteile zu erkennen habe, denen jeweils eine Klage auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß §270 iVm §253b ASVG zugrunde liegt; die Untergerichte hätten das Begehren der - beim beklagten Versicherungsträger in der Pensionsversicherung pflichtversicherten - Kläger mit der Begründung abgelehnt, daß sie am Stichtag das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten. Da der Anspruch der Kläger auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß §270 ASVG davon abhänge, ob die in §253b ASVG festgelegten Voraussetzungen erfüllt seien, habe der Oberste Gerichtshof diese Bestimmung bei der Beurteilung der Revisionen anzuwenden.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Wortfolge werden im hg. zu G120/92 protokollierten Antrag wie folgt dargelegt:

"Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 6.12.1990, G223/88 ... im §253b Abs1 ASVG idF BGBl 1987/609 die Wortfolge 'nach Vollendung des 60.Lebensjahres, die Versicherte' als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30.11.1991 in Kraft tritt. Diese Bestimmung lautete in dem hier interessierenden Teil:

'§253b. (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn

a) die Wartezeit (§236) erfüllt ist,

b) am Stichtag 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben sind,

c) innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen sind oder die letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z5 bzw Z6 sind und

d) der (die) Versicherte am Stichtag (§223 Abs2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist; eine Erwerbstätigkeit, auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach §5 Abs2 litc jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt, bleibt hiebei unberücksichtigt. Als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten auch die im §23 Abs2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge ...'

Am 1.4.1991 trat - mit einer hier nicht bedeutsamen Ausnahme - das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 BGBl 157 in Kraft, durch das §253b Abs1 ASVG in dem hier interessierenden Teil folgenden Wortlaut erhielt:

'§253b. (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres,

a) wenn die Wartezeit (§236) erfüllt ist,

b) wenn am Stichtag 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben sind,

c) wenn innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen sind oder die letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate gemäß §227 Abs1 Z5 bzw Z6 sind,

d) wenn der (die) Versicherte am Stichtag (§223 Abs2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist; eine Erwerbstätigkeit, auf Grund derer ein Erwerbseinkommen bezogen wird, das das nach §5 Abs2 litc jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt, bleibt hiebei unberücksichtigt;

als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten auch die im §23 Abs2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge;

e) solange der (die) Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten ab dem Stichtag (§223 Abs2) weder eine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem noch nach einem anderen Bundesgesetz begründende selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Außer Betracht bleibt jedoch eine solche Erwerbstätigkeit, die

aa) nicht bei dem Dienstgeber ausgeübt wird - oder bei einem anderen Unternehmen, das sich im wirtschaftlichen Entscheidungsbereich dieses Dienstgebers befindet oder mit diesem in einer konzernartigen Verbindung steht -, bei dem sie während der letzten sechs Monate vor dem Stichtag (§223 Abs2) überwiegend ausgeübt worden ist,

bb) als betriebliche Tätigkeit bzw selbständige Tätigkeit im Sinne der §§2 und 3 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes ausgeübt wird, sofern sie der (die) Versicherte nicht während der letzten sechs Monate vor dem Stichtag (§223 Abs2) überwiegend ausgeübt hat,

cc) nicht auf der Fortführung des unmittelbar vor dem Stichtag (§223 Abs2) geführten land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (§2 Abs1 Z1 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes) beruht bzw die nicht auf einer Beschäftigung im Sinne des §2 Abs1 Z2 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes beruht, die während der letzten sechs Monate vor dem Stichtag (§223 Abs2) ausgeübt worden ist.

...'.

Neben einigen sprachlichen und gesetzestechnischen Änderungen, die darin bestehen, daß in der litb bis d das Wort 'wenn' wiederholt, in der litc das Wort 'und' weggelassen und die früher in einem eigenen Satz getroffene Regelung über die Bezüge nach dem Bezügegesetz als Halbsatz in die litd aufgenommen wurde, ist als einzige inhaltliche Änderung die lite angefügt worden. Aus der Begründung zum Initiativantrag, auf den das angeführte Gesetz zurückgeht, ergibt sich hiezu, daß durch diese Änderung die notwendigen legistischen Schritte unternommen werden sollten, die infolge der Aufhebung der Ruhensbestimmungen im ASVG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15.12.1990, G33,34/89 ua notwendig wurden (85 BlgNR 18.GP).

Es ist also zwar davon auszugehen, daß im Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 keine Regelung zur Frage beabsichtigt war, ab welchem Lebensjahr der oder die Versicherte Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat. Dies bedeutet aber nicht, daß der Anspruch des Klägers in diesem Punkt zum Teil noch aufgrund der früher geltenden, vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes betroffenen Regelung zu beurteilen ist. Da die Neufassung einer Gesetzesstelle bei Fehlen einer gegenteiligen Anordnung bewirkt, daß die frühere Fassung aus dem Rechtsbestand ausscheidet (VfGHSlg. 6918), verlor die alte Regelung mit dem Inkrafttreten des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 und somit mit Ablauf des 31.3.1991 ihre Wirksamkeit. Daran ändert nichts, daß der Verfassungsgerichtshof für die Wirksamkeit der Aufhebung eine längere Frist gesetzt hat, weil durch die neue Fassung die frühere Fassung zur Gänze materiell derogiert wurde. Der Oberste Gerichtshof hat hier daher auch nur §253b Abs1 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 und nicht in der früheren Fassung anzuwenden. Für die Möglichkeit, daß die neue Fassung wieder auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden kann, sprechen vor allem folgende Überlegungen:

1. Es ist durchaus denkbar, daß gerade durch die neue Fassung verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen die frühere Regelung bestanden, beseitigt wurden; dies erfordert aber die Prüfung einer Bestimmung ausschließlich aufgrund der neuen, im Anlaßfall anzuwendenden Fassung.

2. Durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 wurden in der lite neue Voraussetzungen für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer festgelegt; es geht nicht an, für die übrigen Anspruchsvoraussetzungen eine alte Fassung heranzuziehen, mögen diese auch gleichgeblieben sein.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat - soweit dies überblickt werden kann, stets - auch in Fällen, in denen mehrere Fassungen eines Gesetzes anzuwenden waren, alle Fassungen entweder als verfassungswidrig aufgehoben oder ausgesprochen, daß sie verfassungswidrig waren, ohne dabei darauf Bedacht zu nehmen, ob hiedurch jener Teil der Bestimmung, der für die Verfassungswidrigkeit ausschlaggebend war, geändert wurde. Hinzuweisen ist etwa auf das schon erwähnte Erkenntnis vom 15.12.1990, G33, 34/89 ua, in dem nicht nur §94 ASVG in der damals geltenden Fassung der 49.ASVGNov aufgehoben, sondern auch ausgesprochen wurde, daß diese Bestimmung in den Fassungen von der

31. bis zur 48.ASVGNov verfassungswidrig war. Im §94 ASVG wurde aber etwa durch die 31.ASVGNov BGBl 1974/775 nur im Abs4 der Ausdruck 'Sonderheilanstalt' durch den Ausdruck 'Sonderkrankenanstalt' ersetzt und ferner durch die 33.ASVGNov. BGBl 1978/684 und die

41. ASVGNov 1976/111 nur - wie hier - ein Satz angefügt, der für die grundsätzliche Regelung des Ruhens und daher für deren Verfassungsmäßigkeit ohne Bedeutung war. Wäre der Verfassungsgerichtshof der Meinung gewesen, daß nur jene Fassungen zu prüfen sind, die eine Änderung in dem aus der Sicht der Verfassungsmäßigkeit bedenklichen Teil der Bestimmung brachten, so hätte er andere Fassungen von der Prüfung ausnehmen und den Antrag des Obersten Gerichtshofs zurückweisen müssen, soweit er sich auf diese Fassungen bezog.

Nach Meinung des Obersten Gerichtshofs steht es daher der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §253b Abs1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 mangels Identität der zu prüfenden Norm nicht entgegen, daß der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung schon in der Fassung des BGBl 1987/609 geprüft und die angeführte Wortfolge als verfassungswidrig aufgehoben hat. Ebensowenig ist es für die Antragstellung von Bedeutung, daß in Fällen, in denen der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Inkrafttreten der Aufhebung eine Frist gesetzt hat, das aufgehobene Gesetz gemäß dem nachfolgenden Abs7 auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit der Ausnahme des Anlaßfalls anzuwenden ist. Aus der bisher vorliegenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich nur, daß die aufgehobene Bestimmung unangreifbar geworden ist (zB VfSlg 10616 mwN); dies schließt jedoch die Meinung nicht aus, daß das aufhebende Erkenntnis auf eine neue Fassung derselben Bestimmung unmittelbar keinen Einfluß hat. Dieser Fall ist hier aber gegeben. Das von der Aufhebung des Verfassungsgerichtshofs betroffene Gesetz ist nämlich deshalb nicht anzuwenden, weil es durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 materiell derorgiert wurde. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß der Gesetzgeber durch die Neufassung des §253b Abs1 ASVG offensichtlich nicht beabsichtigte, den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs gegen die aufgehobene Bestimmung Rechnung zu tragen oder sie unbeachtet zu lassen. Diese Ansicht ändert am Außerkrafttreten der früheren Fassung nichts und kann gegebenenfalls die Verfassungswidrigkeit der neuen Fassung nicht beseitigen.

Gegen die im §253b Abs1 ASVG auch in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 enthaltene Wortfolge 'nach Vollendung des 60.Lebensjahres, die Versicherte' bestehen dieselben Bedenken, die dazu geführt haben, daß diese Wortfolge der Fassung des BGBl 1987/609 mit dem schon zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6.12.1990 als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Es verstößt auch die durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 getroffene Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil sie bloß nach dem Geschlecht unterscheidet und Frauen als einheitliche Gruppe Männern gegenüberstellt und damit in Wahrheit nicht jene Besonderheiten berücksichtigt, die zu ihrer Rechtfertigung dienen sollen. Sie kommt vorwiegend jenen Frauen zugute, deren Rollenbild sich von jenem der Männer nicht unterscheidet, während jene Frauen, die durch Haushaltsfürsorge und Obsorge für Angehörige besonders belastet sind, von ihr in wesentlich geringerem Maß Gebrauch machen können. Das unterschiedliche Maß der Belastung von Frauen und die tatsächliche körperliche Beanspruchung findet darin keinen Niederschlag. Auf all dies ist die durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 neu eingefügte Regelung der lite ohne jeden Einfluß, weshalb die verfassungsrechtlichen Bedenken hiedurch nicht behoben werden.

Ohne Einfluß auf die Verfassungsmäßigkeit des §253b Abs1 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 ist für den 1.5.1991, der bei einem Erfolg des Antrags des Obersten Gerichtshofs gemäß §223 Abs2 ASVG Stichtag wäre, das Bundesgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten BGBl 1991/627. Nach dessen im Rang einer Verfassungsbestimmung stehenden ArtI sind zwar gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung vorsehen, zulässig. Diese Bestimmung trat aber gemäß dem ArtIV des Gesetzes erst am 1.12.1991 in Kraft. Da die Rückwirkung nicht angeordnet ist und nach der Begründung des dem Gesetz zugrundeliegenden Initiativantrags im übrigen auch nicht beabsichtigt war (vgl die Worte 'für den erwähnten Zeitraum' in 251 BlgNR 18.GP 2), kann das Gesetz die Verfassungsmäßigkeit einer Bestimmung für einen vor seinem Inkrafttreten liegenden Zeitraum nicht bewirken. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er ausdrücklich die Rückwirkung anordnen müssen. Auch wenn §253b Abs1 ASVG ebenso wie Teile des § 236 ASVG in den ArtII aufgenommen worden wäre, hätte die Bestimmung erst ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes als verfassungsgemäß angesehen werden können. Auch in diesem Fall hätten also noch verfassungsrechtliche Bedenken für den vorangehenden Zeitraum bestanden. Nach der Begründung zu dem dem Gesetz zugrundeliegenden Initiativantrag war die Aufnahme nicht notwendig, weil die im §253b Abs1 ASVG getroffene Regelung im Zuge des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 neu beschlossen wurde und seit 1.4.1991 geltendes Recht ist (BlgNR aaO 3). Aus dieser Begründung läßt sich also ableiten, daß die Abgeordneten, die den Initiativantrag eingebracht haben, und in der Folge der Gesetzgeber offensichtlich ebenfalls davon ausgingen, daß §253b Abs1 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 eine von der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nicht betroffene Bestimmung ist, die daher nicht wiederholt werden muß.

Die dargestellten Bedenken werden nicht dadurch beseitigt, daß der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis ausgeführt hat, dem Gesetzgeber sei wegen des Schutzes des Vertrauens eine sofortige schematische Gleichsetzung des gesetzlichen Pensionsalters für Männer und Frauen verwehrt. Er hat nämlich zugleich betont, daß der Gesetzgeber auch für jene Personen, die dem Pensionsalter nahe sind, im Sinne des Vertrauensschutzes auf der Grundlage des geltenden Verfassungsrechtes die bisherigen Unterschiede im Pensionsalter nur aufrechterhalten dürfe, 'wenn - und nur wenn' er gleichzeitig Regelungen schaffe, die einen allmählichen Abbau der bloß geschlechtsspezifischen Unterscheidung bewirken. Dies ist aber nicht geschehen. Daß der Gesetzgeber nicht in der Lage war, diese Regelungen in der bis zum Sozialrechtsänderungsgesetz zur Verfügung stehenden Zeit zu treffen, kann auf die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes keinen Einfluß haben. Es wäre ihm im übrigen freigestanden, die Rückwirkung der Verfassungsbestimmung im Bundesgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten anzuordnen.

Zusammenfassend ist der Oberste Gerichtshof der Auffassung, daß gegen den von ihm anzuwendenden §253b Abs1 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken bestehen, und daß das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6.12.1990, G223/88 ua, mit dem die frühere Fassung dieser Bestimmung teilweise aufgehoben wurde, der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der nunmehr geltenden Bestimmung nicht entgegensteht. Dies verpflichtet ihn gemäß Art89 Abs2 B-VG, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung der verfassungsrechtlich bedenklichen Wortfolge dieser Bestimmung zu stellen, zumal im Schrifttum (vgl Marhold in der Tageszeitung 'Die Presse' vom 17.4.1991) ähnliche Bedenken geäußert wurden."

(Der hg. zu G143/92 protokollierte Antrag stimmt hinsichtlich der vorgetragenen Bedenken mit dem soeben wiedergegebenen Antrag mit der Maßgabe überein, daß in der diesem Antrag zugrundeliegenden Rechtssache der Stichtag der 1. Juli 1991 ist.)

3. Die Bundesregierung begehrt, die Anträge des Obersten Gerichtshofes zurückzuweisen "bzw. in eventu auszusprechen, daß die Regelung in der Zeit vom 1. April 1991 bis zum 1. Dezember 1992 (offensichtlich gemeint: 1991) verfassungswidrig war".

Hiezu wird ausgeführt:

"1. Wie der Oberste Gerichshof zutreffend ausführt, werden durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 die notwendigen legistischen Schritte unternommen, die infolge der Aufhebung der Ruhensbestimmungen im ASVG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1990, G33, 34/89, notwendig wurden. Dabei ist mit dem Obersten Gerichtshof davon auszugehen, daß im Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 keine Regelung zur Frage beabsichtigt war, ab welchem Lebensjahr der oder die Versicherte Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat.

2. Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 hat der Gesetzgeber demnach auf die erwähnte Aufhebung der Ruhensbestimmungen des §94 ASVG durch den Verfassungsgerichtshof in der Form reagiert, daß nunmehr zwar keine Ruhensbestimmungen vorgesehen werden, daß aber der Anfall der Pensionen unter anderem an die Bedingung angeknüpft wird, daß der Versicherte am Stichtag in der Pensionsversicherung nicht pflichtversichert ist und daß er darüber hinaus innerhalb von sechs Monaten keine Beschäftigung bei demselben Dienstgeber wieder aufnimmt. Diese Regelung - als Ersatz für die aufgehobenen Ruhensbestimmungen - konnte aber aus Gründen der Gesetzessystematik nicht in §94 ASVG, sondern nur u.a. in dem - den Pensionsanfall regelnden - §253b Abs1 ASVG normiert werden. Insofern handelt es sich bei dieser Regelung daher ausschließlich um eine rechtstechnische Folge der Neukonzeption des Pensionsanfalles nach dem ASVG. Dies ist auch daraus ersichtlich, daß die drei anderen Bestimmungen des ASVG, die der Verfassungsgerichthof in seinem 'Pensionsalter-Erkenntnis' wegen des darin vorgesehenen unterschiedlichen Lebensalters aufgehoben hat, vom Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 nicht berührt werden.

Die Neufassung des §253b Abs1 ASVG durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 zielte daher nicht auf eine Änderung der Bestimmungen über das Pensionsanfallsalter ab. Dies ist deutlich daran erkennbar, daß die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, G223/88, u.a., aufgehobene Wortfolge ('nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte') ebenso wortgleich übernommen wurde, wie andere wesentliche Teile dieser Regelung.

Es stellt sich daher die Frage, ob nicht im Hinblick auf diese besonderen Umstände - ungeachtet der vom Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen VfSlg. 6281a/1970, 6282/1970 und 10091/1984 vertretene Auffassung, die von der Bundesregierung im Prinzip geteilt wird - §253b in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 identisch ist mit der durch das Erkenntnis aufgehobenen Bestimmung.

3. Ausgehend davon ließe sich aber folgende Auffassung vertreten:

Nach der ständigen, mit dem Erkenntnis VfSlg. 5872/1968 beginnenden, Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kann dem Art140 B-VG nur der Sinn beigemessen werden, daß über bestimmt beschriebene Bedenken gegen die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes lediglich ein einziges Mal entschieden werden kann. Eine Entscheidung über dieselben Bedenken (§62 Abs1 VerfGG 1953) gegen ein Gesetz schafft also nicht nur gegenüber dem Antragsteller, sondern nach allen Seiten hin Rechtskraft. 'Es ist nämlich die Annahme unvorstellbar, der Verfassungsgerichtshof hätte es als zulässig angesehen, daß ein Antrag gemäß Art140 B-VG (...), über den der Verfassungsgerichtshof schon einmal entschieden hat, von einem anderen Antragsteller mit gleicher Begründung wiederholt werden dürfte.' (vgl. auch die Erkenntnisse VfSlg. 6391/1971 und 9178/1981).

Im vorliegenden Fall soll aber - wenn man die zuvor diesbezüglich entwickelte Auffassung teilen wollte - dieselbe Wortfolge, über die der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, G223/88, u.a., entschieden hat, zum Gegenstand eines neuen Verfahrens gemacht werden. Zudem soll diese Regelung auch im Hinblick auf dieselben Bedenken geprüft werden, die bereits zur Aufhebung dieser Vorschrift geführt haben.

Im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Art140 Abs7 B-VG, ist eine aufgehobene Bestimmung auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden und wird damit diese Bestimmung auch 'unangreifbar' (vgl. die Erkenntnisse VfSlg. 4718/1964, 5310/1966, 6078/1969 und insbesondere 7719/1975). Im Hinblick auf die oben entwickelte Auffassung von der hier vorliegenden Normidentität würde diese Unangreifbarkeit auch auf die geltende (neue) Fassung des §253b Abs1 ASVG ausstrahlen. Die Neufassung wurde nämlich ausschließlich im Hinblick auf eine (verfassungsrechtlich notwendige) Neukonzeption des Pensionsanfalls vorgenommen, wobei dem 'Gebot der dem Rechtsstaatsprinzip der Bundesverfassung innewohnenden Postulate der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit' (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1989, G88/89) entsprechend der legistisch vorteilhaftere Weg der Neuerlassung einer vollständigen Gliederungseinheit (vgl. Richtlinie 122 der Legistischen Richtlinien 1990) gewählt wurde.

Eine gleichzeitige Sanierung der Regelungen über das Pensionsanfallsalter im Sinne des Erkenntnisses vom 6. Dezember 1991, G223/88, u.a., war wegen der Komplexität der Materie vor dem 1. April 1991 nicht möglich, sie mußte sogar über den 1. Dezember 1991 hinausgeschoben werden. Diese besonderen Umstände haben den Gesetzgeber zu der von ihm gewählten Vorgangsweise gezwungen.

Es wird also zu bedenken gegeben, daß es dem Art140 Abs7 B-VG auch insoferne zuwiderlaufen könnte, würde im vorliegenden Fall der mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 1991 neu gefaßte §253b Abs1 B-VG (gemeint wohl: ASVG) aufgehoben: Bei näherer Betrachtung könnte nämlich der Antrag des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung einer bereits durch ein früheres Erkenntnis aufgehobenen Wortfolge in §253b Abs1 ASVG in Wirklichkeit darauf hinauslaufen, entgegen Art140 Abs7 B-VG die Anlaßfallwirkung in einer vom Verfassungsgesetzgeber nicht erwünschten Weise auf neue Fälle auszudehnen.

In diesem Zusammenhang dürfte es auch unerheblich sein, daß - worauf der Oberste Gerichtshof hinweist - der Verfassungsgerichtshof in den Fällen, in denen mehrere Fassungen eines Gesetzes anzuwenden waren, alle Fassungen entweder als verfassungswidrig aufgehoben oder ausgesprochen hat, daß sie verfassungswidrig waren, ohne dabei darauf Bedacht zu nehmen, ob hiedurch jener Teil der Bestimmung, der für die Verfassungswidrigkeit ausschlaggebend war, geändert wurde. Die vom Obersten Gerichtshof zitierten Beispiele betreffen nämlich nur Fälle, in denen mehrere Fassungen einer bestimmten gesetzlichen Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig waren, ohne daß auch nur eine dieser Fassungen 'unangreifbar' im Sinne des Art140 Abs7 B-VG gewesen wäre.

Der Vollständigkeit halber weist die Bundesregierung noch darauf hin, daß es - im Gegensatz zu dem dem Erkenntnis VfSlg. 10091/1984 zugrundeliegenden Fall eines Landesgesetzes - dem Bundesgesetzgeber mit der angefochtenen Regelung keinesfalls darum ging, allfällige Gesetzesprüfungsverfahren zu vereiteln.

Abschließend ist noch zu bemerken, daß eine Aufhebung der vom Obersten Gerichtshof angefochtenen Regelungen nicht in Frage kommt, weil sie seit dem 1. Dezember 1991 verfassungsrechtlich abgesichert sind. Es dürfte daher jedenfalls nur ein Ausspruch in Frage kommen, daß die zitierte Regelung im fraglichen Zeitraum verfassungswidrig war."

4. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Zur Zulässigkeit der Prüfungsanträge:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem schon mehrfach zitierten Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, G223/88 ua., die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 ASVG in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung BGBl. Nr. 609/1987 als verfassungswidrig aufgehoben und gemäß Art140 Abs5 B-VG (idF vor BGBl. Nr. 276/1992) ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 30. November 1991 in Kraft trete.

Durch ArtI Z7 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 wurde §253b Abs1 ASVG neu gefaßt. Dem ArtXI Abs1 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 zufolge ist ArtI Z7 mit 1. April 1991 in Kraft getreten.

Seit diesem Zeitpunkt galt sohin - ungeachtet des Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis G223/88 ua., daß die Aufhebung der Wortfolge des §253b Abs1 ASVG idF BGBl. Nr. 609/1987 erst mit Ablauf des 30. November 1991 in Kraft tritt - §253b Abs1 ASVG in jener Fassung, die ihm durch ArtI Z7 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 gegeben worden war.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß Anlaß für die Novellierung des §253b Abs1 ASVG das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1990, G33,34/89 ua., war, mit dem die Ruhensbestimmungen des §94 ASVG als verfassungswidrig aufgehoben wurden (vgl. 85 BlgNR XVIII.GP) und der Gesetzgeber bei der Neukonzeption den ihm legistisch vorteilhafter erscheinenden Weg der Neuerlassung einer vollständigen Regelung gehen wollte.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch durch die von der Bundesregierung ins Treffen geführten besonderen Umstände nicht veranlaßt, von seiner in VfSlg. 6281a/1970, 6282/1970 und 10091/1984 vertretenen Auffassung, daß eine Identität der Gesetzesvorschriften selbst dann nicht anzunehmen ist, wenn eine wörtlich gleichlautende Gesetzesbestimmung an die Stelle einer älteren tritt, abzugehen.

Da die vom Obersten Gerichtshof angefochtene Regelung daher noch nicht Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 B-VG war, stehen einer Entscheidung über die vom Obersten Gerichtshof gestellten Anträge weder die Wirkungen, die nach Art140 Abs7 B-VG von einem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ausgehen, noch das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen (vgl. auch VfSlg. 8923/1980).

Die Anträge des Obersten Gerichtshofes sind - da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - somit zulässig.

4.2. Der Oberste Gerichtshof begründet seine Anträge damit, daß die angefochtene Bestimmung des §253b Abs1 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 mit jener Bestimmung des §253b Abs1 ASVG idF BGBl. Nr. 609/1987, die der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, G223/88 ua., wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben hat, übereinstimmt.

Tatsächlich entsprechen die seinerzeit vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene und die nunmehr angefochtene Gesetzesbestimmung hinsichtlich des Pensionsanfallsalters einander.

Die Verfassungswidrigkeit deretwegen seinerzeit die das unterschiedliche Pensionsalter betreffende Wortfolge des §253b ASVG idF BGBl. Nr. 609/1987 aufgehoben wurde, belastet sohin auch die inhaltlich gleiche Vorschrift des §253b ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991.

Daran vermag nichts zu ändern, daß der Gerichtshof im Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, G223/88 ua., unter Hinweis auf die Ausführungen im Erkenntnis VfSlg. 8871/1980 (Witwerpension), die in gleicher Weise auch für den Abbau von Unterschieden im Pensionsalter gelten, ausführte:

"Der Gesetzgeber ist jedoch durch den Gleichheitsgrundsatz keineswegs gehalten, sogleich und schematisch für Männer und Frauen das gleiche Pensionsalter festzusetzen. Eine sofortige schematische Gleichsetzung des gesetzlichen Pensionsalters für Männer und Frauen wäre dem Gesetzgeber sogar verwehrt, weil er damit den Schutz des Vertrauens in eine im wesentlichen über Jahrzehnte geltende gesetzliche Differenzierung verletzen würde. Dem Vertrauensschutz kommt aber gerade im Pensionsrecht besondere Bedeutung zu.

Der Gesetzgeber muß bei der Schaffung einer alle verfassungsrechtlichen Aspekte berücksichtigenden einfachgesetzlichen Rechtslage den Abbau der Unsachlichkeit der bisherigen Regelung einerseits und den Vertauensschutz andererseits gegeneinander abwägen. Diese Abwägung fällt in seinen rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum. Er kann für jene Personen, die dem Pensionsalter nahe sind, im Sinne des Vertrauensschutzes auf der Grundlage des geltenden Verfassungsrechtes die bisherigen Unterschiede im Pensionsalter aufrecht erhalten, wenn - und nur wenn - er gleichzeitig Regelungen schafft, die einen allmählichen Abbau der bloß geschlechtsspezifischen Unterscheidung bewirken."

Der Oberste Gerichtshof weist in seinen Anträgen zu Recht darauf hin, daß solche Regelungen für den Zeitraum vom 1. April bis 30. November 1991 nicht erlassen worden sind.

Da die hier angefochtene Bestimmung des §253b Abs1 ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 ebenso wie jene Regelung, die aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1990, G223/88 ua., der Aufhebung verfallen war, bloß allgemein nach dem Geschlecht unterscheidet und Frauen als eine einheitliche Gruppe Männern gegenüberstellt, treffen die vom Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis angestellten Überlegungen - da Kriterien, die eine andere Beurteilung zuließen, nicht erkennbar sind - in gleicher Weise auch für die im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren angefochtene Regelung des §253b Abs1 ASVG zu.

Da gemäß dem im Verfassungsrang stehenden ArtIV Abs1 des Bundesgesetzes über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl. Nr. 627/1991, die Verfassungsbestimmung des ArtI dieses Gesetzes, die bestimmt, daß gesetzliche Regelungen, die unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Versicherten der gesetzlichen Sozialversicherung vorsehen, zulässig sind, mit 1. Dezember 1991 in Kraft getreten ist, findet die hier angefochtene Regelung des §253b Abs1 ASVG daher ab diesem Zeitpunkt (bis zum 31. Dezember 1992, das ist der Tag, an dem ArtI des BG BGBl. Nr. 627/1991 gemäß ArtIV Abs1 leg.cit. wieder außer Kraft tritt) ihre Deckung in dieser Bestimmung. Im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren kommt es entscheidend auf die für die Anlaßfälle maßgebliche Rechtslage vor Inkrafttreten des ArtI des BG BGBl. Nr. 627/1991 an (da der gemäß §223 Abs2 ASVG maßgebliche Stichtag in beiden Anlaßfällen nach dem 31. März 1991 und vor dem 1. Dezember 1991 liegt). Der Umstand, daß die Ungleichbehandlung ab 1. Dezember 1991 verfassungsrechtlich gedeckt ist, kann eine vorher bestandene Verfassungswidrigkeit nicht rückwirkend beseitigen, sondern nur eine Aufhebung der angefochtenen Norm durch den Verfassungsgerichtshof verhindern und bewirken, daß sich dieser mit der Feststellung begnügen muß, daß die angefochtene Wortfolge bis zum Inkrafttreten der Verfassungsbestimmung des ArtI des BG BGBl. Nr. 627/1991 verfassungswidrig war.

Es war daher auszusprechen, daß die Wortfolge "nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte" im §253b Abs1 ASVG idF des ArtI Z7 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 wegen Verstoßes gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot bis zum Ablauf des 30. November 1991 verfassungswidrig war.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung erfließt aus Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG.

Eine Fristsetzung für das Außerkrafttreten der Aufhebung kommt bei einem Ausspruch gemäß Art140 Abs4 B-VG nicht in Betracht (vgl. VfSlg. 9814/1983); ohne gleichzeitigen Ausspruch, daß die Gesetzesstelle auch auf die vor der Feststellung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist (Art140 Abs7 B-VG), wirkt sich eine solche Feststellung allerdings nur auf die Anlaßfälle aus (VfSlg. 8726/1980, 10834/1986).

Eine Einbeziehung der beim Verfassungsgerichtshof zu G260/92 und G261/92 protokollierten Anträge des Obersten Gerichtshofes war nicht mehr möglich; der Verfassungsgerichtshof hat jedoch beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch für die den Anträgen zugrundeliegenden, beim Obersten Gerichtshof zu Zlen. 10 Ob S 263/92 und 10 Ob S 278/92 anhängigen Rechtssachen herbeizuführen. Damit erübrigt sich eine weitere Erledigung dieser Gesetzesprüfungsanträge des Obersten Gerichtshofes.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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