Normen
B-VG Art137 / Zinsen
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
KDV 1967 §66 Abs2
KFG 1967 §129 Abs1
ZPO §506 Abs1 Z2
ZPO §273 Abs2
B-VG Art137 / Zinsen
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
KDV 1967 §66 Abs2
KFG 1967 §129 Abs1
ZPO §506 Abs1 Z2
ZPO §273 Abs2
Spruch:
Das Land Kärnten ist schuldig, dem Kläger den Betrag von S 48.208,-- samt 4 % Zinsen ab 18. Februar 1988 zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger jeweils Zinsen aus S 15.564,-- ab 1. Jänner 1971 und aus 32.644,-- ab 1. Jänner 1972, jeweils bis 17. Februar 1988, zu bezahlen, wird abgewiesen.
Das Land Kärnten ist schuldig, dem Kläger die mit S 5.386,20 bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Kläger ist Beamter des Landes Kärnten. Er befindet sich seit 1. Oktober 1987 im dauernden Ruhestand. Zuvor war er als vom Landeshauptmann für Kärnten bestellter technischer Sachverständiger nach den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. 267 (im folgenden: KFG 1967), tätig und erstattete für die zuständige Behörde Gutachten.
Mit der auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrt der Kläger, das Land Kärnten zu verhalten, ihm an Vergütung für die Erstattung von Gutachten in den Jahren 1970 und 1971 den Betrag von S 48.208,-- samt 4 % Zinsen aus S 15.564,-- ab 1. 1. 1971 und aus S 32.644,-- ab 1. 1. 1972 zu bezahlen und die Kosten dieses Verfahrens zu ersetzen.
Dieser Anspruch wird im wesentlichen damit begründet, die beklagte Partei habe dem Kläger für seine Gutachtertätigkeit für das Jahr 1970 überhaupt keine und für das Jahr 1971 nur eine teilweise Vergütung - nämlich bloß in der Höhe von S 12.000,-- - bezahlt.
2. Die beklagte Partei hat in einer Gegenschrift den geltend gemachten Anspruch dem Grunde und der Höhe nach bestritten und die kostenpflichtige Abweisung der Klage begehrt. Zum Grund des Klagsanspruches hat sie zum einen vorgebracht, daß dieser durch Verschweigung erloschen sei, weil der Kläger die ihm seiner Ansicht nach zustehenden Beträge nie eingefordert und erst nach Ablauf von nahezu 20 Jahren mit Klage geltend gemacht habe; zum anderen hat sie auf ihre Ausführungen in einem Schriftsatz verwiesen, den sie in einem anderen Verfahren, nämlich über die zu A3/88 protokollierte Klage eines anderen Beamten, vorgelegt hat.
Beide Parteien haben - teilweise über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes - weitere Äußerungen erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 6221/1970, 6475/1971, 6939/1972, 7422/1974, 7672/1975, 8043/1977, 8243/1978) - Klage erwogen (vgl. zum Folgenden das einen teilweise gleichgelagerten Fall betreffende Erkenntnis vom 27. 11. 1989, A3/88):
1. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch wird dem Grunde nach auf §129 Abs1 erster Satz lita KFG 1967 gestützt. Es handelt sich somit um einen (vermögensrechtlichen) Anspruch, der seine Grundlage im öffentlichen Recht hat.
Der Einwand der beklagten Partei, daß der Anspruch des Klägers durch Verschweigung untergegangen sei, ist nicht begründet. Es gibt keine Norm, nach der ein öffentlich-rechtlicher Anspruch der hier in Rede stehenden Art durch "Verschweigung" erlischt (vgl. dazu etwa hinsichtlich der Besoldungsansprüche öffentlich-rechtlicher Bediensteter das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 6048/1969, S 671).
2. Soweit die beklagte Partei zur Bestreitung des Klagsanspruches auf einen in einem anderen Verfahren vorgelegten Schriftsatz verweist, ist festzuhalten, daß Verweisungen auf den Inhalt eines in einem anderen - nicht verbundenen - Verfahren eingebrachten Schriftsatzes nicht als eine gesetzmäßige Darlegung der Gründe des Begehrens angesehen werden können; sie sind unbeachtlich (vgl. §506 Abs1 Z2 ZPO iVm §35 VerfGG und die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 8241/1978 zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes; siehe ferner §28 Abs1 Z5 VwGG und das dazu ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes v. 6. 9. 1977, Zl. 1273/77; vgl. auch VfSlg. 8602/1979).
3.a) Der Höhe nach stützt der Kläger - ohne dies freilich im einzelnen anzugeben - den geltend gemachten Anspruch auf §129 Abs1 KFG 1967 und auf §66 Abs2 erster Satz der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967 - KDV 1967, BGBl. 399 (in der Stammfassung). Er begehrt für seine Gutachtertätigkeit im Jahr 1970 S 15.564,-- und im Jahr 1971 S 32.644,-- (d.s. S 44.644,-- abzüglich eines nach dem Vorbringen des Klägers von der beklagten Partei bezahlten Betrages von S 12.000,--), zusammen mithin einen Betrag von S 48.208,--.
b) Gemäß §129 Abs4 KFG 1967 sind durch Verordnung unter Berücksichtigung der Art der Typen, Fahrzeuge, Teile oder Ausrüstungsgegenstände, der Art der für die Begutachtung erforderlichen Prüfungen und Untersuchungen und der Angemessenheit im Hinblick auf die Leistungen und die jeweils bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse die näheren Bestimmungen über das Ausmaß der in den Abs1 und 3 angeführten Vergütungen festzusetzen. Die Höhe der einzelnen Vergütungsbeträge ergibt sich aus §66 Abs1 KDV 1967. §66 Abs2 zweiter Satz KDV 1967 (in der Stammfassung) hatte ua. bestimmt, daß der Gesamtbetrag für alle gemäß Abs1 abgegebenen Gutachten in einem Kalenderjahr "für dem Personalstand einer Gebietskörperschaft angehörende, sich nicht bereits im Ruhestand befindende Sachverständige oder Ärzte 12.000 S" nicht überschreiten durfte. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis VfSlg. 6221/1970 diese in §66 Abs2 KDV 1967 enthalten gewesenen Worte als gesetzwidrig aufgehoben. Die durch den zuständigen Bundesminister erfolgte Kundmachung der Aufhebung ist im 61. Stück des Bundesgesetzblattes aus 1970 (ausgegeben am 13. August 1970) unter Nr. 257 verlautbart worden. Die Aufhebung ist an diesem Tag in Kraft getreten (siehe etwa VfSlg. 6475/1971, 6939/1972, 6940/1972).
Die Aufhebung hatte nach der damaligen Verfassungsrechtslage zur Folge, daß die Gerichte - darunter auch der Verfassungsgerichtshof - die aufgehobene Verordnungsbestimmung auch auf die schon vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden hatten. Seit der Neufassung des Art139 B-VG durch das (mit 1. Juli 1976 in Kraft getretene) BVG BGBl. 302/1975 tritt eine solche Rechtsfolge nach Art139 Abs6 zweiter Satz B-VG zwar nur mehr dann ein, wenn der Verfassungsgerichtshof dies in seinem aufhebenden Erkenntnis ausspricht, doch wirkt diese Änderung der Verfassungsrechtslage nicht auf die vor ihrem Inkrafttreten erfolgten Aufhebungen zurück (so der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 8243/1978). Auch im vorliegenden Fall hat der Verfassungsgerichtshof daher den aufgehobenen Teil des §66 Abs2 KDV 1967 für Ansprüche aus den Jahren 1970 und 1971 nicht mehr zu beachten.
c) Die Kraftfahrgesetz-Novelle 1971, BGBl. 285, durch die dem §129 Abs1 KFG 1967 eine Bestimmung angefügt wurde, wonach der Gesamtbetrag der Vergütungen für alle abgegebenen Gutachten in einem Kalenderjahr für dem Personalstand einer Gebietskörperschaft angehörende, sich nicht im Ruhestand befindende Sachverständige oder Ärzte S 12.000,-- nicht überschreiten darf, ist gemäß ihrem Art. III Abs1 mit 1. Jänner 1972 in Kraft getreten und somit auf den hier zu entscheidenden Fall noch nicht anzuwenden. Es ist mithin davon auszugehen, daß die für die Gutachtertätigkeit in den Jahren 1970 und 1971 begehrte Vergütung keiner Begrenzung nach oben hin unterliegt.
4.a) Die Höhe der begehrten Vergütung ergibt sich aus der Vervielfachung der Anzahl der vom Kläger erstellten Gutachten mit den in §66 Abs1 KDV 1967 jeweils festgelegten Sätzen. Zum Beweis für die Anzahl dieser Gutachten beruft sich der Kläger auf die beim Amt der Kärntner Landesregierung aufliegenden, von der beklagten Partei vorgelegten Protokollbücher, aus denen ua. der Name des Sachverständigen sowie Art und Type des begutachteten Fahrzeuges ersichtlich sind.
Die beklagte Partei hält dem entgegen, daß der von ihr durchgeführte Vergleich der vom Kläger angegebenen Anzahl der von ihm durchgeführten Begutachtungen mit den Angaben in den Protokollbüchern zwar "größenordnungsmäßig in etwa ähnliche Ergebnisse erbracht" habe, daß jedoch nicht in allen Fällen verifizierbar sei, ob der Kläger oder ein anderer Sachverständiger die betreffenden Gutachten erstellt habe. Die beklagte Partei bestreitet, dem Kläger für das Jahr 1970 keine Vergütung und für das Jahr 1971 nur einen Betrag von S 12.000,-- bezahlt zu haben; daß die Zahlung erfolgt sei, läßt sich nach ihrem Vorbringen daraus ableiten, daß der Kläger vor seinem Übertritt in den dauernden Ruhestand nie Gegenteiliges behauptet und niemals ausständige Zahlungen urgiert habe. Das Vorbringen des Klägers, er habe mit der Geltendmachung seiner Ansprüche bis zum Übertritt in den dauernden Ruhestand zugewartet, weil er von einer früheren Geltendmachung "negative Auswirkungen auf sein Dienstverhältnis" befürchtet habe, erachtet die beklagte Partei als nicht stichhältig. Nach ihrem Vorbringen sind über die von ihr behaupteten Zahlungen an den Kläger keine Nachweise mehr vorhanden, weil die Unterlagen entsprechend den Skartierungsrichtlinien bereits vernichtet worden seien.
Im Hinblick auf das Vorbringen der beklagten Partei, daß sie an Hand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen (d.s. die Protokollbücher) "größenordnungsmäßig in etwa ähnliche Ergebnisse" ermittelt habe, kann es als unbestritten angesehen werden, daß der Kläger im wesentlichen jene Anzahl von Gutachten erstellt hat, die er seiner Berechnung der Klagsforderung zugrundegelegt hat. Daß die beklagte Partei die dem Nachweis der Bezahlung der dem Kläger zustehenden - strittigen - Vergütungen dienenden Unterlagen nach ihrem Vorbringen - wenngleich im Einklang mit den bestehenden Skartierungsrichtlinien - bereits vernichtet hat, vermag unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht zum Nachteil des Klägers auszuschlagen.
Somit ist unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles davon auszugehen, daß der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht.
b) Die Höhe der Klagsforderung ist nach dem Vorbringen der beklagten Partei in ihrer Stellungnahme vom 31. Juli 1989 nur insofern bestritten, als in einigen Fällen an Hand der Eintragungen in den Protokollbüchern nicht festgestellt werden konnte, ob der Kläger oder ein anderer Sachverständiger die Begutachtung durchgeführt habe und daß fallweise der Name des Prüfungsorganes in den Protokollbüchern nicht mehr lesbar sei.
Da somit die Höhe der strittig gebliebenen Ansprüche einerseits im Verhältnis zum Gesamtbetrag offenkundig gering ist - die beklagte Partei gelangte ihrem Vorbringen zufolge bei der Ermittlung der vom Kläger durchgeführten Begutachtungen zu einem "größenordnungsmäßig in etwa ähnlichen" Ergebnis wie der Kläger und die von ihr konstatierte Unmöglichkeit der Feststellung, ob ein Gutachten vom Kläger oder von einem anderen Sachverständigen stammt, betrifft nur eine relativ kleine Anzahl von Fällen (arg. "in einigen Fällen" und "fallweise") - und andererseits die genaue Ermittlung des Ausmaßes der noch strittigen Ansprüche nach dem Vorbringen der beklagten Partei unmöglich ist, liegt eine Prozeßlage vor, die nach §273 Abs2 ZPO (iVm §35 VerfGG) zu beurteilen ist. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher veranlaßt, iS dieser Bestimmung die ziffernmäßige Höhe des Anspruches nach seiner freien Überzeugung festzusetzen. Dabei erscheint es gerechtfertigt, der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Annahme über die Anzahl der vom Kläger durchgeführten Begutachtungen zu folgen, zumal die Führung der Protokollbücher in den Verantwortungsbereich des Landeshauptmannes als der die Gutachten einholenden Behörde (§31 Abs2 dritter Satz KFG 1967) fällt und es unbillig wäre, ließe man allfällige Mängel bei der Führung dieser Bücher zu Lasten des Klägers ausschlagen.
Da somit der vom Kläger geltend gemachte Anspruch zu Recht besteht, war dem Klagebegehren hinsichtlich der Hauptforderung zur Gänze stattzugeben.
5. Wenn das Gesetz - wie hier - nichts Gegenteiliges bestimmt, sind auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (siehe VfSlg. 5079/1965, 10.498/1985, 10.889/1986, 11.064/1986). Der Kläger hat von der beklagten Partei die Bezahlung der ihm zustehenden Vergütung erst mit dem von ihm in Ablichtung vorgelegten Schreiben vom 3. Februar 1988, und zwar unter Setzung einer Frist bis 17. Februar 1988 begehrt. Bis zu diesem Zeitpunkt war die beklagte Partei mangels einer außergerichtlichen Mahnung nicht in Verzug (vgl. VfGH 14. 3. 1988 A25/87). Zinsen waren daher nicht iS des Begehrens des Klägers ab 1. 1. 1971 bzw. ab 1. 1. 1972, sondern erst ab 18. Februar 1988 zuzusprechen.
6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §43 ZPO (iVm §35 VerfGG). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer im Betrag von S 857,70 enthalten.
7. Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, wurde von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 erster Satz VerfGG).
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