Normen
B-VG Art18 Abs1
Stmk LandesbeamtenG 1974 §106 Abs4 idF LGBl 33/1984
B-VG Art18 Abs1
Stmk LandesbeamtenG 1974 §106 Abs4 idF LGBl 33/1984
Spruch:
§106 Abs4 der gemäß §2 Abs1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz in Geltung stehenden Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, i.d.F. der Ziffer 5.1.6. der Steiermärkischen Landesbeamtengesetz-Nov 1984, LGBl. Nr. 33, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 29. Februar 1988 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Steiermark ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VwGH ist ein Verfahren über die Beschwerde des
Dr. R G in Graz, der als Amtsarzt in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark steht und bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz Dienst versieht, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 2. Mai 1985 anhängig, mit dem der von der Disziplinarkommission erster Instanz erlassene Bescheid vom 1. Februar 1985 bestätigt wurde, der die Suspendierung des Bf. vom Dienst und für deren Dauer die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Haushaltszulage auf zwei Drittel ausgesprochen hatte. Der Bf. erachtet sich durch den beim VwGH angefochtenen Bescheid durch die Suspendierung und die Bezugskürzung in seinen Rechten verletzt. Der VwGH ist der Ansicht, bei der Erledigung der Beschwerde §106 Abs4 der gemäß §2 Abs1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz in Geltung stehenden Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, i.d.F. der Ziffer 5.1.6. der Steiermärkischen Landesbeamtengesetz-Nov 1984, LGBl. Nr. 33 (im folgenden: Stmk. LBG), anwenden zu müssen.
2. §106 der gemäß §2 Abs1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz in Geltung stehenden Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, i.d.F. der Ziffer 5.1.6. der Steiermärkischen Landesbeamtengesetz-Nov 1984, LGBl. Nr. 33 hat folgenden Wortlaut:
"(1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.
(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.
(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.
(4) Durch Beschluß der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) kann für die Dauer der Suspendierung die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Haushaltszulage - bis auf zwei Drittel verfügt werden.
(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission), bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.
(6) Die Berufung gegen eine Suspendierung beziehungsweise eine Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung; über die Berufung hat die Disziplinaroberkommission ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
(7) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten aufgehoben oder vermindert, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam."
3. Der VwGH beantragt beim VfGH mit Beschluß vom 10. September 1986, §106 Abs4 Stmk. LBG als verfassungswidrig aufzuheben, wobei er den Beschluß wie folgt begründet:
"Gemäß §106 Abs4 Stmk. LandesbeamtenG kann durch Beschluß der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) für die Dauer der Suspendierung die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Haushaltszulage - bis auf zwei Drittel verfügt werden.
Auf diese Bestimmung stützt sich die vor dem VfGH u.a. angefochtene Bezugskürzung.
Nach Art18 Abs1 B-VG darf 'die gesamte staatliche Verwaltung' nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. Diese Verfassungsbestimmung verpflichtet auch den Gesetzgeber zur Vorsorge, daß jeder Verwaltungsakt nach allen Richtungen hin durch das Gesetz bestimmt ist.
Es ist dem Gesetzgeber verwehrt, die Verwaltungsbehörden zu einem Handeln zu ermächtigen, das durch das Gesetz inhaltlich nicht hinreichend vorausbestimmt ist. Die Norm, die einen Eingriff in die dem Beamten zustehenden Rechte begründet, muß nach Inhalt, Gegenstand und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein, sodaß die Last des Eingriffes meßbar und für den zur Leistung Verpflichteten voraussehbar und berechenbar wird.
Diese verfassungsmäßigen Anforderungen vermag die angefochtene Bestimmung des §106 Abs4 Stmk. LandesbeamtenG nicht zu erfüllen.
Der Gesetzgeber regelt weder die sachlichen Voraussetzungen, wann und ob überhaupt eine Kürzung des Monatsbezuges zu verfügen ist (z.B. im Falle der voraussichtlichen Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung), noch stellt er allgemeine Bestimmungskriterien (z.B. Alimentationsgrundsatz, Bedürftigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Beamten) auf, in welcher Höhe gegebenenfalls die Kürzung des Monatsbezuges erfolgen soll. Lediglich das Mindestausmaß, das dem Beamten zu belassen ist (zwei Drittel des Monatsbezuges), ist bestimmt. Dieser vom Gesetzgeber völlig ungeregelte Freiheitsraum für die im Einzelfall zur Entscheidung berufene Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) ist mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar. Dies ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Sind die Vollmachten der Vollziehung nicht hinreichend bestimmt, so führt sie nicht mehr das Gesetz aus und handelt nicht nach den Richtlinien des Gesetzgebers, sondern entscheidet an dessen Stelle. Dieser gesetzgeberische Mangel läßt sich auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung beheben, denn der Inhalt des Gesetzes gibt keinen Anhaltspunkt dafür, ob überhaupt und in welchem Ausmaß eine Kürzung des Monatsbezuges des suspendierten Beamten zu verfügen ist.
Der VwGH ist daher aus den oben dargelegten Gründen der Meinung, daß §106 Abs4 Stmk. LandesbeamtenG dem Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG widerspricht."
4. Die Steiermärkische Landesregierung nahm von der Erstattung einer Äußerung Abstand.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist nichts hervorgekommen, was Anlaß geben könnte, daran zu zweifeln, daß der VwGH die bekämpfte Bestimmung in dem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat.
Da auch die übrigen Voraussetzungen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. §106 Abs4 der gemäß §2 Abs1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz in Geltung stehenden Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, i.d.F. der Ziffer 5.1.6. der Steiermärkischen Landesbeamtengesetz-Nov 1984, LGBl. Nr. 33 enthält die gleiche Ermächtigung an die zuständige Behörde zur Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Haushaltszulage - aus Anlaß der Suspendierung, wie sie durch §112 Abs2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333/1979 angeordnet war. Daß §112 Abs2 dieses Gesetzes aber verfassungswidrig war, wurde mit ausführlicher Begründung schon mit Erkenntnis vom 6. Oktober 1986, G13/86, vom VfGH festgestellt.
Da somit auch §106 Abs4 der gemäß §2 Abs1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz in Geltung stehenden Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, i.d.F. der Ziffer 5.1.6. der Steiermärkischen Landesbeamtengesetz-Nov 1984, LGBl. Nr. 33 aus den im angeführten Erkenntnis ausgebreiteten Gründen nur die unbestimmte Ermächtigung der zuständigen Behörden enthält, eine Kürzung der Bezüge des suspendierten Beamten bis auf zwei Drittel zu verfügen, widerspricht er ebenso dem Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG.
§106 Abs4 der gemäß §2 Abs1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, als Landesgesetz in Geltung stehenden Dienstpragmatik, RGBl. Nr. 15/1914, i.d.F. der Ziffer 5.1.6. der Steiermärkischen Landesbeamtengesetz-Nov 1984, LGBl. Nr. 33 war daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Die anderen Aussprüche des VfGH stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 abgesehen werden.
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