VfGH G13/86

VfGHG13/866.10.1986

BDG 1979; in §112 Abs2 vorgesehene Kürzung der Bezüge eines Beamten anläßlich der Suspendierung hat keinen Strafcharakter - keine Anwendung der §§93 Abs1 und 127 Abs1 bei dieser Kürzung; keine Heranziehung des §13 GehaltsG zur Determinierung der Voraussetzungen für diese Kürzung, auch nicht des §1155 ABGB; Feststellung, daß §112 Abs2 wegen Widerspruchs zum Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG verfassungswidrig war

Normen

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK Art6 Abs2
BDG 1979 §93 Abs1
BDG 1979 §112 Abs2 (idF BGBl) Nr. 333/1979.
BDG 1979 §127 Abs1
BDG 1979 §1155
GehG 1956 §13
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EMRK Art6 Abs2
BDG 1979 §93 Abs1
BDG 1979 §112 Abs2 (idF BGBl) Nr. 333/1979.
BDG 1979 §127 Abs1
BDG 1979 §1155
GehG 1956 §13

 

Spruch:

§112 Abs2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. 333/1979, war verfassungswidrig.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VwGH ist ein Verfahren über die Beschwerde des H S, der als Revierinspektor der Justizwache in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund steht und beim landesgerichtlichen Gefangenenhaus in Sbg. Dienst versieht, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 28. Dezember 1982, zugestellt am 29. Dezember 1982, mit dem die vom Bundesminister für Justiz mit Bescheid vom 1. Dezember 1982 verfügte Suspendierung des Bf. bestätigt, die Kürzung des Monatsbezuges (unter Ausschluß der Haushaltszulage) aber auf 15 vH vermindert wurde, anhängig. Der Bf. erachtet sich ausschließlich durch den Ausspruch über die Bezugskürzung in seinen Rechten verletzt. Der VwGH ist der Ansicht, bei Beurteilung dieser Beschwerde §112 Abs2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. 333/1979 (ursprüngliche Fassung), im folgenden "BDG 1979" genannt, anwenden zu müssen. §112 BDG 1979 hatte folgenden Wortlaut:

"§112. (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde, wenn jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission bereits anhängig ist, diese, den Beamten vom Dienst zu suspendieren.

(2) Anläßlich der Suspendierung kann die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Haushaltszulage - bis auf zwei Drittel verfügt werden.

(3) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, durch die die Suspendierung des Beamten veranlaßt wurde, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Behörde, bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.

(4) Die Berufung gegen eine Suspendierung bzw. eine Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung; über die Berufung hat, wenn die Suspendierung bzw. die Bezugskürzung von der Dienstbehörde verfügt wurde, die Disziplinarkommission, wenn sie von der Disziplinarkommission verfügt wurde, die Disziplinaroberkommission zu entscheiden.

(5) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten aufgehoben oder vermindert, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam."

Der VwGH beantragt beim VfGH mit Beschl. vom 27. November 1985, A41/85, die Feststellung, daß §112 Abs2 BDG 1979 verfassungswidrig war, wobei er in der Begründung - nach Zitat des §112 BDG 1979 und des §13 Gehaltsgesetz 1956 idF der Nov. BGBl. 561/1979 - ausführte:

"2. Auf Grund dieser Rechtslage können die rechtlichen Auswirkungen einer Bezugskürzung auf Grund des §112 Abs2 BDG 1979 wie folgt gesehen werden:

Die aus Anlaß der Suspendierung verfügte Bezugskürzung stellt jedenfalls für die Dauer der Suspendierung - sofern die Bezugskürzung nicht gemäß §112 Abs5 BDG 1979 schon vor der Endigung der Suspendierung aufgehoben wird - eine Einschränkung des Anspruches des Beamten auf den im vorhinein auszuzahlenden Monatsbezug (§3 Abs1 in Verbindung mit §7 Abs1 des Gehaltsgesetzes 1956) dar und ist somit ein Eingriff in die dem Beamten zustehenden Rechte.

Sind die infolge der Kürzung einbehaltenen Beträge dem Beamten auf Grund des §13 Abs1 letzter Satz GG 1956 nachzuzahlen, so bewirkt die aus Anlaß einer Suspendierung verfügte Bezugskürzung lediglich den oben umschriebenen Eingriff in Rechte des Beamten.

Liegt einer der Tatbestände des §13 Abs1 des Gehaltsgesetzes 1956 vor, dann verliert der Beamte den Anspruch auf den Monatsbezug in dem gekürzten Ausmaß endgültig.

3. Die Voraussetzungen, unter denen die Dienstbehörde bzw. die Disziplinarkommission diesen Eingriff in Rechte des Beamten zu verfügen ermächtigt ist, sind im BDG 1979 nicht einmal andeutungsweise umschrieben. Dabei geht es einerseits um die Voraussetzungen dafür, ob die Kürzung verfügt werden darf oder nicht, und andererseits darum, in welchem Ausmaß der Monatsbezug gekürzt wird.

Dies hat auch die bel. Beh. erkannt, die in der Begründung ihres Bescheides ausführt, daß §112 Abs2 BDG 1979 'in keiner Richtung determiniert, wann und in welchem Ausmaß eine Bezugskürzung zu verfügen' sei.

4. Soweit in der angefochtenen Bestimmung eine Regelung erblickt werden könnte, durch die die Behörde zur Ermessensübung ermächtigt ist, fehlt im Gesetz jeglicher Anhaltspunkt dafür, in welchem Sinne die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen hat.

Wird die angefochtene Bestimmung als Grundlage für behördliches Ermessen angesehen, so ist nach Auffassung des VwGH der für die Ermessensübung maßgebende Sinn des Gesetzes nicht erkennbar, auch nicht auf Grund irgendeines Anhaltspunktes erschließbar. Dies ist, soweit hier nach dem aus dem BDG 1979 sich ergebenden Sinn für die Ermessensübung gefragt wird, offenkundig. Da es sich jedoch bei der angefochtenen Bestimmung in ihren Auswirkungen um eine gehaltsrechtliche Regelung handelt, könnte aber auch der für die Ermessensübung maßgebende Sinn des Gesetzes in Bestimmungen des Gehaltsgesetzes 1956 gefunden werden.

Von dieser Erwägung ausgehend, wäre §13 Abs3 GG 1956 in Betracht zu ziehen, der bestimmt, daß die Bezüge für die Dauer eines Karenzurlaubes und dann entfallen, wenn der Beamte eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst fernbleibt, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, und zwar für die Gesamtdauer der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst. Aus dieser Bestimmung ergibt sich als Sinn des Gesetzes im Falle der Unterlassung der Dienstleitung des Beamten, daß der Monatsbezug dem Beamten nicht gebührt. Würde dieser Sinn bei der Anwendung der angefochtenen Bestimmung als maßgebend erachtet werden, dann wäre das Ermessen bei der Bezugskürzung grundsätzlich so auszuüben, daß die Bezugskürzung bis zum Höchstausmaß des Betrages durchgeführt wird. Dieses Ergebnis hätte der Gesetzgeber freilich viel offener erzielen können, hätte er im §112 Abs2 BDG 1979 angeordnet, daß im Falle der Suspendierung die Kürzung des Monatsbezuges bis auf zwei Drittel zu verfügen ist, es sei denn, daß bestimmte Umstände, die im Gesetz darzulegen gewesen wären, vorliegen. Eine erkennbare Norm dieses Inhaltes liegt aber nicht vor. Davon abgesehen erscheint es aber überhaupt mehr als fraglich, ob §13 Abs3 des Gehaltsgesetzes 1956 hier überhaupt herangezogen werden könnte, geht doch diese Bestimmung davon aus, daß der Beamte entweder Karenzurlaub erhalten hat, was bekanntlich nicht ohne Einwilligung des Beamten denkbar ist, und davon, daß der Beamte eigenmächtig dem Dienst fernbleibt. Es kann daher der dieser Regelung zugrundeliegende Sinn nicht auf eine Bestimmung übertragen werden, die davon ausgeht, daß der Beamte suspendiert ist, also grundsätzlich gegen oder zumindest ohne seinen Willen nicht Dienst verrichten darf.

5. Das völlige Schweigen des Gesetzgebers hinsichtlich der Voraussetzungen für die Bezugskürzung bzw. hinsichtlich des für eine Ermessungsübung maßgebenden Sinnes des Gesetzes verbietet es, von irgendwelchen mehr oder weniger willkürlich gewählten Gesichtspunkten auszugehen und die vom Gesetzgeber offen gelassene Determinierung im Einzelfall vorzunehmen. Bei dieser durch das BDG 1979 geschaffenen Situation muß auch der - ohnehin von vornherein problematische - Versuch einer Analogie zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch scheitern.

Gemäß §1155 ABGB gebührt dem Dienstnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustandegekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf seiten des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.

Diese Regelung durch Analogieschluß für den Anwendungsbereich des §112 Abs2 BDG 1979 zu übernehmen, erscheint selbst dann, wenn die verfehlte Auffassung vertreten wird, daß der Analogieschluß im öffentlichen Recht zulässig ist, aus mehrfachen Gründen bedenklich. Schon der Ausgangspunkt der Regelung 'Umstände, die auf seiten des Dienstgebers liegen' trifft im Anwendungsbereich des §112 Abs2 BDG 1979 nicht zu. Wird die im §1155 ABGB vorgesehene Rechtsfolge, daß das Entgelt dem zur Leistung bereiten Dienstnehmer gebührt, in den Anwendungsbereich des §112 Abs2 BDG 1979 übernommen, so ist dies schon nach den Bestimmungen des Gehaltsgesetzes 1956 offenkundig dort unsinnig, wo es sich um von der tatsächlichen Ausübung der Verwendung abhängige Zulagen handelt. Damit wird aber die analoge Heranziehung dieser Rechtsfolge von vornherein zu einem Stück- und Flickwerk, dessen Folgen in einzelnen Fällen kaum zu übersehen sind.

In diesem Zusammenhang sei auf das Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde verwiesen. Der Beschwerdeführer behauptet, es sei nicht ersichtlich, worin die Ersparnis überhaupt liegen soll, und behauptet ferner, daß entgegen der Annahme im bekämpften Bescheid durch das Unterbleiben der Dienstleistung keine wie immer geartete Ersparnis verbunden sei, daß durch die Dienstleistung keine besonderen Auslagen entstünden und daß im Gegenteil im Falle der Ausübung des Dienstes der Beschwerdeführer zu seinem Gehalt eine Gefahren- und Wachdienstzulage erhalten würde, die sich monatlich auf etwa S 2.000,- belaufe.

Dieses Vorbringen veranschaulicht, daß die Heranziehung des §1155 ABGB im Anwendungsbereich des §112 Abs2 BDG 1979 in Verbindung mit §3 Abs2 des Gehaltsgesetzes 1956 zu offenkundig unangemessenen Ergebnissen führt.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß die mit ArtIII des BG BGBl. 612/1983 erfolgte Änderung des §13 Abs5 bis 9 des Gehaltsgesetzes 1956 offenkundig nicht von den aus §1155 ABGB hervorleuchtenden Grundgedanken ausgeht, insbesondere nicht von dem Gedanken, daß dem Beamten anzurechnen sei, was er sich durch gänzliches oder teilweises Unterbleiben der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben hat.

6. Art18 Abs1 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber, das Verhalten der Verwaltungsbehörde in einem von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nachprüfbaren Art zu bestimmen. Diesem verfassungsrechtlichen Gebot widerspricht die angefochtene Bestimmung.

Der VwGH verkennt nicht, daß in der neueren Rechtsprechung des VfGH zu Art18 Abs1 B-VG 'gewisse Lockerungstendenzen' im Sinne eines differenzierten Legalitätsverständnisses erkennbar sind (vgl. dazu Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, Seite 105). Diese Lockerungstendenzen haben den VwGH auch veranlaßt, um von vornherein erfolglose Anfechtungen zu vermeiden, von auf Art18 Abs1 B-VG gestützten Anfechtungen nur äußert sparsam Gebrauch zu machen. Im vorliegenden Falle ist jedoch eine offensichtlich ohne jegliche Bindung an Voraussetzungen oder an einen erkennbaren Sinn des Gesetzes der Verwaltungsbehörde eingeräumte Ermächtigung gegeben, einen Eingriff in Vermögensrechte des Beamten zu verfügen. Dieser Eingriff unterliegt auf dem Boden der Rechtsprechung des VfGH, da der Gehaltsanspruch des Beamten auf Grund des Gehaltsgesetzes 1956 auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage beruht, nicht der verfassungsgesetzlichen Eigentumsgarantie (dies allerdings im Gegensatz zur neueren Lehre, vgl. dazu Aicher, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Enteignung, Seite 30). Es kann daher, jedenfalls auf dem Boden der Rechtsprechung des VfGH, nicht behauptet werden, daß gegenüber der Grundrechtssphäre das zu ihrem Schutze bestehende Legalitätsprinzip besonders streng beachtet werden muß (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 22. April 1964, Zl. 2355/63). Dennoch handelt es sich aber um einen Eingriff in - wenn auch auf öffentlicher Grundlage beruhende - Vermögensrechte. Dieser Umstand verbietet es, mit dem Legalitätsprinzip zum Nachteil, sei es der öffentlichen Hand, sei es des von der Suspendierung und Bezugskürzung betroffenen Beamten, allzu großzügig umzugehen und es den Verwaltungsbehörden schlechthin zu überlassen, ob und in welchem Ausmaß sie eine Bezugskürzung verfügen wollen oder nicht.

Da im Gesetz jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, ob und in welchem Ausmaß die Bezugskürzung zu verfügen ist, kommt zweifellos der Verwaltungsübung in diesem Bereich eine Bedeutung zu. Um einen Überblick über die einschlägige Verwaltungspraxis zu gewinnen, wird beantragt, der Bundesregierung aufzutragen, eine Aufstellung aller jener Fälle zu geben, in denen die Disziplinaroberkommission und die Disziplinarkommissionen Bezugskürzungen verfügt haben und - was wohl ebenso bedeutsam ist - Suspendierungen ausgesprochen haben, ohne daß Bezugskürzungen verfügt worden wären."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Feststellung beantragte, daß §112 Abs2 BDG 1979 nicht verfassungswidrig war. Sie führte hiebei aus:

"Die Bundesregierung hält der im Anfechtungsbeschluß des VwGH entwickelten Argumentation folgendes entgegen:

1. Der Wortlaut des §112 Abs2 BDG 1979 wurde nahezu unverändert aus jener Bestimmung der Dienstpragmatik, die die Bezugsbeschränkung anläßlich der Suspendierung vorsah, übernommen. Dieser §146 DP lautete: 'Durch Beschluß der Disziplinarkommission kann der Beamte für die Dauer der Suspendierung bis auf zwei Dritteile seiner Bezüge beschränkt werden.'

Zu jener Bestimmung hat der VfGH mit Erkenntnis vom 26. September 1968, B69, 70/68, die Feststellung getroffen, daß keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §146 DP bestehen.

Er hat dabei wörtlich ausgeführt: 'Die Beschränkung der Bezüge bis auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung gründet sich auf §146 DP. Gegen die Verfassungsmäßigkeit aller dieser Bestimmungen sind von der Beschwerdeführerin Bedenken nicht vorgebracht worden. Auch seitens des VfGH sind, wie auch aus dem Erkenntnis Slg. Nr. 4327/1962 ua. hervorgeht, Bedenken nicht entstanden.'

Der §146 DP und der nunmehr angefochtene §112 Abs2 BDG 1979 sind inhaltlich völlig gleich und hinsichtlich ihrer Determinierung des Verwaltungshandelns praktisch ident. Nach Auffassung der Bundesregierung bestehen daher aus der Sicht der bisherigen Rechtsprechung des VfGH auch gegen §112 Abs2 BDG 1979 keine legalitätsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art18

B-VG.

2. Zu der Frage, ob aus dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 oder aus anderen dienstrechtlichen Normen ein Bemessungsmaßstab für die Bezugskürzung abgeleitet werden könne, wäre zunächst darauf zu verweisen, daß diese Bezugskürzung nach herrschender Auffassung (Kucsko - Stadlmayer, Disziplinarrecht, 508) keine Strafe ist, sondern lediglich dem Umstand Rechnung trägt, daß der Beamte aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, keinen Dienst versieht.

Aus dem Gesetz ergibt sich für diesen Fall die Folge der Bezugskürzung um ein Drittel. Dieses Drittel kann nun nur aus solchen Gründen durch eine Ermessensentscheidung der Behörde verringert werden, hinsichtlich derer sich im Gesetz eine Grundlage für das Ausmaß dieser Verringerung finden läßt.

Eine Durchsicht der disziplinarrechtlichen Bestimmungen des BDG ergibt nun, daß in diesen immer wieder auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgestellt wird. Diese Kriterien finden sich ua. bei der Regelung der Strafbemessung (§93 BDG), aber auch bei der Regelung der Ratenbewilligung (§127 BDG). Eine Heranziehung des §93 BDG zur Ermittlung des 'Sinnes des Gesetzes' ist nach Auffassung der Bundesregierung auch dann zulässig, wenn man der Maßnahme nach §112 Abs2 BDG 1979 nicht den Charakter einer Strafe beimißt. Auch die dem §112 Abs2 BDG nahestehende Regelung im Gehaltsgesetz (§13 Abs2 GehG) stellt bei der Feststellung der Endgültigkeit der Kürzung der Bezüge ua auf die persönlichen und familiären Verhältnisse ab. Das im §112 Abs2 BDG der Behörde eingeräumte Ermessen ist daher im Sinne dieser, ähnliche Tatbestände regelnden Bestimmungen derart auszulegen, daß die Behörde bei Festsetzung des Ausmaßes der Bezugskürzung auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen abzustellen hat.

3. Selbst wenn man aber der die vorläufige Suspendierung möglicherweise begleitenden Maßnahme der Bezugskürzung bis auf zwei Drittel - entgegen der eingangs vorgetragenen These - eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Strafe zubilligen wollte - dies etwa mit dem Argument, daß im Falle der Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe oder der Entlassung diese Kürzung des Gehaltes während der Suspendierung endgültig wird (§13 Abs1 GehG) - so würde das die Heranziehung des §93 BDG für die Ausübung des durch §112 Abs2 BDG eingeräumten Ermessens zusätzlich unterstützen. Die Tatsache, daß die Kürzung nur eine gewisse Nähe zu einer Strafe aufweist, müßte dabei insofern Berücksichtigung finden, als von den verschiedenen, in §93 BDG aufgezählten Kriterien der Strafbemessung nur jene herangezogen werden können, deren Anwendung in diesem Stadium des Verfahrens sinnvoll erscheint. Jene Strafbemessungskriterien, die darauf basieren, daß das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung festgestellt wurde, wie die Schwere der Tat, die Möglichkeit der Wiederbegehung der Tat, die Schuld des Täters, müßten daher für eine analoge Heranziehung von vornherein ausscheiden. Als für §112 Abs2 BDG aus §93 Abs1 BDG ableitbare Kriterien blieben dann wiederum die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen, die für die Entscheidung des Ausmaßes der Gehaltskürzung bis zu einem Drittel von der Behörde heranzuziehen sind. Die Berücksichtigung dieser Umstände kann im Extremfall dazu führen, daß von einer Bezugskürzung überhaupt abgesehen wird. In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von Kucsko - Stadlmayer, a. a.O.

Derartige Überlegungen finden sich im Antrag des VwGH nicht. In diesem wird lediglich ausgeführt, daß eine Analogie zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch für den vorliegenden Zusammenhang nicht in Frage käme. Nach Auffassung der Bundesregierung braucht allerdings angesichts der in dienst- und besoldungsrechtlichen Vorschriften enthaltenen Grundlagen für eine Determinierung des Ausmaßes der Bezugskürzung eine solche Analogie zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch gar nicht gezogen werden. Eine Bemessung der in Rede stehenden Bezugskürzung könnte vielmehr in gesetzeskonformer Weise bereits unter Heranziehung dieser dienst- und besoldungsrechtlichen Regelungen erfolgen.

4. Die unter Pkt. 3 angestellten Überlegungen könnten allenfalls Bedenken im Hinblick auf den Art6 MRK aufwerfen. Die Bundesregierung geht jedoch in dieser Hinsicht davon aus, daß nach der Rechtsprechung der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention Disziplinarverfahren grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art6 MRK fallen vgl. Walter - Mayer, Grundriß des Bundesverfassungsrechtes, 5. Auflage, 1985 440 und die dort zitierte Judikatur des VfGH und EGMR dazu)."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Bestimmungen über den Instanzenzug gegen Bescheide der Dienstbehörde über die Suspendierung sind vom VfGH mit Erk. Slg. 9476/1982 als verfassungswidrig aufgehoben worden und mit Ablauf des 31. Dezember 1982 außer Kraft getreten.

Da der beim VwGH angefochtene Bescheid dem Beschwerdevertreter am 29. Dezember 1982, somit vor dem Außerkrafttreten des §97 Z2 BDG 1979 zugestellt worden ist, konnte der VwGH jedenfalls denkmöglich davon ausgehen, daß die Zuständigkeit der bel. Beh. zur Entscheidung in zweiter und letzter Instanz gegeben war.

Im verfassungsgerichtlichen Verfahren ist nichts hervorgekommen, was Anlaß geben könnte, daran zu zweifeln, daß der VwGH die bekämpfte Bestimmung in dem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat.

Da auch die übrigen Voraussetzungen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Der VwGH führt in der Begründung seines Antrages aus, warum nach seiner Ansicht §112 Abs2 BDG 1979 dem Gebot des Art18 Abs1 B-VG widerspricht.

Demgegenüber wendet die Bundesregierung in ihrer Äußerung ein, daß der Wortlaut des §112 Abs2 BDG 1979 nahezu unverändert aus §146 der Dienstpragmatik übernommen worden sei, der gelautet habe: "Durch Beschluß der Disziplinarkommission kann der Beamte für die Dauer der Suspendierung bis auf zwei Dritteile seiner Bezüge beschränkt werden." Der VfGH habe in seinem Erk. vom 26. September 1968, B69, 70/68, befunden, daß gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung keine Bedenken bestanden hätten. In diesem Erkenntnis sei auch festgestellt worden, die Unbedenklichkeit des §146 der Dienstpragmatik gehe auch aus VfSlg. 4327/1962 hervor. Nach Auffassung der Bundesregierung bestünden daher aus der Sicht der bisherigen Rechtsprechung des VfGH auch gegen §112 Abs2 BDG 1979 unter dem Gesichtspunkt des Art18 B-VG keine Bedenken.

Hiezu stellt der VfGH fest, daß in den von der Bundesregierung angeführten Beschwerdefällen, obwohl dies nicht ausdrücklich angeführt war, unter dem Blickwinkel dieser Fälle keine Bedenken betreffend die Verfassungsmäßigkeit des §146 DP entstanden sind. Die Frage, ob durch §146 DP das verwaltungsbehördliche Verhalten in einer für die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nachprüfbaren Art bestimmt ist, war in diesen Beschwerdefällen nicht Gegenstand der Prüfung des VfGH.

3. Der VfGH schließt sich der Auffassung der Bundesregierung an, daß die in §112 Abs2 BDG anläßlich der Suspendierung eines Beamten vorgesehene Kürzung der Bezüge bis auf zwei Drittel nicht den Charakter einer Strafe hat. Gemäß Art6 Abs2 MRK wird im Strafverfahren vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld unschuldig sei. Der VfGH vermag keine sachliche Rechtfertigung dafür zu finden, daß diese Unschuldsvermutung nicht auch für den eines Dienstvergehens verdächtigten Beamten gelten sollte. Fehlt demnach der Kürzung der Bezüge bis auf zwei Drittel jeder Straf- bzw. Sühnecharakter, so kann bei der Bemessung der Kürzung nicht auf die bei der Strafbemessung entscheidenden Umstände Bedacht genommen werden. Damit ist es aber ausgeschlossen, §93 Abs1 BDG bei der Auslegung des §112 Abs2 BDG 1979 betreffend die Bemessung der Kürzung heranzuziehen, wonach letztlich auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen ist. Wenn aber der Kürzung der Bezüge im Hinblick auf die Suspendierung jeder Straf- bzw. Sühnecharakter abgeht, ist auch nicht einzusehen, warum bei dieser Kürzung die Vorschrift des §127 Abs1 BDG heranzuziehen wäre, wonach bei der Hereinbringung einer Geldstrafe oder Geldbuße auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen ist.

Während die Bundesregierung meint, bei der Bemessung der Kürzung der Bezüge gemäß §112 Abs2 BDG auch die Bestimmungen des §13 Abs2 des Gehaltsgesetzes 1956 heranziehen zu können, zieht der VwGH die Anwendung des §13 Abs3 desselben Gesetzes in Erwägung.

§13 Abs1 bis 3 des Gehaltsgesetzes 1956 in der hier in Betracht kommenden Fassung BGBl. 318/1977 und 561/1979 hat folgenden Wortlaut:

"§13 (1) Ist der Beamte suspendiert und sein Monatsbezug aus diesem Anlaß gekürzt worden, so wird die Kürzung endgültig, wenn

1. der Beamte strafgerichtlich verurteilt wird,

2. über ihn im Disziplinarverfahren eine Geldstrafe oder die Entlassung verhängt wird oder

3. er während des strafgerichtlichen oder des Disziplinarverfahrens aus dem Dienstverhältnis austritt.

Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, so sind die infolge der Kürzungen einbehaltenen Beträge dem Beamten nachzuzahlen.

(2) Wenn die Endgültigkeit der Kürzung der Bezüge mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der Tat und das Ausmaß der Schuld sowie auf die persönlichen und familiären Verhältnisse des Beamten eine außerordentliche Härte bedeuten würde, so hat der zuständige Bundesminister auf Antrag des Beamten zu verfügen, daß die einbehaltenen Beträge dem Beamten insoweit auszuzahlen sind, als dies zur Beseitigung der außerordentlichen Härte notwendig ist. Die Verfügung bedarf der Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen.

(3) Die Bezüge entfallen

1. für die Dauer eines Karenzurlaubes;

2. wenn der Beamte eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst fernbleibt, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, für die Gesamtdauer der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst."

§13 Abs2 GehG ordnet an, was im Falle der endgültigen Kürzung der Bezüge zu geschehen hat, wenn durch die Kürzung eine außerordentliche Härte für den Beamten entstehen würde. In diesem Falle sind die persönlichen und familiären Verhältnisse des Beamten mitzuberücksichtigen. Die Heranziehung des §13 GehG zur Auslegung des §112 Abs2 BDG könnte aber - entgegen der Auffassung der Bundesregierung - dessen mangelnde Bestimmtheit schon deshalb nicht beheben, weil §13 GehG nur eine Regelung für den - wohl nur in seltenen Fällen in Betracht kommenden - Härtefall vorsieht. Diese Kriterien, die für Härtefälle gelten, können daher für die Auslegung des §112 Abs2 BDG, der auf den Regelfall abstellt, nicht herangezogen werden.

Der VwGH bezweifelt selbst, daß §13 Abs3 des Gehaltsgesetzes hier überhaupt herangezogen werden kann. Eine Heranziehung dieser Gesetzesstelle bei der Auslegung des §112 Abs2 BDG lehnt der Verfassungsgerichthof aus den vom VwGH angeführten Gründen ab. In den im §13 Abs3 angeführten Fällen leistet der Beamte aufgrund seines Antrages auf Karenzurlaub oder aufgrund seines eigenmächtigen Fernbleibens keinen Dienst, während im Falle der Suspendierung das Fernbleiben vom Dienst von der Disziplinar- oder Dienstbehörde verfügt wird, wobei es nicht auf eine Willensäußerung des Beamten ankommt.

Mit Recht nimmt daher der VwGH an, daß das Schweigen des Dienstrechtsgesetzgebers hinsichtlich der Voraussetzungen für die Kürzung der Bezüge im Falle der Suspendierung es verbiete, von irgendwelchen nicht aus dem Gesetz ableitbaren Gesichtspunkten auszugehen. Der VfGH aber stellte Erwägungen darüber an, ob in den Grundgedanken der österreichischen Rechtsordnung, die in diesem Fall aus dem bürgerlichen Recht abzuleiten wären, die in §112 Abs2 BDG vermißte Determinierung gefunden werden könnte. Gemäß §1155 ABGB gebührt dem Dienstnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustandegekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Die Fälle, in denen ein Beamter im Falle der Suspendierung durch Unterbleiben der Dienstleistung etwas erspart oder durch anderweitige Verwendung etwas erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat, sind aber einerseits wohl zu selten, als daß angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe nur diesfalls eine Kürzung der Bezüge vorsehen wollen. Anderseits könnte in diesen seltenen Fällen das Ersparte oder das anderweitig Erworbene oder zu erwerben Versäumte mehr als ein Drittel der Bezüge betragen. Demnach kann auch §1155 ABGB nicht zur Determinierung der Voraussetzungen für die Kürzung der Bezüge gemäß §112 Abs2 BDG 1979 herangezogen werden.

Da somit die angefochtene Bestimmung die unbestimmte Ermächtigung der zuständigen Behörden enthielt, eine Kürzung der Bezüge des suspendierten Beamten bis auf zwei Drittel zu verfügen, widersprach sie dem Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG. Da §112 Abs2 BDG 1979 mit dem Inkrafttreten des ArtI Z10 des BG vom 21. Feber 1983, BGBl. 137/1983, am 5. März 1983 außer Kraft getreten ist, war nurmehr festzustellen, daß §112 Abs2 BDG 1979 verfassungswidrig war.

Ob §13 GehG 1956 in der geltenden Fassung verfassungsgemäß ist, war im Rahmen dieses Gesetzesprüfungsverfahrens nicht zu untersuchen.

Der Ausspruch betreffend die Kundmachung der Feststellung des VfGH stützt sich auf Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte