Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Sbg BaupolizeiG §7 Abs1 Z1 lita
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Sbg BaupolizeiG §7 Abs1 Z1 lita
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Mit Kundmachung vom 5. April 1983 hat die Bezirkshauptmannschaft Hallein zum Ansuchen der Firma B A GesmbH (der beteiligten Partei des vorliegenden Beschwerdeverfahrens) "um die nachträgliche gewerbe- und baubehördliche Genehmigung für die bereits aufgestellten Lagertanks für Chemikalien an der Westseite der Halle für Wassertechnik" gemäß §§40 - 44 AVG 1950 iZm. §356 der Gewerbeordnung 1973 sowie §8, §17 des Baupolizeigesetzes 1973 in der geltenden Fassung eine mit einem Augenschein verbundene mündliche Verhandlung auf den 28. April 1983 anberaumt. Zu dieser Verhandlung sind die Bf. geladen worden.
Bei der mündlichen Verhandlung hat die Bf. J S erklärt, sich folgender Stellungnahme, die bereits von anderen Parteien abgegeben worden war, anzuschließen:
"Es wird die Erstellung eines Umweltverträglichkeits-Gutachtens gefordert, das besonders nachstehende Fragen beantworten muß:
1. Sind die möglichen Gefahren aus der Lagerung von Chemikalien und deren Verarbeitung mit der Definition der Flächenwidmung vereinbar?
2. Welche Vorkehrungen sind zur Ausschaltung möglicher Gefahren für das Siedlungsgebiet erforderlich?
Ferner muß ein Katastrophenplan erstellt werden, der allen Betroffenen mitzuteilen ist.
Bis zur Erfüllung vorstehender Forderungen wird einer nachträglichen Genehmigung des Verhandlungsgegenstandes nicht zugestimmt."
b) Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 4. Juli 1983 wurde der beteiligten Partei gemäß §81 Gewerbeordnung 1973 iVm.
§27 Abs2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. 234/1972 idgF, die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der in der Kundmachung beschriebenen Lagertanks erteilt (Punkt I des Bescheides).
Im Punkt II des Bescheides wurden maschinenbautechnische, chemotechnische, sanitätspolizeiliche, feuerpolizeiliche und sonstige Auflagen vorgeschrieben.
Ob die Bf., an die dieser Bescheid "ergangen ist", von der nach der Rechtsmittelbelehrung bestehenden Möglichkeit der Erhebung einer Berufung Gebrauch gemacht haben, ist den dem VfGH vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
2. Mit dem Bescheid vom 10. November 1983 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Hallein der beteiligten Partei "gemäß §§2 Abs1 und 9 des Salzburger Baupolizeigesetzes, BauPolG, LGBl. Nr. 117/1973 i. d. g. F. in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften des Salzburger Bautechnikgesetzes, BauTG, LGBl. Nr. 75/1976 und der Zuständigkeitsübertragungsverordnung, LGBl. Nr. 97/1968 ... die nachträgliche baubehördliche Bewilligung (Baubewilligung) zur Errichtung von 5 Lagertanks für Chemikalien samt den dazugehörigen baulichen Maßnahmen einschließlich einer Sichtschutzmauer an der Westseite der Halle für Wassertechnik nach Maßgabe des diesem Bescheid zugrundeliegenden Projektes und der in der Verhandlungsschrift vom 28. 04. 1983 angeführten sachverständigen Anlagenbeschreibung bei Einhaltung der im Spruchabschnitt II.) erteilten Auflagen bzw. Forderungen".
Im Punkt II des Bescheides ist auf die in der Verhandlungsschrift enthaltenen Auflagen nach den Gutachten der Sachverständigen (Beschaffenheit der Lagerbehälter, Festigkeit der Wannen, Überdachung, Entlüftung) verwiesen.
In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, "hinsichtlich der Frage der Übereinstimmung mit der Flächenwidmung" habe festgestellt werden können, "daß sich der überwiegende Teil der Behälter laut Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hallein im sogenannten gemischten Baugebiet befindet und lediglich ein geringer Teil (ca. 3 Quadratmeter) der Aufstellungsfläche im Grünland liegt". Nach Prüfung des Vorhabens seien die zuständigen Behörden zur Ansicht gelangt, "daß im gegenständlichen Fall keine Verletzung der Widmungsvorschriften besteht und ein gesondertes Ausnahmegenehmigungsverfahren gemäß §19 (3) ROG nicht erforderlich" sei. Im übrigen komme den Nachbarn eine Nachbareigenschaft iS des §7 des Sbg. Baupolizeigesetzes nicht zu.
3. Die von den Bf. gegen diesen erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufungen wurden mit dem Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 25. Jänner 1984 als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung des Bescheides wird nach Anführung der Bestimmungen des §7 Abs2 BauPolG ausgeführt, daß keine der berufenden Parteien aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen Parteistellung habe. Frau J S grenze mit ihrem Grundstück zwar im gegenständlichen Bereich an das Betriebsgelände der Bauwerberin an, die Lagertanks bzw. die Sichtschutzmauer befänden sich jedoch in einem Abstand von zirka 25 m von ihrer Liegenschaft. Die Grundstücke der anderen Berufungswerber wiesen einen noch größeren Abstand zu den Lagertanks bzw. der Sichtschutzmauer auf. Aufgrund dieses Sachverhaltes sowie der gesetzlichen Bestimmung des §7 Abs1 BauPolG seien daher die Berufungen mangels Parteistellung der Berufungswerber als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
4. Gegen den Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 25. Jänner 1984 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Auch liege eine Verletzung des Art5 Abs1 und des Art6 Abs1 MRK vor.
Mit der Anregung, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §7 Abs1 Z1 lita BauPolG einzuleiten, wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) Abs1 des (mit "Parteien" überschriebenen) §7 BauPolG lautet:
"(1) Parteien im Bewilligungsverfahren sind der Bewilligungswerber, der Grundeigentümer und außerdem
1. als Nachbarn
a) bei den im §2 Abs1 lita angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als die nach §25 Abs3 des Bebauungsgrundlagengesetzes maßgebenden Höhen der Fronten betragen. Bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 cbm haben jedenfalls auch alle Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, Parteistellung.
b) bei den im §2 Abs1 lite angeführten baulichen Maßnahmen die in lita angeführten Personen, soferne die Zweckänderung die im §9 Abs1 lita und b angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen berühren kann;
c) bei den im §2 Abs1 litg angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die an das Grundstück, auf das sich die Bewilligung beziehen soll, angrenzen, bei der Errichtung von Stütz- und Futtermauern außerdem die Eigentümer jener Grundstücke, die von der geplanten Mauer nicht weiter als das Doppelte ihrer höchsten Höhe entfernt sind;
d) bei den im §2 Abs1 lith angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer der an die einzufriedende Seite des Bauplatzes angrenzenden und nicht weiter als Mauerhöhe entfernten Grundstücke sowie die Straßenerhalter öffentlicher Verkehrsflächen, die von der Einfriedung nicht weiter als deren Höhe entfernt liegen;
e) bei den im §2 Abs1 liti angeführten baulichen Maßnahmen sinngemäß die in lita bezeichneten Grundstückseigentümer;
2. die Eigentümer der Hauptversorgungseinrichtungen, die oder deren Sicherheitsabstand durch die geplante bauliche Maßnahme unmittelbar erfaßt werden."
b) Nach §25 Abs3 des Sbg. Bebauungsgrundlagengesetzes müssen die Bauten im Bauplatz so gelegen sein, daß ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von 3/4 ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m, haben.
Als einschlägige Vorschrift des Sbg. Bautechnikgesetzes, auf die im erstinstanzlichen Bescheid Bezug genommen ist, kommt §39 Abs2 dieses Gesetzes in Betracht, der wie folgt lautet:
"(2) Für Bauten und sonstige bauliche Anlagen oder Teile von solchen, die nach Größe, Lage oder Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Hygiene entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, können zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen weitergehende Auflagen erteilt werden; diese können sich insbesondere auf besondere Konstruktionen der Wände und Decken und die Errichtung von Brandwänden sowie auf die Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausgänge, Türen und Fenster und das Anbringen von Brandschutzeinrichtungen beziehen."
Diese Bestimmung stellt im Bauverfahren ein subjektiv-öffentliches Recht dar (§62 Z5 des Bautechnikgesetzes).
2. Beim Vorhaben der beteiligten Partei handelt es sich um einen Bau, der iS des §39 Abs2 des Bautechnikgesetzes nach seinem Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Hygiene entsprechen muß. Von der Baubehörde sind im Baubewilligungsverfahren zur Abwehr der nach dem Verwendungszweck des Baues möglichen Gefahren und Belästigungen - unabhängig von dem hier nicht maßgeblichen gewerberechtlichen Verfahren - entsprechende Auflagen erteilt worden.
Die Bf. sind der Auffassung, daß die Bestimmung des §7 Abs1 Z1 lita BauPolG gleichheitswidrig sei, weil im Verfahren zur Bewilligung von Bauten mit angeführten erhöhten Anforderungen die Parteistellung auf die in dieser Bestimmung angeführten Personen, insbesondere nur auf die Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, beschränkt ist.
Es mag nun dahingestellt sein, welche verfassungsrechtlichen Schranken dem Gesetzgeber bei Festlegung der Parteistellung über den Gleichheitssatz hinaus noch gesetzt sind (vgl. VfSlg. 8397/1978; zur Regelung der Parteistellung durch den einfachen Gesetzgeber VfSlg. 9195/1981, 8279/1978, 10605/1985). Der VfGH vermag keine Verfassungsbestimmung zu finden, nach der es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, die Parteistellung für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren, in dem es (bloß) auf die Wahrung baurechtlicher Interessen - nicht aber sonstiger, in anderen, insbesondere im gewerberechtlichen Verfahren zu wahrender Belange - ankommt, auf Personen zu beschränken, bei denen nach einer Durchschnittsbetrachtung der typischerweise vom Bauwerk selbst ausgehenden Gefahren durch eine Bauführung Nachbarinteressen betroffen werden. Wenn der Gesetzgeber unter diesem Gesichtspunkt die Parteistellung als Nachbar den Personen einräumt, deren Grundstücke von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als im §7 Abs1 Z1 lita festgelegt ist, kann ihm ebensowenig vorgeworfen werden, eine unsachliche Abgrenzung unter den als Nachbarn in Betracht kommenden Personen vorgenommen zu haben, wie es ihm unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes verwehrt wäre, im Hinblick auf die Besonderheiten der Gefährdungen bei Bauten mit erhöhten Anforderungen den Kreis der Personen, denen als Nachbarn Parteistellung zukommt, auszudehnen. Der Umstand, daß von den Bf. eine Regelung als rechtspolitisch wünschenswert erachtet wird, wonach bei Bauten mit erhöhten Anforderungen auch Eigentümern, deren Grundstücke von der Front des Baues weiter als 15 m entfernt sind, Parteistellung einzuräumen wäre (vgl. die Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, Eisenstadt 1980, S 138, 241), begründet keine Bedenken dahin, daß die geltende Bestimmung des §7 Abs1 Z1 lita BauPolG als eine gegen das Gleichheitsgebot verstoßende Regelung zu qualifizieren wäre.
Der VfGH findet keine Veranlassung, aus den in der Beschwerde vorgebrachten Gründen von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung einzuleiten.
In sonstiger Hinsicht sind gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verfassungsrechtliche Bedenken nicht vorgebracht worden. Beim VfGH sind solche Bedenken nicht entstanden.
3. a) Mit dem angefochtenen Bescheid ist die von den Bf. gegen die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Hallein erhobene Berufung mangels Parteistellung der Berufungswerber (Bf.) als unzulässig zurückgewiesen worden.
b) Die Beschwerde bringt nicht vor, daß die Zurückweisung der Berufung nicht dem Gesetz entsprochen hätte. Ist aber aufgrund eines verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetzes die Berufung zurückgewiesen worden, ist es ausgeschlossen, daß die Bf. in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurden (vgl. VfSlg. 9872/1983).
Es braucht daher auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden.
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides kann auch eine Verletzung der Bf. infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten nicht stattgefunden haben.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
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