Spruch:
I. Der Bf. ist durch seine am 27. Juni 1981 in Linz von Organen der Bundespolizeidirektion Linz verfügte Festnahme und anschließende Anhaltung in Haft sowie durch seine vorübergehende Fesselung mit Handschellen (im Zuge der Festnahme) weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen.
II. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. E G begehrte in seiner mit Berufung auf Art144 Abs1 B-VG an den VfGH gerichteten Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung, daß er am 27. Juni 1981 in Linz durch (der Bundespolizeidirektion Linz als bel. Beh. zuzurechnende) Amtshandlungen von Sicherheitswachebeamten, nämlich seine polizeiliche Festnahme, Anhaltung in Haft und Fesselung (mit Handschellen), ferner durch Schlagen und Würgen, demnach insgesamt durch Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, und zwar insbesondere auf persönliche Freiheit (Art8 StGG, Art5 MRK) und auf Unterlassung erniedrigender Behandlung (Art3 MRK) verletzt worden sei.
1.1.2. Die - durch die Finanzprokuraturvertretene - Bundespolizeidirektion Linz als bel. Beh. erstattete - unter Vorlage der Administrativakten - eine Gegenschrift und begehrte darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
1.2. Aus den Verwaltungsakten und dem Akt AZ 21 Vr 1765/81 des Landesgerichtes Linz geht hervor, daß (Polizei-)Revierinspektor A B von der Bundespolizeidirektion Linz den Bf. am 27. Juni 1981 um etwa
2.40 Uhr in Linz wegen des Verdachtes des Vergehens des (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§15, 269 StGB - in der Erscheinungsform des §12 StGB - aus dem Haftgrund des §175 Abs1 (Z1) StPO ohne richterlichen Befehl festnahm; ferner zeigen die Akten, daß der Festgenommene in diesem Zusammenhang polizeilich (vorübergehend) mit Handschellen gefesselt und im weiteren Verlauf - nach seiner Einvernahme - am selben Tag um 15.45 Uhr wieder aus der Haft entlassen wurde.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für die Festnehmung und anschließende Verwahrung (zB VfSlg. 7252/1974, 7829/1976, 8145/1977, 9860/1983, 10019/1984), aber auch für die zwangsweise Fesselung einer Person (mit Hand- oder Fußschellen) zutrifft (vgl. VfSlg. 7081/1973, 7377/1974, 8146/1977). Dabei wird unter dieser einer Beschwerdeführung zugänglichen "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" in der Bedeutung des Art144 Abs1 B-VG - nach herrschender Judikatur - nicht nur das "Ob", sondern auch das "Wie", dh. also die konkrete Gestaltung des jeweiligen Verwaltungsaktes, verstanden (s. zB VfSlg. 8126/1977, 8580/1979).
2.1.2. Demgemäß ist festzuhalten, daß die vorliegende Beschwerde - soweit sie die Festnahme, Anhaltung und Fesselung des Bf. zum Gegenstand hat - Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 B-VG bekämpft.
2.1.3. Da hier ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde im dargelegten Umfang zulässig.
2.2.1. Aufgrund der Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens, nämlich vor allen der - unter den obwaltenden Verhältnissen in den hier entscheidenden Punkten unbedenklichen - Aussagen der Zeugen Revierinspektor A B und Bezirksinspektor R W, wurde als erwiesen festgestellt, daß sich der Bf. am 27. Juni 1981 in Linz vor dem damals von zahlreichen, anscheinend über eine Festnahme aufgebrachten Personen belagerten Sicherheitswachzimmer Kaarstraße durch aneifernde Zurufe an Umstehende in einer Art und Weise verhielt, die - mag auch derartiges nicht beabsichtigt gewesen sein - den Umständen nach zumindest als Aufforderung zu gewaltsamen Angriffen auf einschreitende Polizeibeamte, und zwar mit dem Ziel, die zu Attackierenden an ihrer Dienstausübung zu hindern, gedeutet und aufgefaßt werden konnte.
2.2.2. Art8 StGG gewährt - ebenso wie Art5 MRK (s. VfSlg. 7608/1975, 8815/1980) - Schutz gegen gesetzwidrige "Verhaftung" (s. VfSlg. 3315/1958 ua.):
2.2.2.1. Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, das gemäß Art8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, bestimmt in seinem §4, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen dürfen. Gesetzliche Bestimmungen iS des §4 leg. cit. sind ua. die §§175 bis 177 StPO.
2.2.2.2. Der VfGH geht in rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes (s. Abschn. 1.2. sowie 2.2.1.) aus dem Blickwinkel der geltend gemachten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit davon aus, daß der Bf. im Dienst der Strafjustiz ohne richterlichen Haftbefehl festgenommen und verwahrt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob diese Freiheitsbeschränkung nach §177 (§10 Z1) StPO iVm. §175 StPO zulässig war. Gemäß §177 Abs1 (§10 Z1) StPO dürfen die vorläufige Verwahrung einer Person, die eines Verbrechens oder eines - nicht den Bezirksgerichten zur Aburteilung zugewiesenen - Vergehens verdächtig ist, in dem hier von der bel. Beh. herangezogenen und damit (s. VfSlg. 5232/1966; vgl. auch VfSlg. 9393/1982, 10019/1984) allein in Betracht kommenden Fall des Haftgrundes nach §175 Abs1 (Z1) StPO - so ua. bei Betretung auf frischer Tat - zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter ausnahmsweise auch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vornehmen.
Auf dem Boden des festgestellten Sachverhaltes konnte nun jener Beamte, der die Festnahme aussprach und (mit-)durchführte vertretbarerweise annehmen, daß der Bf. ein den Gerichtshöfen erster Instanz zur Aburteilung zugewiesenes Vergehen (zumindest im Versuchsstadium: §15 StGB) begangen habe, nämlich das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §269 Abs1 StGB, dessen sich schuldig macht, wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung, durch die Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt wird, hindert. Daran ändert nichts, daß ein später gegen den Bf. beim Landesgericht Linz zum AZ 21 Vr 1765/81 (wegen des Verdachtes nach §269 StGB) eingeleitetes Strafverfahren gemäß §90 StPO eingestellt wurde, weil es hier nicht auf die Richtigkeit des erhobenen Vorwurfs ankommt; es genügt vielmehr, wenn das amtshandelnde Sicherheitsorgan aus damaliger Sicht - nach Lage des Falles - mit gutem Grund (das ist vertretbar) der - subjektiven Auffassung sein durfte, daß die in Rede stehende Tat verübt worden sei (vgl. zB VfSlg. 10019/1984).
2.2.2.3. Unter all diesen Bedingungen war die Festnahme des Bf. durch §177 Abs1 Z1 StPO voll gedeckt:
Da die Amtshandlung aufgrund persönlicher Beobachtung des (Sicherheitswache-)Beamten an Ort und Stelle stattfand und im engsten zeitlichen Zusammenhang mit der vertretbarerweise bejahten (Straf-)Tat stand, waren die Voraussetzungen für eine Festnahme (durch Sicherheitsorgane aus Eigenmacht) wegen "Betretung auf frischer Tat" (§§12, 15, 269 Abs1 StGB) iS der Bestimmungen der Strafprozeßordnung erfüllt.
2.2.2.4. Nach §177 Abs2 StPO ist der von Sicherheitsorganen aus eigener Macht in Verwahrung genommene Verdächtige durch die Sicherheitsbehörde unverzüglich zur Sache und zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zu seiner weiteren Verwahrung vorhanden sei, sogleich freizulassen, sonst aber binnen achtundvierzig Stunden dem zuständigen Gericht einzuliefern.
Diesen Voraussetzungen wurde hier durchaus entsprochen. Von einer unnötigen, durch die Umstände nicht gerechtfertigten Verzögerung der Einvernahme und Entlassung des Festgenommenen aus der (Verwaltungs-)Haft kann - wie die Aktenlage zeigt - keinesfalls die Rede sein.
2.2.2.5. Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Bf. im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde.
2.2.3. Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958 (MRK), die gemäß dem Bundesverfassungsgesetz BGBl. 59/1964 im Verfassungsrang steht, bestimmt in ihrem Art3, daß niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf.
2.2.3.1. Aus dem WaffengebrauchsG 1969 ist abzuleiten, daß auch die als weniger gefährliche Maßregel eingestufte Anwendung von Körperkraft im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse, die sich als Mittel zur Überwindung eines auf Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung zielenden Widerstandes und zur Erzwingung einer Festnahme vom Waffengebrauch selbst nur graduell unterscheidet, denselben grundsätzlichen Einschränkungen wie der Waffengebrauch unterliegt, also zur Erreichung der vom Gesetz vorgesehenen Zwecke nur dann Platz greifen darf, wenn sie notwendig ist und maßhaltend vor sich geht, dann aber, dh. unter diesen Voraussetzungen, wie der Waffengebrauch selbst keineswegs gegen Art3 MRK verstößt. So stellt etwa eine notwendige zwangsweise Fesselung, wie der VfGH ua. bereits in seinen Erk. VfSlg. 7081/9173 und 8146/1977 aussprach, keine hier allein in Erwägung zu ziehende "unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" iS des Art3 MRK dar.
2.2.3.2. Berücksichtigt man den Grund, aber auch alle näheren Begleitumstände der Festnahme, die nach der Aktenlage im Gefolge eines tumultartigen Verhaltens einer Menschenmenge vor und im Wachzimmer Kaarstraße stattfand, war die vorübergehende (zwangsweise) Fesselung des Bf. - angesichts der besonderen konkreten Verhältnisse - grundsätzlich notwendig und geboten, und zwar namentlich zur Vermeidung einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit der dienstversehenden Polizeibeamten. Ob die Sicherheitsorgane dabei in jeder Beziehung rechtmäßig vorgingen, hatte der VfGH nicht zu prüfen: Mit Rücksicht darauf, daß die Fesselung nicht unter den Bedingungen geschah, die eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person erkennen ließen, ist hier eine vom VfGH allein wahrzunehmende Grundrechtsverletzung ausgeschlossen.
Beizufügen bleibt, daß das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren kein zureichendes tatsächliches Substrat erbrachte, das die begründete Annahme zuließe, die Behörde habe die Fesselung länger als notwendig (und unter unzumutbaren Begleitumständen) aufrechterhalten.
2.2.4. Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde im bisher erörterten Umfang - da im Verfahren weder die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hervorkam noch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den bekämpften Verwaltungsakten zugrundeliegenden Rechtsvorschriften entstanden - als unbegründet abzuweisen (Punkt I des Spruchs).
2.2.5. Was das weitere Beschwerdevorbringen zum Grundrecht nach Art3 MRK (Behauptung von Schlagen und Würgen) anlangt, so sieht sich der VfGH in Prüfung und Würdigung der Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens außerstande, den entsprechenden Behauptungen des Bf. - die Bezirksinspektor R W in den Verdacht der Täterschaft geraten lassen (s. hiezu S 3 des Protokolls über die Beweisaufnahme vor dem Bezirksgericht Urfahr-Umgebung vom 28. November 1984 sowie die Seiten 3qu vo., 385 vo. und 429 des Aktes des Landesgerichtes Linz AZ 21 Vr 1765/81) - uneingeschränkt zu folgen und die in der Beschwerdeschrift angeführten (vorsätzlichen) Mißhandlungen als erwiesen anzunehmen. Es stehen hier Aussagen gegen Aussagen: Auf der einen Seite die Parteiaussage des Bf. und die seine Darstellung - teilweise - stützenden Aussagen einiger Zeugen (F F, G K, G M, A S und A W), auf der anderen Seite die Angaben der Sicherheitswachebeamten (A B, R W, W H), die jede Mißhandlung teils ausdrücklich, teils der Sache nach in Abrede stellen. Sowohl gegen den Bf. - dessen polizeiärztlich festgestellte geringfügige Verletzung im Zuge des Vorfalls einen verläßlichen Schluß auf vorsätzliche Zufügung im übrigen nicht ziehen läßt - und die Zeugen F F, G K, G M, A S und A W als auch gegen den mit der Amtshandlung befaßten Bezirksinspektor R W wurden beim Landesgericht Linz unter dem AZ ... Vr 1765/81 Strafverfahren eingeleitet, die allesamt - mangels erweislicher Täterschaft bzw. erweislichen strafbaren Tatbestandes - gemäß §90 StPO zur Einstellung gelangten. Völlig unbeteiligte und unbefangene Augenzeugen der kritischen Vorgänge konnten im Verfahren vor dem VfGH aber nicht namhaft gemacht werden. Abschließend bleibt also festzustellen, daß - angesichts der gegebenen Sachlage, insbesondere aber mit Rücksicht auf das bereits geschilderte Ergebnis des gegen den verdächtigten Sicherheitswachebeamten anhängig gewesenen gerichtlichen Strafverfahrens - auch im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren eine hinreichende Klärung der maßgebenden Vorfälle und damit ein Nachweis der behaupteten Mißhandlungen nicht möglich war (Punkt II des Spruchs).
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