VfGH V5/85,V39/85

VfGHV5/85,V39/85V5/85,V39/8515.10.1985

Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 23. Juni 1981 über Kanalisationsbeiträge; Verordnungscharakter der Kundmachung; entgegen §4 Abs2 Stmk. KanalabgabenG 1955 vom Bürgermeister anstatt vom Gemeinderat erlassen; Gesetzwidrigkeit der V

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Stmk KanalabgabenG 1955 §4 Abs2
KanalabgabenO der Landeshauptstadt Graz vom 13.05.71 §3 Abs3
Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 23.06.81 über Kanalisationsbeiträge
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Stmk KanalabgabenG 1955 §4 Abs2
KanalabgabenO der Landeshauptstadt Graz vom 13.05.71 §3 Abs3
Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 23.06.81 über Kanalisationsbeiträge

 

Spruch:

Die Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 23. Juni 1981 über Kanalisationsbeiträge, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel im Rathaus am 1. Juli 1981 und durch Verlautbarung im ABl. der Landeshauptstadt Graz 1981, Nr. 15, S 238, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Stmk. Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im LGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit zwei, beim VfGH angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 7. Juli 1983 und vom 17. Mai 1984 wurden den Bf. jeweils Kanalisationsbeiträge aufgrund der §§2, 3 und 4 des Kanalabgabengesetzes 1955, LGBl. 71 idF LGBl. 40/1971, iVm. den §§2 und 3 der V des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Mai 1971, Z A 8-4/29-1971, zur Leistung vorgeschrieben. In beiden Fällen entstand die Beitragspflicht im Jahre 1981 bzw. 1982 (Fertigstellung von Bauwerken bzw. Anschluß an das öffentliche Kanalnetz iS des §2 des Kanalabgabengesetzes 1955). Diese beiden Beschwerden sind beim VfGH zu B528/83 bzw. B560/83 protokolliert.

Die Bf. erachten sich in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, die zu B528/83 bf. Gesellschaft auch wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V. Es wird die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den VwGH beantragt.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerden hat der VfGH mit seinem Beschluß vom 4. Dezember 1984, B528/83, B560/84, entschieden, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 23. Juni 1981 über Kanalisationsbeiträge, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel im Rathaus am 1. Juli 1981 und durch Verlautbarung im ABl. der Landeshauptstadt Graz 1981, Nr. 15, S 238, zu prüfen.

3. Diese Kundmachung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz hat folgenden Wortlaut:

"Gemäß §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung der Landeshauptstadt Graz vom 13. 5. 1971, A 8-400/29-1971, in der Fassung des GRB vom 15. 12. 1980, A 8-19/4-1980, gilt ab 1. 7. 1981 ein für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages zugrundezulegender Einheitssatz von S 169,32 (inklusive Umsatzsteuer) pro Meter, für nicht Wohnzwecken dienenden Gebäude (Gebäudeteile) land- und forstwirtschaftliche Betriebe und für die dazugehörigen Hofflächen, deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt, die Hälfte des Einheitssatzes, somit S 84,66 (inklusive Umsatzsteuer) und für unbebaute Flächen (in Quadratmetern) mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage ein Zehntel des Einheitssatzes, somit S 16,93 (inklusive Umsatzsteuer)."

Diese Kundmachung wurde durch Anschlag an der Amtstafel im Rathaus ab 1. Juli 1981 und im ABl. der Landeshauptstadt Graz 1981, Nr. 15, S 238, verlautbart.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Mit der in Prüfung gezogenen Kundmachung legte der Bürgermeister gemäß §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung fest, daß ab 1. 7. 1981 für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages ein Einheitssatz von 169,32 S pro m gilt.

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz bestreitet in seiner Äußerung den Verordnungscharakter der Kundmachung. Die Kundmachung bei einer sich aufgrund der Änderung des Baukostenindex ergebenden Änderung der Einheitssätze erfolgten in Vollziehung des §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung und hätten lediglich deklaratorischen Charakter; da der Baukostenindex veröffentlicht werde, sei die Höhe des Einheitssatzes unmittelbar aus §3 Abs3 der Kanalabgabenordnung für die Rechtsunterworfenen ableitbar.

Mit diesen Ausführungen ist der Bürgermeister nicht im Recht. Wie der VfGH im Erk. vom 16. März 1983, VfSlg. 9676/1983 ausgeführt hat, bindet die Kundmachung des jeweils geltenden Einheitssatzes die Vollziehung im Einzelfall an die der Kundmachung zugrundeliegende Berechnungsmethode und an das Ergebnis dieser Berechnung. Das gibt den Kundmachungen einen allgemein verbindlichen, die Rechtslage der Betroffenen gestaltenden Charakter (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH, zB VfSlg. 9247/1981).

Die Kundmachung ist daher V iS des Art139 B-VG.

b) Der VfGH ist in seinem Prüfungsbeschluß weiters davon ausgegangen, daß die bel. Beh. bei der Bemessung der Kanalisationsbeiträge die mit der in Prüfung gezogenen Kundmachung des Bürgermeisters vom 23. Juni 1981 ab 1. Juli 1981 festgelegten Einheitssätze angewendet hat, daß die Behörde, selbst wenn sie die Kundmachung bei Berechnung der Kanalisationsbeiträge tatsächlich nicht angewendet haben sollte, die Kundmachung jedenfalls anzuwenden gehabt hätte und daß auch der VfGH die Kundmachung in den Anlaßbeschwerdeverfahren anzuwenden hätte.

Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nichts ergeben, was gegen diese vorläufige Annahme des VfGH spräche. Die erstinstanzlichen Bescheide begründen die Höhe des Kanalisationsbeitrages lediglich damit, daß "der Einheitssatz mit Wirksamkeit vom 1. 7. 1981 S 169,32" beträgt.

c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

Bemerkt sei, daß die verfassungsrechtlich unangreifbare Bestimmung des §3 Abs3 der V vom 13. Mai 1971 (Aufhebung unter Setzung einer Frist mit dem genannten Erk. vom 16. März 1983) hier ebenfalls angewendet wurde.

2. Der VfGH hat in seinem Prüfungsbeschluß gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen V das Bedenken geäußert, daß mit der Kundmachung der Einheitssatz vom Bürgermeister festgelegt zu sein scheint, was jedoch nach §4 Abs2 erster Satz Kanalabgabengesetz 1955 dem Gemeinderat vorbehalten sei.

Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nichts ergeben, was dieses Bedenken widerlegt; es wurde diesbezüglich auch nichts vorgebracht.

§4 Abs2 Kanalabgabengesetz 1955 beruft den Gemeinderat, den Einheitssatz festzusetzen. Davon abweichend hat aber der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz die in Prüfung gezogene V erlassen, wozu ihn auch keine andere Gesetzesbestimmung - wie etwa das Statut der Landeshauptstadt Graz - ermächtigt.

Die in Prüfung gezogene V wurde daher von einem unzuständigen Organ erlassen, was sie mit Rechtswidrigkeit belastet. Sie ist daher nach Art139 Abs1 B-VG aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

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