Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EStG §4 Abs1
EStG §4 Abs3
EStG §18 Abs1 Z4
EStG §37 Abs2 Z3
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EStG §4 Abs1
EStG §4 Abs3
EStG §18 Abs1 Z4
EStG §37 Abs2 Z3
Spruch:
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Bf. ist Zivilingenieur für Kulturtechnik und ermittelte seinen Gewinn bis 1976 durch Betriebsvermögensvergleich (§4 Abs1 EStG). Da nach seiner Darstellung die Zahlungen der Gebietskörperschaften, die seine hauptsächlichen Auftraggeber sind, oft mit großer Verzögerung erfolgen, ging er mit Beginn des Jahres 1977 von dieser Gewinnermittlungsart zur Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§4 Abs3 EStG) über. Dabei wurde vom laufenden Gewinn des Jahres 1977 in der Höhe von 218394 S, der durch den Übergang entstandene rechnerische Verlust in der Höhe von 4028455 S, in Abschlag gebracht. Den verbliebenen Übergangsverlust machte der Bf. in den Jahren 1978 und 1979 als Sonderausgabe (§18 Abs1 Z4 EStG) geltend.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid verweigerte die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. den Abzug, weil der Verlust nicht aufgrund ordnungsgemäßer Buchführung ermittelt worden sei und Übergangsverluste nicht abzugsfähig seien.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, die eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz rügt. Der aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung (Bilanzierung) ermittelte Verlust sei vortragsfähig - §18 Abs1 Z4 nenne ausdrücklich Verluste, die nach §4 Abs1 ermittelt worden seien - und müsse zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung berücksichtigt werden, weil sonst die bereits im Vermögensvergleich berücksichtigten Forderungen bei der Einnahmenüberschußrechnung als Eingänge neuerlich besteuert würden.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Der VfGH hat sich bereits wiederholt mit Fragen des Überganges von einer Gewinnermittlungsart zu einer anderen beschäftigt. So ist er im Erk. VfSlg. 7096/1973 unter Hinweis auf VfSlg. 5933/1969 davon ausgegangen, daß beim Übergang von der Gewinnermittlung nach §4 Abs3 zur Gewinnermittlung nach §4 Abs1 EStG die bisher nicht berücksichtigten Betriebsvorgänge durch Hinzurechnung oder Abrechnung zu berücksichtigen sind, weshalb es nicht denkunmöglich sei, Übergangsgewinne (und zwar seit der Nov. BGBl. Nr. 202/1965 als außerordentliche Einkünfte) zu besteuern. Ferner hat er in den Erk. VfSlg. 7981/1977 und 8300/1978 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VwGH ausgesprochen, daß das Wesen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen iS des §17 EStG darin bestehe, daß durch die Pauschalierung alle Geschäftsfälle abgegolten seien, für die die Abgabenbemessungsgrundlagen "pauschal" ermittelt wurden; damit aber sei es unvereinbar, Erlöse aus der Zeit der Durchschnittssatzbesteuerung, die noch keinen geldmäßigen Niederschlag gefunden haben, später nochmals zu besteuern; wer von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zur Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschußrechnung übergehe, würde dadurch gegenüber anderen Steuerpflichtigen unsachlich benachteiligt und im Gleichheitsrecht verletzt.
Insoweit ist nun der Übergang vom Vermögensvergleich zur Einnahmenüberschußrechnung dem Übergang von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Einnahmenüberschußrechnung durchaus vergleichbar. Die offenen Forderungen werden beim Vermögensvergleich bereits als Aktiven berücksichtigt, ob sie nun in diesem Jahr schon eingegangen sind oder nicht. Sie im Zeitpunkt ihres Einganges neuerlich zu berücksichtigen kommt daher einer zweiten Besteuerung gleich.
Die bel. Beh. räumt auch ein, daß der Verlustabzug zur Vermeidung der Doppelbesteuerung notwendig ist:
"Infolge der Verschiedenheit der Gewinnermittlungsmethoden werden die Erträge bei den einzelnen Gewinnermittlungsarten oft nicht zum selben Zeitpunkt erfaßt. Aus der grundsätzlichen Vorschrift des §4 Abs1 EStG 1972 in Verbindung mit §6 ergibt sich die Absicht des Gesetzgebers, alle wirtschaftlichen Vorfälle, die sich in einem bestimmten Besteuerungszeitraum ereignen und deren Erträge an sich steuerpflichtig sind, lückenlos zu erfassen und bei einer Aufeinanderfolge mehrerer Steuerzeiträume keinen Vorfall doppelt zu erfassen, aber auch keinen endgültig unberücksichtigt zu lassen ...
Beim Wechsel in der Gewinnermittlungsart sind daher entsprechend der Eigenart der bisherigen und der neuen Methode der Gewinnermittlung die bei der bisherigen Gewinnermittlungsart bereits berücksichtigten und bei der neuen neuerlich anzusetzenden Betriebsvorfälle durch Zuschläge bzw. Abschläge zu erfassen bzw. auszuscheiden. Der Zuschlag bzw. Abschlag hat zu dem bzw. von dem erstmals nach der neuen Methode ermittelten Gewinn (Verlust) zu erfolgen. Durch den Zu- oder Abschlag wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart wird wohl die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, nicht aber der Erfolg des Übergangsjahres berührt. Die Maßnahme stellt nur einen Zu- oder Abschlag zu bzw. von diesem Gewinn dar. Der Zu- oder Abschlag hat daher keinen Einfluß auf die Höhe der gewinnabhängigen Betriebsausgaben ...
Er ist aber mit anderen (positiven) Einkünften auszugleichen ... Ist dieser Verlustausgleich im Übergangsjahr zur Gänze möglich, so ist dem Grundsatz der lückenlosen aber nur einmaligen Erfassung der Erträge voll Rechnung getragen."
Sie fährt dann aber fort - und darin kann ihr der VfGH nicht folgen -:
"Für den vorliegenden Beschwerdefall liegt die Sache so, daß im Jahre 1977 ... die übrigen (positiven) Einkünfte nicht ausreichten, um den Abschlag (Verlust) anläßlich des Überganges von der Gewinnermittlungsart nach §4/1 EStG zur Gewinnermittlungsart nach §4/3 EStG völlig zu kompensieren.
Hierzu ist aber anzumerken, daß der Bf. die Gewinnermittlungsart freiwillig gewechselt hat. Er mußte sich des Risikos bewußt sein, daß eine völlige Kompensation in Form des Verlustvortrages nicht möglich sein wird. Es hätte ihm freigestanden, bei der Gewinnermittlungsart nach Betriebsvermögensvergleich zu bleiben."
Soweit sie damit nämlich zum Ausdruck bringen will, daß ein solcher Verlustvortrag zwar wirtschaftlich angebracht wäre, vom Gesetz aber nicht gestattet sei, gibt sie ihre eigene Prämisse auf. Die Behandlung des Übergangsverlustes ist im Gesetz eben nicht ausdrücklich geregelt (vgl. Hofstätter - Reichel, Einkommensteuer III/A, RdZ 7 zu §4 allgemein), sondern muß aus dem Grundsatz erschlossen werden, daß kein Vorfall doppelt zu erfassen ist und keiner endgültig unberücksichtigt bleiben darf. Im Hinblick auf diesen Grundsatz ist die These, daß nach §18 Abs1 Z4 EStG der Übergangsverlust deshalb nicht vortragsfähig sei, weil "kein aufgrund einer Buchführung, sondern ein durch Gegenüberstellung einzelner Besitz- und Schuldposten ermittelter Verlust" vorliege (Schubert - Pokorny - Schuch, Einkommensteuerhandbuch, 1973, 127 iVm. 125), und der Abschlag überdies erst im ersten Jahr der neuen Gewinnermittlungsart erfolge, in dem bereits nach der Einnahmenüberschußrechnung vorzugehen sei, schlechterdings unverständlich. Denn die Vortragsfähigkeit dieses Verlustes ergibt sich nicht aus §18 selbst, sondern aus den Grundsätzen über den Wechsel der Gewinnermittlungsart.
Wenn die Behörde schließlich darauf verweist, daß der VwGH im Erk. Z 216/63 vom 18. Oktober 1963 (VwSlg. 2957/F) für den Übergang von der vereinfachten Gewinnermittlung nach §4 Abs3 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach §4 Abs1 EStG die Vortragsfähigkeit des Abschlages mit der Begründung abgelehnt habe, er erhöhe nicht den Verlust, sondern stelle nur einen zusätzlichen Abschlag dar (wie die Erhöhung der Bemessungsgrundlage einen bloßen Gewinnzuschlag), und deshalb der Meinung ist, ein Verlustvortrag im umgekehrten Fall würde Gleiches ungleich behandeln, so ist ihr der schon in VfSlg. 5933/1969 hervorgehobene Umstand entgegenzuhalten, daß die Einkommensteuernovelle 1965 auch den Zuschlag zum Gewinn des Übergangsjahres ausdrücklich als "Übergangsgewinn" den außerordentlichen Einkünften zugeordnet hat (§§34 Abs2 Z3 EStG 1953 und EStG 1967). §37 Abs2 Z3 EStG 1972 spricht in diesem Zusammenhang vollends von "Gewinnen", die "infolge eines Wechsels der Gewinnermittlungsart entstehen", sodaß sich eine Auseinandersetzung mit der genannten Rechtsprechung des VwGH erübrigt (vgl. auch Schubert - Pokorny - Schuch aaO 125). Hat der Gesetzgeber durch Ermäßigung des Steuersatzes für Übergangsgewinne darauf Bedacht genommen, daß diese regelmäßig durch die (zusammengeballte) Berücksichtigung von Betriebsvorfällen entstehen, die sonst verteilt auf mehrere Wirtschaftsperioden zu erfassen wären (VwGH 10. September 1980 Z 12/80), so darf auch die Berücksichtigung von Übergangsverlusten nicht am Mangel entsprechend hoher laufender Gewinne scheitern. Es würde dies eben jenen Erfolg herbeiführen, den der VfGH in den Erk. VfSlg. 7981/1977 und 8300/1978 als gleichheitswidrig verworfen hat. Diesen gleichheitswidrigen Inhalt hat die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise unterstellt.
Sie hat dadurch den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
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