VfGH B357/81

VfGHB357/813.3.1982

Art144 Abs1 B-VG; Hausdurchsuchung in Vollziehung eines schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehles nach §93 Abs1 Finanzstrafgesetz; keine unmittelbare Anfechtbarkeit der Hausdurchsuchung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
FinStrG §93 Abs1
FinStrG §152 Abs1
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
FinStrG §93 Abs1
FinStrG §152 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.1. Unter Berufung auf §93 Abs1 FinStrG erließ das Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz am 25. Mai 1981 zur Z FP F 1/1980-Gr je einen schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehl gegen die Eheleute Dr. F. Sch. und M. Sch. in 6060 Hall i. T., M-Straße 27, zur Vornahme einer Hausdurchsuchung "in der Wohnung und sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten sowie in den Wirtschafts-, Gewerbe- und Betriebsräumen", weil - wie es in der Begründung dieser beiden Befehle sinngemäß zusammengefaßt heißt - der Verdacht bestehe, daß Dr. F. Sch. in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der "F-W Gesellschaft mbH" in Innsbruck in den Jahren 1975 bis 1978 und M. Sch. als Geschäftsführerin dieses Unternehmens ab 1. September 1979 das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §33 Abs1 FinStrG begangen hätten, und mit Grund anzunehmen sei, daß die Verdächtigen Unterlagen und Aufzeichnungen verwahrten, die in diesem Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen.

Die solcherart angeordnete Hausdurchsuchung wurde von Organen des Finanzamtes Innsbruck am 3. Juni 1981 in den Wohn- und Betriebsräumen der - damals urlaubsbedingt abwesenden - Verdächtigen durchgeführt. Dabei wurden Ausfertigungen der Hausdurchsuchungsbefehle der Tochter der beiden Betroffenen und dem vertretungsweise tätigen Kanzleigeschäftsführer des Dr. F. Sch. ausgehändigt.

1.2.1. In ihrer gemeinsam ausgeführten Beschwerde an den VfGH gemäß Art144 Abs1 B-VG begehrten Dr. F. Sch. und M. Sch. die kostenpflichtige Feststellung, daß sie durch die geschilderten, dem Finanzamt Innsbruck als belangter Behörde zuzurechnenden Amtshandlungen vom 3. Juni 1981, und zwar durch Vornahme einer Hausdurchsuchung sowohl in ihren Wohn-, als auch in ihren Betriebsräumen, demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden seien, so im Hausrecht (Art9 StGG) und im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZP zur MRK); hilfsweise wurde die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

1.2.2. Das Finanzamt Innsbruck als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Zurückweisung, gegebenenfalls die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für Hausdurchsuchungen in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren zutrifft, die nicht auf Grund eines - sie anordnenden - verwaltungsbehördlichen Bescheides stattfanden.

Der VfGH sprach bereits aus - und hält an dieser Rechtsauffassung fest -, daß ein schriftlicher Hausdurchsuchungsbefehl nach §93 Abs1 FinStrG - weil die Rechtslage des Betroffenen der Finanzbehörde gegenüber bindend gestaltend als solcher Bescheid anzusehen ist (VfSlg. 7067/1973).

Daraus folgt, daß die bekämpften Verwaltungsakte vom 3. Juni 1981 nur dann einer selbständigen Anfechtung vor dem VfGH unterlägen, wenn sie nicht durch bescheidmäßig verfügte Hausdurchsuchungsbefehle gedeckt gewesen wären.

Diese Rechtsansicht entspricht der ständigen Judikatur des VfGH über die Unzulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG gegen jene Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen, die von Verwaltungsbehörden (oder ihren Hilfsorganen) auf Grund eines richterlichen Befehls durchgeführt werden (vgl. zB VfSlg. 5012/1965, 6815/1972, 6829/1972, 7203/1973 und 8248/1978; VfGH 26. 11. 1981 B650/80). Sie steht aber auch im Einklang mit der in wiederholten Erkenntnissen vertretenen Rechtsanschauung des VfGH, daß eine mit verwaltungsbehördlichem Bescheid verfügte Beschlagnahme nicht unmittelbar Gegenstand einer Beschwerdeführung nach Art144 Abs1 B-VG sein kann (s. zB VfSlg. 2450/1952, 3848/1960, 4947/1965, 5720/1968 und 9269/1981). Die allerdings im Erk. VfSlg. 3592/1959 und, ihm folgend, auch im Erk. VfSlg. 7067/1973 zum Ausdruck kommende abweichende Meinung, die Erlassung und der Vollzug eines Hausdurchsuchungsbefehls nach §93 Abs1 FinStrG bilde keinen einheitlichen normativen Akt, kann - soweit der Inhalt der Vollzugsmaßnahmen bereits durch den bescheidmäßigen Befehl bindend bestimmt ist - angesichts der eingangs zitierten Rechtsprechung des VfGH nicht länger aufrecht erhalten werden (s. früher auch VfSlg. 2019/1950).

Daß die bekämpfte Durchsuchung jedoch über die in den (bescheidmäßigen) Hausdurchsuchungsbefehlen vom 25. Mai 1981 enthaltenen Durchsuchungsanordnungen hinausgegangen wäre, wurde in der Beschwerdeschrift gar nicht behauptet und geht auch aus den Akten nicht hervor.

2.1.2. Demgemäß erweist sich, daß die in Beschwerde gezogenen Verwaltungsakte vom 3. Juni 1981, die ihre rechtliche Grundlage allein in den vom Finanzamt Innsbruck am 25. Mai 1981 gemäß §93 Abs1 FinStrG - (bescheidmäßig) gegen die beiden namentlich bezeichneten Beschwerdeführer - erlassenen Hausdurchsuchungsbefehlen hatten, iS der unter 2.1.1. vertretenen Rechtsmeinung beim VfGH nicht unmittelbar anfechtbar sind, weshalb die auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde bereits aus dieser Erwägung als unzulässig zurückgewiesen werden mußte, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen im einzelnen eingegangen zu werden brauchte.

2.2. Dieses Ergebnis bliebe unverändert, wollte man die Beschwerde - ihrem ausdrücklichen Wortlaut zuwider - als gegen die Bescheide (die "Hausdurchsuchungsbefehle") vom 25. Mai 1981 selbst gerichtet werten:

Denn diese Bescheide unterliegen, weil nicht ein Rechtsmittel gesetzlich für unzulässig erklärt wurde, der Anfechtung mit Beschwerde gemäß §152 Abs1 FinStrG (VfSlg. 7067/1973). Da nach Art144 Abs1 letzter Satz B-VG (§82 Abs1 VerfGG 1953) Beschwerde an den VfGH erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden kann, wäre im gedachten Fall - angesichts der gegen die Hausdurchsuchungsbefehle offen gestandenen Administrativbeschwerde gemäß §152 Abs1 FinStrG nämlich gleichermaßen ein Prozeßhindernis, und zwar der Unzuständigkeitsgrund der Nichterschöpfung des Instanzenzuges, zu bejahen.

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