VfGH B366/79

VfGHB366/7929.9.1982

Art144 B-VG; Bindungswirkung aufhebender Erkenntnisse des VwGH

Nö. Flurverfassungs-Landesgesetz 1975; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung der §§17 und 21; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art12 Abs2
StGG Art5
AgrBehG §5 Abs2
Nö FlVfLG 1975 §17
Nö FlVfLG 1975 §21
VwGG §63 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art12 Abs2
StGG Art5
AgrBehG §5 Abs2
Nö FlVfLG 1975 §17
Nö FlVfLG 1975 §21
VwGG §63 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Nö. Agrarbezirksbehörde vom 4. März 1968 wurde gemäß §6 Abs1 und 7 des Gesetzes vom 24. Oktober 1934, betreffend die Regelung der Flurverfassung, LGBl. 208/1934, hinsichtlich sämtlicher Grundstücke der Katastralgemeinde Gallbrunn das Zusammenlegungsverfahren eingeleitet. Hinsichtlich sämtlicher Grundstücke der benachbarten Katastralgemeinde Stixneusiedl erfolgte die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens mit Bescheid der Nö. Agrarbezirksbehörde vom 8. März 1968. Mit dem Bescheid vom 9. Mai 1969 ordnete die Agrarbehörde erster Instanz in beiden Verfahren die Auflegung der Besitzstandsausweise und Bewertungspläne an. Die vorläufige Übernahme der Abfindungsgrundstücke wurde sodann für das Zusammenlegungsverfahren Stixneusiedl mit Bescheid vom 14. September 1969 und für das Zusammenlegungsverfahren Gallbrunn mit Bescheid vom 11. November 1969 verfügt. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Der Zusammenlegungsplan hinsichtlich dieser beiden Verfahren wurde in der Zeit vom 11. Feber bis 25. Feber 1972 zur öffentlichen Einsicht aufgelegt.

Gegen den Zusammenlegungsplan haben die beiden Beschwerdeführer Berufung erhoben, welche mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Nö. Landesregierung vom 27. Jänner 1976 abgewiesen wurde.

Auf Grund der von den Beschwerdeführern eingebrachten Beschwerde hob der VwGH mit Erk. vom 13. April 1978, Z 619/76, den Bescheid des Landesagrarsenates wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der VwGH begründete seine Entscheidung damit, das Gutachten des sachverständigen Senatsmitgliedes des höheren technischen Agrardienstes sei den Beschwerdeführern entgegen der Vorschrift des §45 Abs3 AVG nicht vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landesagrarsenat zur Kenntnis gebracht worden. Dieser Verfahrensmangel erweise sich deshalb als wesentlich, weil sich die Beschwerdeführer ansonsten bereits im Verwaltungsverfahren mit diesem Gutachten hätten auseinandersetzen können und in die Lage versetzt worden wären, ein Gegengutachten vorzulegen, wie dies im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geschehen sei.

2. Mit dem Ersatzbescheid vom 6. Juni 1979 hat der Landesagrarsenat die Berufung der Beschwerdeführer gemäß §66 Abs4 AVG im Zusammenhang mit den §§17 und 21 des Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975 (FLG 1975), LGBl. 6650-2, abgewiesen und die Zusammenlegungspläne Gallbrunn und Stixneusiedl hinsichtlich der Gesamtabfindung der beiden Beschwerdeführer bestätigt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend machen und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragen.

4. Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der VfGH steht seit dem Erk. VfSlg. 7330/1974 in ständiger Rechtsprechung auf dem Standpunkt, daß er auch im Falle einer Beschwerde gegen den Ersatzbescheid auf Grund eines Erk. des VwGH die Verfassungsmäßigkeit des angewendeten Gesetzes ohne Rücksicht darauf zu beurteilen hat, daß der VwGH anläßlich des bei ihm anhängig gewesenen Verfahrens keine verfassungsrechtlichen Bedenken gefunden hatte. Käme der VfGH zu dem Ergebnis, daß - infolge der Möglichkeit verfassungskonformer Auslegung - die Verfassungswidrigkeit nicht in der Norm, sondern in dem (wenngleich bindungsgemäß ergangenen) Bescheid der Verwaltungsbehörde liegt, so hätte er nicht etwa das (unbedenkliche) Gesetz, sondern nur den bei ihm angefochtenen Bescheid aufzuheben (vgl. VfSlg. 8536/1979, S 268).

2. Soweit das Vorbringen der Beschwerdeführer als Geltendmachung von Bedenken gegen die Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides verstanden werden kann, teilt der VfGH diese Bedenken aus folgenden Erwägungen nicht:

a) Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, daß "die Zusammensetzung der Kollegialbehörde, Landesagrarsenat, welcher als Tribunal iS des Art6 der MRK über zivilrechtliche Ansprüche zu entscheiden hat, denkunlogisch" sei. Gemäß §5 Abs2 bzw. §6 Abs2 des Agrarbehördengesetzes 1950 idF der Nov. BGBl. 476/1974 gehörten dem Senat grundsätzlich drei Sachverständige als beamtete Mitglieder mit Stimmrecht an, gleichgültig, ob die Notwendigkeit der Beiziehung aller drei Sachverständigen bestehe. Nicht nur, daß bei Abgabe des Stimmrechtes jeweils zwei Sachverständige das Stimmrecht für eine fachfremde Materie ausübten, sei auch die gemäß §11 Abs2 Agrarverfahrensgesetz 1950 normierte Reihenfolge der Abstimmung nicht gewährleistet, weil das durch den agrartechnischen Sachverständigen abgegebene Gutachten, soweit es sich nur um eine Fachfrage handelt, bekannt sei, woraus auch auf seine abzugebende Stimme geschlossen werden könne, zumal die Abstimmung nicht geheim sei.

Hiezu ist auf die Erk. VfSlg. 8729/1980 und 8736/1980 zu verweisen, wo der VfGH zu einem ähnlich gelagerten Vorbringen festgestellt hat, daß das Vorbringen deshalb nicht zutrifft, weil Art12 Abs2 B-VG die Mitwirkung von Sachverständigen als Mitglieder der Agrarsenate ausdrücklich vorsieht. Selbst wenn man dem Argument der Beschwerdeführer betreffend die Reihenfolge bei der Abstimmung folgte, ergäbe sich allein daraus kein Verstoß gegen eine verfassungsgesetzliche Bestimmung.

b) Die Beschwerdeführer halten die Zusammensetzung des Agrarsenates als Tribunal deshalb für bedenklich, weil für die Mitglieder der Senate, soweit diese nicht dem Richterstand angehören, nur Weisungsfreiheit und nicht auch Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit vorgesehen sei.

Der VfGH hat ähnlich gelagerte Bedenken betreffend Mitglieder von Grundverkehrsbehörden deshalb nicht geteilt, weil diese während ihrer gesetzlich festgelegten Amtszeit nur aus bestimmten, im Gesetz ausdrücklich genannten Gründen des Amtes enthoben werden können (vgl. VfSlg. 8309/1978 betreffend die Oö. Landes-Grundverkehrskommission, VfSlg. 8317/1978 betreffend die Stmk. Grundverkehrs-Landeskommission und VfSlg. 8501/1979 betreffend die Tir. Landesgrundverkehrsbehörde). Diese Erwägungen haben auch im vorliegenden Fall Gültigkeit, weil nach §9 Abs2 des Agrarbehördengesetzes 1950 idF der Nov. LGBl. 476/1974 das Amt eines Mitgliedes oder Ersatzmannes eines Agrarsenates nur mit dem Ablauf der Amtsdauer, dem Wegfall der für die Bestellung erforderlichen Voraussetzungen und - bei Personen, die keine Richter oder Beamte sind - mit einer strafgerichtlichen Verurteilung, die bei einem Beamten den Verlust des Amtes nach sich ziehen würde, endet.

c) Nach Auffassung der Beschwerdeführer bewirkt der Umstand, daß nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951 und des FLG 1975 der Bewertungsplan bei Planauflage bereits in Rechtskraft erwachsen sei, ohne daß die Partei "ihre künftige Lage der Abfindung" kenne, eine "Ungleichheit vor dem Gesetz". Der Abfindungswerber, der seine Abfindung aus eigenen Altgrundstücken erhalte, kenne nämlich "seine Bonitäten". Auch der Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen sei, sobald er in Rechtskraft erwachsen ist, "ein Hindernis im Falle einer Zuteilung an einer unrichtig errichteten Anlage".

Dazu genügt der Hinweis, daß keiner Partei von vorneherein bekannt ist, mit welchen Grundstücken sie abgefunden werden wird. Es bleibt den Parteien unbenommen, sich für die Bewertung aller in das Verfahren einbezogenen Grundstücke zu interessieren.

3. Soweit sich die Beschwerdeführer ansonsten im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt erachten, ist auf die oben unter Pkt. II.1. zitierte Rechtsprechung des VfGH zur Bindungswirkung aufhebender Erk. des VwGH hinzuweisen, aus der sich ergibt, daß dann, wenn gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken bestehen und auch keine nicht verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes vorliegt, ein mit der Rechtsanschauung des VwGH übereinstimmender Ersatzbescheid - wie der vorliegende - bei ungeänderter Sach- und Rechtslage keiner weiteren Überprüfung im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH zugänglich ist. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführer betreffend die konkrete Zusammensetzung und die Zuständigkeit des Landesagrarsenates ist daher deshalb nicht weiter einzugehen, weil sich die Bindung an die Rechtsanschauung des VwGH auch auf solche Fragen erstreckt, die der VwGH zwar nicht ausdrücklich behandelt hat, die aber eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt seines aufhebenden Erk. darstellen. Demgemäß setzt die Aufhebung eines Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften die Bejahung der Zuständigkeit der belangten Behörde und ihrer dem Gesetz entsprechenden Zusammensetzung voraus (vgl. VfSlg. 8536/1979 S 267).

4. Hinsichtlich der Abfindung - über deren Rechtmäßigkeit der VwGH im Erk. vom 13. April 1978 nicht abgesprochen hat, sodaß diesbezüglich keine Bindung an dieses Erk. besteht - erblicken die Beschwerdeführer darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, daß die Abfindungsfläche um 1,4 ha geringer sei und von einem zumindest gleichen Betriebserfolg keine Rede sein könne. Im Eigentumsrecht fühlen sich die Beschwerdeführer deshalb verletzt, weil durch den Flächenverlust von 1,4 ha ein Wertverlust von rund S 700.000,-

eingetreten sei.

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, die Abfindungsgrundstücke seien um 1,0542 ha kleiner als das Ausmaß der von den Beschwerdeführern eingebrachten Grundstücke. Davon entfielen 0,4567 ha auf den Flächenbeitrag zu den gemeinsamen Anlagen gemäß §13 Abs2 FLG 1975 und 0,5975 ha auf Flächenverluste zufolge Bonitätsverbesserungen. Der Wert der Grundabfindung weise einen Unterschied von 6,27 Punkten, das seien 0,2 v.T. gegenüber dem Abfindungsanspruch auf. Dieser Unterschied sei iS des §17 Abs7 FLG 1975 unerheblich. Auch die Beschwerdeführer behaupten nicht, daß diese Feststellungen der belangten Behörde denkunmöglich seien. Ob sie richtig sind, hat der VfGH nicht zu beurteilen. Die belangte Behörde hat örtliche Erhebungen durch abgeordnete Senatsmitglieder durchgeführt, ein Gutachten eingeholt und sich mit dem von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten und dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt. Es kann daher auch keine Rede davon sein, daß die Behörde Willkür geübt hätte.

5. Da im Zuge des Verfahrens vor dem VfGH auch nicht hervorgekommen ist, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind, ist die Beschwerde abzuweisen.

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