VfGH B243/80

VfGHB243/8011.6.1981

VerfGG 1953 §86; Wegfall des Beschwerdegegenstandes mit Erlassung des die angefochtene, in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vorgenommene Beschlagnahme bestätigenden Bescheides

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
StGG Art8
VfGG §19 Abs3 Z1 lite
VfGG §86
B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
StGG Art8
VfGG §19 Abs3 Z1 lite
VfGG §86

 

Spruch:

1. Das Verfahren wird, soweit eine am 3. April 1980 in H. durchgeführte Beschlagnahme von Waren des Beschwerdeführers, nämlich von Handtaschen, Gürteln samt 4 Koffern, in denen die Gürtel verwahrt waren, von Geldbörsen und Brieftaschen, sowie von 2 Paketen mit verschiedenem Modeschmuck, in Beschwerde gezogen ist, eingestellt.

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.1. Der Beschwerdeführer bringt in der auf Art144 B-VG gestützten Eingabe vor, daß er von Beruf Kaufmann und für den Großhandel mit Schmuck- und Lederwaren gewerbeberechtigt sei. Am 3. April 1980 habe er in H. das Lederwarengeschäft des Kommerzialrates E.S. zur Entgegennahme von Bestellungen aufgesucht. Da er der deutschen Sprache nicht mächtig sei und in Englisch verhandelt habe, sei er von dem genannten Geschäftsinhaber dahin mißverstanden worden, daß er entgegen den Bestimmungen der Gewerbeordnung die von ihm mitgeführte Ware unmittelbar zum Kauf anbiete. Die von Kommerzialrat S. zum Einschreiten veranlaßten Gendarmeriebeamten hätten daraufhin eine Durchsuchung seiner Person und seines Kfz vorgenommen und seine gesamten mitgeführten Waren, bestehend aus Handtaschen, Gürteln samt 4 Koffern, in denen die Gürtel verwahrt waren, Geldbörsen und Brieftaschen, sowie von 2 Paketen mit verschiedenem Modeschmuck, die für einen Ledergroßwarenhändler in Wien aufgrund einer Bestellung zur Auslieferung bestimmt waren, beschlagnahmt.

Durch dieses Vorgehen der Gendarmeriebeamten fühlt sich der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Achtung des Privat- und Familienlebens, auf Schutz des Hausrechtes und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Die Durchsuchung seiner Person und seines Kfz entbehre jeder gesetzlichen Grundlage. Weder das VStG noch die Gewerbeordnung enthielten Bestimmungen, wonach eine Personendurchsuchung und die Durchsuchung eines Kfz zulässig wären. Auch die durchgeführte Beschlagnahme stelle einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in sein Eigentum dar, die weder in §39 Abs1 VStG noch in Abs2 dieser Bestimmung Deckung finde.

Der Beschwerdeführer stellt hinsichtlich der von ihm angefochtenen Akte der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt den Antrag festzustellen, daß er durch die Durchsuchung seiner Person und seines Kraftfahrzeuges sowie durch die rechtswidrige Beschlagnahme seiner Waren in den geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei, und begehrt weiters die Aufhebung der Beschlagnahme. Für den Fall der Abweisung wird von ihm die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

1.2. Die Bezirkshauptmannschaft Horn hat als belangte Behörde eine Gegenschrift erstattet, in der sie bestreitet, daß eine Personendurchsuchung und eine Durchsuchung des PKWs des Beschwerdeführers stattfand. Aufgrund der Angaben des Anzeigers, die auch von einem Zeugen bestätigt worden seien, habe der Verdacht einer Übertretung des §55 Abs2 der Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973) bestanden. Im Hinblick auf die große Zahl der zum direkten Verkauf geeigneten Waren, die Mobilität des Beschwerdeführers und insbesondere dessen Beharren auf seinem Standpunkt, zum direkten Verkauf der von ihm mitgeführten Waren berechtigt zu sein, sei es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich gewesen, daß der Beschwerdeführer weiterhin und ehestens versuchen würde, die gegenständlichen Waren direkt zu verkaufen. Dies habe die Voraussetzungen des §39 VStG in Verbindung mit §55 Abs2 GewO 1973 für eine vorläufige Beschlagnahme durch die Gendarmerieorgane erfüllt.

Die belangte Behörde beantragt daher die Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch, daß der Beschwerdeführer in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sei.

2.1. Aus den von der belangten Behörde nach rechtskräftigem Abschluß eines gegen den Beschwerdeführer durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegten Akten geht hervor, daß mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. August 1980 die am 3. April 1980 in vorläufigen Beschlag genommenen Waren gemäß §39 Abs1 VStG iVm §55 Abs2 GewO 1973 beschlagnahmt wurden. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer Berufung erhoben. Über diese wurde jedoch nie entschieden, da, nachdem über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 4. November 1980 eine Geldstrafe verhängt worden war, wobei von einer Verfallserklärung Abstand genommen wurde, die beschlagnahmten Waren dem Beschwerdeführer am 10. November 1980 wieder ausgefolgt wurden.

2.2. Unter Beschlagnahme ist die zwangsweise Entziehung eines Gegenstandes zum Zwecke seiner Verwahrung zu verstehen (VfSlg. 4947/1965, 6754/1972). Durch eine solche Beschlagnahme wird in das durch Art5 StGG geschützte Eigentumsrecht eingegriffen.

Die bekämpfte Beschlagnahme wurde von Organen der Bezirkshauptmannschaft Horn vorgenommen, ohne daß ein sie anordnender verwaltungsbehördlicher Bescheid vorher erlassen wurde. Eine solche Amtshandlung kann als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beim VfGH angefochten werden. Die Beschwerde gegen die angefochtene Beschlagnahme war im Zeitpunkte ihrer Erhebung somit zulässig.

Die am 3. April 1980 von Gendarmeriebeamten gemäß §39 Abs2 VStG vorläufig beschlagnahmten Waren des Beschwerdeführers wurden jedoch am 8. August 1980 von der belangten Behörde beschlagnahmt, indem "zur Bestätigung der bereits vom Gendarmeriepostenkommando Horn vorläufig in Beschlag genommenen Gegenstände" deren bescheidmäßige Beschlagnahme verfügt wurde. Die vorläufige Beschlagnahme ist also nicht mehr selbständig existent, sie kann daher auch nicht mehr unmittelbar Objekt einer Beschwerde beim VfGH sein

(VfSlg. 5720/1968). Mit der Erlassung des Bescheides vom 8. August 1980 ist demnach der Beschwerdegegenstand weggefallen, weshalb das Verfahren, soweit es sich gegen die vorläufige Beschlagnahme vom 3. April 1980 richtete - analog zu §86 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976 - einzustellen war (VfSlg. 8888/1980), wobei die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 8. August 1980 hier nicht zu erörtern war.

3.1. Über die vom Beschwerdeführer behauptete und von der belangten Behörde bestrittene Durchsuchung seiner Person und seines Kfz hat der VfGH die Gendarmeriebeamten H.H., J.H., F.H. und F.R. als Zeugen und den Beschwerdeführer als Partei im Rechtshilfeweg einvernehmen lassen.

Der Beschwerdeführer hat bei der Einvernahme eine Durchsuchung seiner Person selbst verneint und hinsichtlich einer Durchsuchung seines Kfz erklärt, daß an ihn vor der Polizeistation, wohin er von der Gendarmerie gebracht worden sei, die Aufforderung gerichtet wurde, das Auto zu öffnen und die Waren in das Dienstgebäude zu tragen. Er habe dies getan, die Beamten hätten ihm dabei geholfen. Nachdem alles hinaufgetragen worden war, hätten die Beamten noch einen flüchtigen Blick ins Auto geworfen, ob alles heraußen sei. Es könne natürlich sein, daß sein Auto durchsucht worden sei, während er die Sachen hinaufgetragen habe, er könne dies aber nicht sagen, weil er es nicht gesehen habe.

Von den vernommenen Zeugen wird eine Durchsuchung der Person und des Kfz des Beschwerdeführers nicht bestätigt. In Würdigung dieser Beweise konnte der VfGH nur zu der Feststellung gelangen, daß weder eine Personendurchsuchung noch eine Durchsuchung des Kfz des Beschwerdeführers stattgefunden hat.

3.2. Da weder der Beschwerdeführer noch sein Kfz durchsucht worden sind, fehlt es insoweit an einem geeigneten Beschwerdegegenstand. Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Durchsuchung der Person und des Kfz des Beschwerdeführers richtet, schon allein aus dieser Erwägung als unzulässig zurückzuweisen (VfSlg. 8146/1977).

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