OLG Wien 12R276/04b

OLG Wien12R276/04b13.12.2004

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Taucher als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Pisan-Schuster und Dr. Strauss in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GesmbH, L*****, Niederösterreich, vertreten durch S***** & Partner, Rechtsanwaltssozietät in Linz, wider die beklagte Partei N*****GesmbH, O*****, *****/Traisen, wegen EUR 40.739,30 s.A.

- hier: Verfahrenshilfe - über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 4.11.2004, GZ 24 Cg 196/04b-4, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag der beklagten Partei nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Werkvertrag (Subunternehmervertrag) in Anspruch.

Innerhalb der Frist zur Beantwortung der Klage langte ein Antrag der Beklagten auf Gewährung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang samt unentgeltlicher Beigebung eines Rechtsanwalts beim Erstgericht ein. Die Beklagte brachte dazu vor, im Jahr 2004 sei ihr Umsatz erheblich zurückgegangen. Sie sei zwar nicht zahlungsunfähig, könnte sich jedoch die laufenden Kosten (Miete, Gehälter der Angestellten etc) nur dann gerade noch leisten, wenn sie keine außergewöhnlichen Mehrleistungen zu tragen habe. Unvorhergesehene, hohe Mehrausgaben wie es die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit sich brächte, gefährde die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens der Beklagten. Gleichzeitig mit dem Antrag ersuchte die beklagte Kapitalgesellschaft um "Übersendung eines Formblatts zur Dartuung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse".

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht daraufhin, den Verfahrenshilfeantrag der Beklagten ab und führte dazu begründend aus, einer juristischen Person könne selbst dann, wenn die wirtschaftlich Beteiligten mittellos seien, nur ausnahmsweise die Verfahrenshilfe bewilligt werden und zwar dann, wenn sie insolvent im Sinne des § 66 KO und/oder überschuldet im Sinn des § 67 KO sei und weiters die Organe ihrer im § 69 Abs 2 und 3 KO festgelegten Verpflichtung zur Stellung eines Konkursantrages nachkämen. Da nach den Angaben der Beklagten Zahlungsunfähigkeit nicht vorliege und sie damit nicht als insolvent anzusehen sei, sei der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ohne weiters Verfahren (insbesondere Verbesserungsverfahren) abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der (selbst verfasste) Rekurs der Beklagten. Der Rekurs ist berechtigt.

Auch einer juristischen Person oder einem "sonstigen parteifähigen Gebilde" ist gemäß § 63 Abs 2 ZPO die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel aus dem eigenen Vermögen - oder aus dem der "wirtschaftlich Beteiligten" - nicht aufgebracht werden können (Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 63 ZPO Rz 8). Dies gilt grundsätzlich auch für Kapitalgesellschaften.

Teilweise wird von der jüngeren Judikatur auch die Ansicht vertreten, dass einer Kapitalgesellschaft die Verfahrenshilfe nur in besonders begründeten Ausnahmefällen bewilligt werden könne, weil durch deren Gewährung eine Konkurseröffnung auf keinen Fall hinausgezögert werden dürfe. Abgesehen davon, dass auch diese Judikatur - wie der Erstrichter selbst richtig erkennt, sich auf den Fall bezieht, dass die wirtschaftlich Beteiligten selbst mittellos sind (RIS-Justiz RS0000038), ist diese Ansicht in der Lehre auf Kritik gestoßen (*****). Bydlinski meint (a.a.O. Rz 9), dass dieses Argument nicht wirklich stichhaltig sei, weil es voraussetze, dass im Fall der Konkurseröffnung der Prozess entweder (von der Konkursmasse) gar nicht geführt würde oder aber der Konkursmasse die Verfahrenshilfe nicht bewilligt werden könnte. Es sei auch nicht verständlich, warum durch die Bewilligung der Verfahrenshilfe die Konkurseröffnung hinausgeschoben würde. Ist die Gesellschaft überschuldet und damit zahlungsunfähig, wäre die Konkurseröffnung ja auch dann zu beantragen, wenn Verfahrenshilfe gewährt würde. Dass gerade die Verfahrenskosten die Überschuldung herbeiführen würden, sei wohl nur für eine insgesamt zu vernachlässigende Anzahl von Fällen denkbar; in diesen könne man aber der betreffenden Partei die Führung eines - weder mutwilligen noch aussichtslosen - Prozesses, wohl nicht unter Hinweis auf die Möglichkeit der Konkurseröffnung unmöglich machen, zumal auch gar nicht ausgeschlossen sei, dass die Konkurseröffnung wegen fehlenden, die Kosten des Konkursverfahrens deckenden Vermögens vielleicht überhaupt abgelehnt werde. Eine übermäßig strenge Auffassung liefe auf eine "richterrechtlich begründete" erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereiches von § 63 Abs 2 ZPO hinaus, die einer ganz besonders überzeugenden Rechtfertigung bedürfte. Eigens zu prüfen sei aber stets, ob die Mittel zur Prozessführung von den wirtschaftlich beteiligten Gesellschaftern aufgebracht werden könnten; seien diese ebenfalls juristische Personen, so seien auch die Verhältnisse der hinter diesen stehenden physischen Personen maßgeblich.

Der erkennende Senat schließt sich diesen Überlegungen Bydlinskis an. Bei der Beurteilung der Vermögenslage einer juristischen Person oder eines sonstigen parteifähigen Gebildes ist einerseits auf das aktuell vorhandene Vermögen Bedacht zu nehmen, dessen Verwertung jedenfalls insoweit zu verlangen ist, als diese nicht der Partei geradezu ihre "Existenzgrundlage" entziehen würde. Von der antragstellenden Partei sind im Rahmen des von ihr vorzulegenden Vermögensbekenntnisses sehr konkrete Angaben zu verlangen, die durch Vorlage entsprechender Unterlagen (Bilanzen, Jahresabschlüsse, Kassenaufzeichnungen) zu bescheinigen sind. In manchen Fällen wird der Partei auch zuzumuten sein, die Prozesskosten durch Aufnahme eines Darlehens zu finanzieren, sofern hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie in der Lage sein wird, die Rückzahlungen aus künftigen Erträgnissen oder der zukünftigen Verwertung von Vermögensgütern zu leisten (Bydlinski a.a.O. Rz 10).

Der Erstrichter hat hier den Verfahrenshilfeantrag der beklagten Kapitalgesellschaft abgewiesen ohne die Vermögenslage dieser juristischen Person und deren wirtschaftlich Beteiligter zu überprüfen.

Der Erstrichter wird nicht umhin können, dies im fortgesetzten Verfahren zu tun, wobei er zunächst ein Verbesserungsverfahren unter Fristsetzung im Sinne des § 66 Abs 1 letzter Satz ZPO einzuleiten haben wird. Die Beklagte wird aufzufordern sein, nicht nur für sich selbst ein vollständig ausgefülltes Vermögensbekenntnis vorzulegen, sondern auch für ihren alleinigen Gesellschafter (laut Firmenbuch) Johann Ratteneder. Darüber hinaus wird die Beklagte im Verbesserungsverfahren freilich auch aufzufordern sein, die Gründe für die Bestreitung des eingeklagten Anspruchs so deutlich anzugeben, dass geprüft werden kann, ob die Prozessführung der Beklagten weder mutwillig noch aussichtslos sein würde.

Erst auf der Grundlage der Ergebnisse des einzuleitenden Verbesserungsverfahrens wird das Erstgericht abschließend beurteilen können, ob der beklagten Kapitalgesellschaft die beantragte Verfahrenshilfe zu gewähren ist.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

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