European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0070OB00132.25Z.1022.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.166,90 EUR (darin enthalten 361,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist mitversicherte Person eines mit der Beklagten abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2017) zugrunde, welche auszugsweise wie folgt lauten:
„ Artikel 6
Welche Leistungen erbringt der Versicherer?
[…]
6. Der Versicherer zahlt
[…]
6.3. im Zivilprozess auch die Kosten der Gegenseite, soweit der Versicherungsnehmer zu deren Zahlung verpflichtet ist;
[…]
7. Die Leistungspflicht des Versicherer ist begrenzt wie folgt:
[…]
7.8. Erfolgt die Wahrnehmung rechtlicher Interessen für versicherte und nicht versicherte Personen in einem Verfahren oder in verbundenen Verfahren, so trägt der Versicherer die Kosten anteilig.
[…]
Artikel 26
Rechtsschutz für Erbrecht
[…]
2. Was ist versichert?
2.1. Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor österreichischen Gerichten aus dem Bereich des Erbrechts.
In Verfahren außer Streitsachen besteht Versicherungsschutz nur für das Rechtsmittelverfahren gegen gerichtliche Entscheidungen. In Verfahren zur Entscheidung über widersprechende Erbantrittserklärungen (§§ 161 ff Außerstreitgesetz) besteht Versicherungsschutz auch in 1. Instanz.“
[2] In einem Verlassenschaftsverfahren vor dem Bezirksgericht M* gaben Z* G* (dort Erstantragsteller), der Kläger (dort Zweitantragsteller) und J* A* G* (dort Drittantragsteller) widerstreitende Erbantrittserklärungen ab, wobei jeder von ihnen behauptete, Alleinerbe zu sein. J* A* G* ist weder Versicherungsnehmer noch mitversicherte Person des gegenständlichen Versicherungsvertrags.
[3] Mit Schreiben vom 18. 6. 2020 bestätigte die Beklagte gegenüber dem Kläger Versicherungsschutz für das Verfahren erster Instanz über die widerstreitenden Erbantrittserklärungen.
[4] Das Bezirksgericht M* stellte mit Beschluss vom 25. 9. 2023 die Erbberechtigung des dortigen Erstantragstellers zum gesamten Nachlass fest und wies die Erbantrittserklärungen des Klägers und des J* A* G* ab, welche es zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, dem dortigen Erstantragsteller die mit 72.174,05 EUR bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
[5] Das zuständige Rekursgericht gab den gegen diesen Beschluss erhobenen Rekursen des Klägers sowie des J* A* G* mit Beschluss vom 20. 12. 2023 nicht Folge und verpflichtete den Kläger sowie J* A* G* jeweils, dem dortigen Erstantragsteller die mit 5.982 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
[6] Die Beklagte leistete einen Kostenersatz in Höhe von 33.655,22 EUR, was der Hälfte der Kosten erster Instanz sowie den Kosten zweiter Instanz, zu deren Ersatz der Kläger jeweils verpflichtet worden war, abzüglich eines Selbstbehalts von 20 % entsprach. Mit Schreiben vom 14. 2. 2024 lehnte siedie Zahlung der weiteren Hälfte der Kosten erster Instanz abzüglich 20 % Selbstbehalt in Höhe von 28.869,62 EUR ab.
[7] Der Kläger zahlte zur Begleichung der im Verlassenschaftsverfahren angefallenen Verfahrenskosten, zu deren Ersatz er verpflichtet worden war, zudem 3.000 EUR an den dortigen Erstantragsteller.
[8] Der Kläger begehrt die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm 3.000 EUR samt Zinsen zu zahlen sowie ihn von der Verbindlichkeit des Kostenersatzes aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts M* vom 25. 9. 2023 an Z* G* im Umfang von restlich 25.869,62 EUR samt Zinsen zu befreien. Das Bezirksgericht M* habe einen einheitlichen Kostenzuspruch vorgenommen, sodass er – mit solidarischer Haftung des J* A* G* – zur Zahlung der gesamten Kosten verpflichtet worden sei. Die Beklagte habe daher nach Art 6.6.3. ARB die gesamten Kosten der Gegenseitezu zahlen. Ein Fall des Art 6.7.8. ARB liege nicht vor, da der Kläger seine eigenen und J* A* G* davon widerstreitende Interessen wahrgenommen habe.
[9] Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Deckungszusage beziehe sich nur auf den Kläger. Gemäß Art 6.7.8. ARB habe sie lediglich jene Kosten an den Versicherungsnehmer zu ersetzen, die ihn beträfen. Eine Vollzahlung würde hingegen auch die Verpflichtung des J* A* G* umfassen, was im Versicherungsvertrag nicht vereinbart worden sei. Der Deckungsumfang könne durch die Kostenentscheidung des Verlassenschaftsgerichts nicht erweitert werden. Die Beklagte sei daher nicht zur Zahlung des auf J* A* G* entfallenden Anteils der Verfahrenskosten verpflichtet.
[10] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Beschluss des Verlassenschaftsgerichts begründe eine Solidarhaftung des Klägers für den gesamtenKostenbetrag und somit eine Zahlungsverpflichtung iSd Art 6.6.3. ARB für diese Kosten. Art 6.7.8. ARB ziele auf die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen versicherter und nicht versicherter Personen ab. Im Verlassenschaftsverfahren hätten die dortigen Antragsteller jedoch widerstreitende Erbantrittserklärungen abgegeben und damit jeweils ihre eigenen, gegensätzlichen Ansprüche und Interessen verfolgt, womitdiese Klauselnicht anwendbar sei.
[11] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinn einer Klagsabweisung ab. Die Beklagte habe nach Art 6.6.3. ARB grundsätzlich die Kosten der Gegenseite zu tragen, soweit der Kläger zu deren Zahlung verpflichtet sei. Diese Verpflichtung bestehe unabhängig von der Richtigkeit der gerichtlichen Kostenentscheidung. Zusätzlich sei jedoch Art 6.7.8. ARB zu beachten. Eine Einschränkung auf Fälle der Geltendmachung gemeinsamer Interessen des Versicherungsnehmers und dritter Personen könne dieser Klausel nicht entnommen werden. Daher habe die Beklagte die Kosten nur anteilig zu übernehmen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer Klausel wie Art 6.7.8. ARB fehle.
[12] In seiner dagegen erhobenenRevision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Art 6.7.8. ARB sei im Verfahren über das Erbrecht nicht anzuwenden. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer erkenne – bei eigener solidarischer Kostenersatzverpflichtung in diesem Verfahren – nicht die Begrenzung der Deckungspflicht. Zudem sei unklar, nach welchen Kriterien die anteilige Kostentragung des Versicherers erfolge.
[13] Die Beklagte beantragt in ihrerRevisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Zur Rechtsschutzversicherung
[15] 1.1. Bei der Rechtsschutzversicherung sorgt der Versicherer für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in den im Vertrag umschriebenen Bereichen und trägt die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten (§ 158j Abs 1 erster Satz VersVG).
[16] 1.2. Die Rechtsschutzversicherung als passive Schadensversicherung (RS0127808) schützt den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva). Sie bietet daher Versicherungsschutz gegen die Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten (7 Ob 215/11k mwN). Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung besteht in der Kostentragung (RS0081895 [T1]) im Umfang der angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen inländischen Rechtsanwalts (7 Ob 123/20v; 7 Ob 50/23p).
[17] 1.3. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind (RS0080166 [T10]).
[18] 1.4. Der nach Art 26. ARB gegebene Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor Gerichten aus dem Erbrecht ist unstrittig (vgl Art 26.2.1. ARB).
2. Zur Leistungspflicht
[19] 2.1. Im vorliegenden Fall gewährte die Beklagte dem Kläger Deckung für das Verfahren erster Instanz über die widersprechenden Erbantrittserklärungen. Welche Kosten der Versicherer dabei zu tragen hat, regelt Art 6 ARB. Darin werden die Rechtskosten aufgezählt, die ihrer Art nach unter den Versicherungsschutz fallen. Der Kläger stützt sich insofern auf Art 6.6.3. ARB.
[20] 2.2. Nach Art 6.6.3. ARB zahlt der Versicherer im Zivilprozess die Kosten der Gegenseite, soweit der Versicherungsnehmer zu deren Zahlung verpflichtet ist. Wird der Versicherungsnehmer im Zivilprozess durch eine gerichtliche Kostenentscheidung zum Kostenersatz gegenüber dem Verfahrensgegner verpflichtet, sind die betreffenden Kosten damit grundsätzlich vom Versicherer zu tragen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kostenersatzanspruch des Gegners richtig bemessen wurde. Auch eine unrichtige Kostenentscheidung führt zur Verpflichtung des Versicherungsnehmers und damit – wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – zur Verpflichtung des Versicherers nach Art 6.6.3. ARB, die Kosten der Gegenseite zu übernehmen. Die im Zivilprozess ergangene Entscheidung über den Prozesskostenersatz zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Prozessgegner ist für die Kostentragungspflicht des Versicherers daher insoweit maßgeblich (vgl zur vergleichbaren deutschen Bedingungslage nach § 5 Abs 1 lit h ARB 2010 Schneider in Harbauer, Rechtsschutzversicherung9 ARB 2010 § 5 Rn 147; Piontek in Prölss/Martin, VVG32 ARB 2010 § 5 Rn 42; zum davon zu unterscheidenden Fall der eigenen Rechtsanwaltskosten und der Beurteilung als notwendige Kosten iSd Art 6.3. ARB, 7 Ob 86/22f).
[21] 2.3. Der Kläger wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 25. 9. 2023 verpflichtet, der Gegenseite (dem dortigen Erstantragsteller) die gesamten erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu ersetzen. Die solidarische Haftung gemeinsam mit J* A* G* ändert daran nichts.
[22] 2.4. Als Zwischenergebnis hat damit die Beklagte diese Kosten der Gegenseite nach Art 6.6.3. ARB grundsätzlich zu tragen, ohne dass es darauf ankommt, ob die gerichtliche Kostenentscheidung richtig war. Im Weiteren ist aber zusätzlich zu beurteilen, ob Art 6.7.8. ARB eine Änderung dieser grundsätzlichen Kostentragungspflicht bewirkt.
3. Zur Leistungsbegrenzung
[23] 3.1. Die vom Versicherer zu tragenden Kosten richten sich nach dem Rechtsschutzversicherungsvertrag. Kosten, die dem Grunde oder der Höhe nach darin keine Deckung finden, sind vom Versicherer nicht zu tragen; es besteht diesbezüglich kein Befreiungsanspruch und – sofern der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger selbst befriedigt – kein auf Geld gerichteter Kostenersatzanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer (7 Ob 86/22f).
[24] 3.2. In der Rechtsschutzversicherung umfasst die Leistungspflicht des Versicherers nur die Übernahme anteiliger Kosten, wenn in einem Verfahren versicherte und nicht versicherte Ansprüche, Delikte oder Personen zusammentreffen und aus beiden Sphären Kostenfolgen eintreten. Werden in einem Verfahren versicherte und nicht versicherte Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt, trägt der Versicherer die Kosten anteilig im Verhältnis der Streitwerte oder Bemessungsgrundlagen zueinander (vgl 7 Ob 218/24w mwN).
[25] 3.3. Erfolgt die Wahrnehmung rechtlicher Interessen für versicherte und nicht versicherte Personen in einem Verfahren oder in verbundenen Verfahren, so trägt der Versicherer gemäß Art 6.7.8. ARB die Kosten anteilig. Dies soll im vorliegenden Kontext verhindern, dass der Versicherer vom Gericht im zivilgerichtlichen Verfahren auferlegte Kosten der Gegenseite zur Gänze tragen muss, wenn nur ein Teil der auf Kläger- oder Beklagtenseite auftretenden Personen versichert ist (Hartmann, Rechtsschutzversicherung [2012] 301), es also zu einer Verlagerung der Prozesskostenlast von nicht versicherten Personen auf den Versicherungsnehmer und letztlich den Rechtsschutzversicherer kommt.
[26] 3.4. Von Art 6.7.8. ARB sind nicht nur die Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts, sondern etwa auch die zu tragenden Kosten der Gegenseite nach Art 6.6.3 ARB erfasst. Bedeutung erlangt die Klausel insbesondere in jenen Zivilverfahren, in denen der Versicherungsnehmer bei Parteienmehrheit auf Seiten des Versicherungsnehmers nicht nur den auf ihn selbst entfallenden Anteil der gegnerischen Kosten zu ersetzen hat, sondern (solidarisch) zu einem weitergehenden Kostenersatz verpflichtet wird. Sofern der Versicherungsnehmer der Gegenseite hingegen nur die auf ihn selbst entfallenden (anteiligen) Kosten zu ersetzen hat, resultieren die Kostenfolgen nämlich ohnehin aus der Geltendmachung und Abwehr gedeckter Ansprüche des Versicherungsnehmers, womit der Versicherer diese Kosten nach Art 6.7.8. ARB trägt.
[27] 3.5. Die „Wahrnehmung rechtlicher Interessen“ gemäß Art 6.7.8. ARB ist nach dessen Wortlaut nicht auf die Fälle der gemeinsamen Interessenverfolgung durch versicherte und nicht versicherte Personen eingeschränkt. Aus demZweckgedanken dieser Klausel, eine Belastung des Versicherers mit solchen Kosten zu verhindern, die nicht aus der Sphäre des Versicherungsnehmers resultieren, sondern aus der Beteiligung nicht versicherter Personen am Zivilverfahren, erschließt sich ebenso wenig eine Differenzierung danach, ob bei vorliegender Parteienmehrheit gleichgerichtete Interessen wahrgenommen werden oder nicht. Für den Versicherer kann es nur schwer vorhersehbar sein, ob die Beteiligung weiterer Personen an zu deckenden Zivilverfahren stattfindet und welche Interessen diese allenfalls verfolgen, womit Art 6.7.8. ARB gerade auch der Vermeidung dieser für den Versicherer nicht überschaubaren und kalkulierbaren Kostenbelastung dient. Letztlich verweist schon das Berufungsgericht zutreffend auf den sich bei gegenteiliger Auslegung ergebenden Wertungswiderspruch, dass der Versicherer die Kosten nicht versicherter Personen bei Wahrnehmung gemeinsamer Interessen nicht, bei Wahrnehmung gegensätzlicher Interessen hingegen (zugunsten des Dritten) voll zu tragen hätte. Insgesamt ist Art 6.7.8. ARB damit nicht auf die Wahrnehmung gemeinsamer rechtlicher Interessen für versicherte und nicht versicherte Personen beschränkt, sondern kann auch bei Wahrnehmung unterschiedlicher oder widerstreitender Interessen zur Anwendung gelangen.
4. Zur Kostentragung im Verfahren über das Erbrecht
[28] 4.1. Nach dem Regime des AußStrG 2005 ist bei widersprechenden Erbantrittserklärungen ein (außerstreitiges) Verfahren gemäß §§ 161 ff AußStrG einzuleiten. Dieses Verfahren über das Erbrecht findet zwischen allen Erbansprechern statt. Inhalt der Entscheidung über das Erbrecht ist die Feststellung des Erbrechts der Berechtigten und die Abweisung der übrigen Erbantrittserklärungen (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 104 f). An die Stelle der (mehreren) Erbrechtsklage(n) tritt ein in die Verlassenschaftsabhandlung integriertes Verfahren, in welchem nicht bloß das relativ bessere, sondern – unter Umständen zwischen mehreren Parteien (2 Ob 157/18d) – das beste Erbrecht festgestellt wird (2 Ob 162/23x mwN). Das Verfahren über das Erbrecht stellt eine „streitige“ Materie des Außerstreitverfahrens dar (vgl 2 Ob 157/18d). Dieses Zwischenverfahren weicht dabei in wesentlichen Punkten von den Regeln des allgemeinen Außerstreitverfahrens und jenen des allgemeinen Verlassenschaftsverfahrens ab und ist dem Zivilprozess angenähert (7 Ob 172/15t).
[29] 4.2. Während im Verlassenschaftsverfahren grundsätzlich kein Vertretungskostenersatz stattfindet, ist ein solcher im Verfahren über das Erbrecht vorgesehen (§ 185 AußStrG). Im Erbrechtsstreit unterliegende Parteien haften für Prozesskosten dabei nicht solidarisch, sondern – in entsprechender Anwendung der Regeln über die Verfahrensverbindung (vgl 2 Ob 167/22f) – nur aliquot nach Kopfteilen, insbesondere weil jede Erbantrittserklärung ihr eigenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (2 Ob 25/22y; 2 Ob 29/22m; 2 Ob 48/22f).
5. Folgerungen für die Rechtsschutzversicherung
[30] 5.1. Für das Verfahren über das Erbrecht nach §§ 161 ff AußStrG regelt trotz der besonderen Bestimmungen über den Rechtsschutz für Erbrecht (Art 26 ARB) im Wesentlichen Art 6 ARB, welche Kosten der Versicherer zu tragen hat. Damit kann auch Art 6.7.8. ARB im Erbrechtsstreit zwischen mehreren Verfahrensparteien Anwendung finden.
[31] 5.2. In dem vom Versicherungsschutz gedeckten Erbrechtsstreit gaben der Kläger sowie die zwei weiteren Antragsteller jeweils widerstreitende Erbantrittserklärungen ab. Somit erfolgte in diesem Verfahren eine Wahrnehmung jeweils eigener rechtlicher Interessen des Klägers und der weiteren Erbansprecher. Soweit der Kläger zum Ersatz der Kosten der Gegenseite – des dortigen Erstantragstellers – verpflichtet wurde, kommt daher nur eine anteilige Kostentragung der Beklagten nach Art 6.6.3. und Art 6.7.8. ARB zu tragen. Diese umfasst in Anbetracht der Beteiligung des J* A* G* mangels weiterer Anhaltspunkte für eine andere Teilung die Hälfte der gegnerischen Kosten, zu deren Ersatz der Kläger verpflichtet wurde.
[32] 5.3. Die gerichtliche Kostenentscheidung im Erbrechtsstreit entfaltet für die Frage der anteiligen Kostentragung nach Art 6.7.8. ARB keine Bindungswirkung. Diese ist zwar für Art 6.6.3. ARB und die Beurteilung maßgeblich, zur Zahlung welcher Kosten der Gegenseite der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, wovon aber die Frage zu unterscheiden ist, ob die Leistungspflicht des Versicherers nur die Übernahme der den Versicherungsnehmer treffenden anteiligen Kosten umfasst. Daher steht einer nur anteiligen Kostentragung durch die Beklagte nach Art 6.7.8. ARB nicht entgegen, dass das Verlassenschaftsgericht eine solidarische Haftung des Klägers für die gesamten gegnerischen Kosten ausgesprochen hat.
[33] 6. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
[34] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
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