OGH 12Os114/24t

OGH12Os114/24t19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Karnaus LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * S* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * S* sowie die Berufungen der Angeklagten * L*, * St* und * Z* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 14. August 2024, GZ 14 Hv 26/24t‑81, sowie über die Beschwerden der Angeklagten * S* und * Z* gegen die zugleich gefassten Beschlüsse auf Verlängerung einer Probezeit (nur hinsichtlich * S*) und auf Anordnung von Bewährungshilfe, GZ 14 Hv 26/24t‑82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00114.24T.1119.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Jugendstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * S* wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung des Genannten gegen den Ausspruch über die Strafe, die Berufungen der Angeklagten * L*, * St* und * Z* sowie die Beschwerden kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.

Dem Angeklagten * S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * S* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 10. April 2024 in F* mit drei weiteren im Urteil namentlich genannten Mittätern durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe * M* fremde bewegliche Sachen, nämlich Cannabiskraut, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, indem er den Genannten unter dem Vorwand, Suchtgift von ihm kaufen zu wollen, in einen PKW lockte, ihm ein Messer an den Hals hielt und die Herausgabe des Suchtgifts forderte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, „9a“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * S*.

[4] Nach den tatrichterlichen Feststellungen hielt der Beschwerdeführer dem Opfer ein Messer seitlich an den Hals und forderte dieses auf, das Suchtgift aus dem Rucksack herzugeben, wobei er mit dem Vorsatz handelte, das Opfer durch den Vorhalt des Messers und die damit verbundene Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr mit zumindest einer Verletzung am Körper durch Stich‑ oder Schnittverletzungen zur Herausgabe des Cannabiskrauts zu nötigen, um sich und andere durch die Zueignung des Suchtgifts unrechtmäßig zu bereichern (US 7 f).

[5] Die Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zum ursprünglichen Tatplan des Beschwerdeführers mit seinem Mittäter * L* (US 6) einwendende Mängelrüge verfehlt mangels Bekämpfung entscheidender Tatsachen (zum Begriff vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398 ff) den Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0106268).

[6] Die Feststellung einer „Absichtlichkeit mit einer Waffe“ findet sich im angefochtenen Urteil nicht. Der insoweit erhobene Beschwerdeeinwand einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) geht solcherart ins Leere.

[7] Die Rügekritik (Z 5 zweiter Fall), der als glaubwürdig beurteilte Angeklagte * St* habe als einziger ausgesagt, „dass nur der Erstangeklagte (S*) ausgestiegen wäre und er * M* gesagt habe, er solle vorne einsteigen“ macht nicht klar, inwieweit ein solcher Umstand der tatrichterlichen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des * St* in Bezug auf eine entscheidende Tatsache erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte (RIS‑Justiz RS0106588 [T15] und RS0119422 [T2, T4]).

[8] Nach Ansicht der Tatrichter sprach die Sicherstellung der Messersammlung von * H* in einem anderen Ermittlungsverfahren nicht gegen die Glaubwürdigkeit von * St* (US 12). Der Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zufolge unterlassener Erörterung dieses Umstands trifft daher nicht zu.

[9] Das Eingehen auf Einzelheiten der als unglaubwürdig beurteilten Aussagen des Beschwerdeführers sowie der Angeklagten * L* und * H* (US 11 ff) war aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO nicht erforderlich, es hätte vielmehr gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS‑Justiz RS0098778 [insbesondere T4] und RS0106295 [insbesondere T7]).

[10] Mit eigenen Beweiswerterwägungen zu den Aussagen der Angeklagten * St* und * Z* sowie des Zeugen * Zs*, der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers sowie der Angeklagten * L* und * H* und zu dem von den Tatrichtern erwogenen Nachtatverhalten der Angeklagten (insbesondere US 11 und 13 ff) wendet sich die weitere Beschwerde bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 285 Abs 2 StPO).

[11] Der Beschwerdebehauptung (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Opfer keineswegs angegeben, dass es „selbst wahrnehmen konnte, dass zumindest der Fahrer das nicht wollte“ (vgl ON 80.1, 43), sodass auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen ist.

[12] Mit der Kritik, die Tatrichter hätten die Feststellung der Verwendung eines Messers bei der Raubtat durch den Beschwerdeführer auf die Angaben des Opfers gestützt (US 9), obwohl dieses angegeben habe, es könne nicht „definitiv“ sagen, dass der Beschwerdeführer jener Mann gewesen sei, der das Messer gehalten habe (ON 80.1, 43), übergeht die Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall, siehe dazu RIS-Justiz RS0099431 [T1]) einwendende Beschwerde die ausdrückliche Erörterung eben jener Aussagepassage durch die Tatrichter (US 9 f).

[13] Mit der Behauptung des angeblichen Fehlens aktenkundiger Beweisergebnisse für die Schuld des Beschwerdeführers, insbesondere für die Annahme des Qualifikationstatbestands der Verwendung einer Waffe, gelangt die Tatsachenrüge (Z 5a) nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0128874). Der Hinweis auf die nach Beschwerdeauffassung „denkunmögliche Abfolge der Messerattacke“ aus der vom Erstgericht festgestellten Position des Beschwerdeführers weckt beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[14] Die Rechtsrüge (richtig: Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den von den Tatrichtern getroffenen Feststellungen (US 7 f), sondern argumentiert einmal mehr auf der Basis eigener beweiswürdigender Erwägungen. Damit verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810 und RS0118342).

[15] Die Subsumtionsrüge (Z 10) wird bloß nominell herangezogen.

[16] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO – ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO), gleichwohl ausgeführte Berufung des Angeklagten * S* wegen des Ausspruchs über die Schuld – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[17] Die Entscheidung über die Berufung des Genannten gegen den Ausspruch über die Strafe, die Berufungen der Angeklagten * L*, * St* und * Z* sowie die impliziten Beschwerden kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[18] Hinzugefügt sei, dass es keines Vorbehaltsbeschlusses (siehe aber US 4) bedarf, wenn das sachlich zuständige Gericht den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO für geboten hält, es aber an einem Formerfordernis des § 494a Abs 3 erster Satz StPO (hier der Anhörung des Bewährungshelfers des * St* [vgl US 19]) mangelt. Vielmehr geht die Entscheidungskompetenz in diesem Fall ex lege auf das zuständige Gericht über (vgl Jerabek/Ropper, WK‑StPO § 494a Rz 10; RIS‑Justiz RS0101961 und RS0111829).

[19] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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