OGH 2Ob184/24h

OGH2Ob184/24h19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2020 verstorbenen G*, zuletzt *, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellerinnen 1. C*, vertreten durch Dr. Andreas Fink & Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in Imst und 2. M*, vertreten durch Dr. Christian Schöffthaler, Rechtsanwalt in Imst, über den Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 7. Juni 2024, GZ 53 R 22/24k‑151, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Silz vom 17. Jänner 2024, GZ 1 A 199/20v‑147, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00184.24H.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Zweitantragstellerin ist schuldig, der Erstantragstellerin die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der zuletzt in Österreich wohnhafte, 2020 verstorbene Erblasser war österreichischer Staatsbürger. Er hinterlässt seine Ehefrau, die Erstantragstellerin, und zwei Töchter aus erster Ehe.

[2] In einem im Jahr 2000 in Deutschland vor einem Notar mit der Erstantragstellerin, errichteten „gemeinschaftlichen Testament“ setzten sich die damals hauptsächlich in Deutschland aufhältigen Testierenden wechselseitig zu Erben ein und bestimmten für den Fall des gleichzeitigen oder kurz aufeinander folgenden Ablebens aus dem selben Anlass eine Tochter des Erblassers, die Zweitantragstellerin, zur Ersatzerbin. Die Testierenden ordneten weiters an, dass sich die Bindung jedes Ehegatten an das Testament nach dem für seine Beerbung maßgeblichen Recht richten solle.

[3] Im Jahr 2015 vermachteder Erblasser als Ergänzung und unter Aufrechterhaltung des gemeinschaftlichen Testaments der Erstantragstellerin eine Liegenschaft in Österreich und ein Bankguthaben.

[4] Die Erstantragstellerin gab gestützt auf das im Jahr 2000 errichtete Testament eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab.

[5] Die Zweitantragstellerin bestritt die nach ihrer Ansicht nach österreichischem Recht zu beurteilende Formgültigkeit der Verfügung und gab gestützt auf das Gesetz eine bedingte Erbantrittserklärung zu einem Drittel des Nachlasses ab.

[6] Die Vorinstanzen stellten das Erbrecht der Erstantragstellerin fest und wiesen die Erbantrittserklärung der Zweitantragstellerin ab. Das Rekursgericht hielt fest, dass es sich bei der im Jahr 2000 nach deutschem Recht errichteten letztwilligen Verfügung um ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen handle, dem Bindungswirkung zukomme. Es liege daher ein Erbvertrag iSd Art 3 Abs 1 lit b EuErbVO vor. Dessen Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung seien gemäß Art 25 EuErbVO zu beurteilen. Da Nachlässe mehrerer Personen betroffen seien, sei die Verfügung gemäß Art 25 Abs 2 erster Satz EuErbVO zulässig, wenn sie nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zum Errichtungszeitpunkt verstorben wären. Sowohl der Erblasser als auch die Erstantragstellerin hätten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Errichtungszeitpunkt in Deutschland gehabt. Nach deutschem Recht als maßgeblichen Errichtungsstatut sei die Verfügung zulässig. Die materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung richte sich gemäß Art 25 Abs 2 Unterabsatz 2 EuErbVO ebenfalls nach deutschem Recht, weil insoweit die engste Verbindung bestehe. Die Formgültigkeit sei gemäß Art 27 Abs 1 lit a EuErbVO nach dem Recht des Errichtungsstaats zu beurteilen. Gründe für eine Formungültigkeit lägen nach dem auch insoweit maßgeblichen deutschen Recht nicht vor. Die inhaltliche Zulässigkeit der letztwillig getroffenen Anordnungen richte sich hingegen gemäß Art 23 Abs 1 EuErbVO nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zum Todeszeitpunkt. Auch nach dem (nur) insoweit maßgeblichen österreichischen Recht sei ein gemeinschaftliches Ehegattentestament (§ 589 Abs 2 ABGB) zulässig. Die lediglich auf die Bindungswirkung Bezug nehmende Teilrechtswahl im Testament sei nicht möglich und daher unwirksam. Über Antrag der Zweitantragstellerin ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs nachträglich zur Auslegung einer im Licht der EuErbVO als Erbvertrag zu wertenden letztwilligen Verfügung im nationalen Recht, insbesondere zur inhaltlichen Zulässigkeit, zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin mit dem Abänderungsantrag, ihr Erbrecht aufgrund des Gesetzes zu zwei Drittel des Nachlasses festzustellen, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RS0107859) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

[8] 1. Der Revisionsrekurs hält zwar an seiner Rechtsansicht fest, die getroffene Rechtswahl führe zur Maßgeblichkeit österreichischen Rechts, nach dem die letztwillige Verfügung formungültig sei. Allerdings wird jede Auseinandersetzung mit der vom Rekursgericht unter Hinweis auf Literatur vertretene Rechtsansicht, die bloß auf die Bindungswirkung abstellende Teilrechtswahl sei nicht zulässig und daher unwirksam, unterlassen. Mangels insoweit gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge (RS0043603 [T4, T9]) wird keine Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufgeworfen.

[9] 2. Dass die letztwillige Verfügung als Erbvertrag iSd Art 3 Abs 1 lit b und Art 25 EuErbVO zu qualifizieren ist, zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel (vgl 2 Ob 123/19f Pkt 7. mwN [deutsches gemeinschaftliches Testament, das wechselbezügliche Verfügungen enthält und nach dem Tod eines der Ehegatten für den anderen verbindlich wird]).

[10] 3. Soweit der Revisionsrekurs meint, aus der Einordnung als Erbvertrag folge für die Beurteilung der Zulässigkeit, materiellen Wirksamkeit und Bindungswirkung die Maßgeblichkeit österreichischen Rechts, weil dieses auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn der Erblasser im Errichtungszeitpunkt verstorben wäre, übersieht er, dass sowohl der Erblasser als auch die Erstantragstellerin im Errichtungszeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Das hypothetische Erbstatut wäre daher gemäß Art 21 Abs 2 EuErbVO deutsches Recht.

[11] 3. Da das Rekursgericht ohnehin von der Unwirksamkeit der in der Verfügung enthaltenen Teilrechtswahl ausgegangen ist, stellt sich die vom Revisionsrekurs weiters aufgeworfene Frage, ob diese durch die Verfügung im Jahr 2015 nachträglich geändert wurde, nicht.

[12] 4. Dass ein und dieselbe Urkunde einerseits als Erbvertrag iSd Art 3 Abs 1 lit b und Art 25 EuErbVO und andererseits als (deutsches) gemeinschaftliches Testament zu qualifizieren sein kann, ist Ergebnis der autonom vorzunehmenden (2 Ob 123/19f Pkt 4.) Auslegung der EuErbVO.

[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 185 AußStrG. Da die Erstantragstellerin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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