OGH 13Os54/24a

OGH13Os54/24a9.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 13. Dezember 2023, GZ 36 Hv 58/23s‑61, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht (ON 62) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00054.24A.1009.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche sowie die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* jeweils eines Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I) und des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II) sowie jeweils eines Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB (III), nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (IV 1), der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (IV 2) und des Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB (V) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in W* und andernorts

(I) am 18. März 2023 * K* durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeige, zu nötigen versucht sowie

(II) am 3. Mai 2023 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer abgesondert verfolgten Person als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) dem * G* fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Armbanduhr im Wert von 280 Euro und Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, weiters

(III) andere Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1) am 24. Jänner 2023 * P*, indem er sie an den Haaren packte, würgte und mit dem Kopf gegen einen Türrahmen und gegen einen Tisch stieß, wodurch die Genannte Rötungen, Würgemale am Hals und Blutergüsse erlitt,

2) am 18. März 2023 * K*, indem er ihm einen Faustschlag in das Gesicht versetzte, wodurch der Genannte eine Prellung am linken Auge und Schmerzen in der linken Gesichtshälfte erlitt, und

3) am 9. Juni 2023 * Pa*, indem er ihm einen Faustschlag in das Gesicht versetzte, wodurch der Genannte eine blutende Wunde oberhalb der rechten Augenbraue erlitt,

wobei er diese drei selbständigen Taten (je § 83 Abs 1 StGB) ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall, nominell verfehlt auch Z 5 erster Fall) zuwider ist die Herleitung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (Schuldspruch II [US 6 f] und III 1 [US 8]) aus den vom Schöffengericht für glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugen * G* und * P* (US 12 f und 15) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

[5] Die Ableitung der Konstatierungen zur inneren Tatseite (Schuldspruch II [US 7], Schuldspruch III 1 [US 8] und Schuldspruch III 3 [US 7]) jeweils aus dem äußeren Geschehensablauf (US 13, 15 und 14), ist unter diesem Blickwinkel ebenso mängelfrei (vgl RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

[6] Die den Depositionen der Zeugin P* entgegenstehenden Angaben des Angeklagten haben die Tatrichter nicht übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern aufgrund der Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) als widerlegt angesehen (US 15). Das Eingehen auf jedes Detail dieser Aussagen war nach den Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO nicht erforderlich, es hätte vielmehr gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).

[7] Soweit die Rüge die Glaubwürdigkeitsbeurteilung angreift, übersieht sie, dass die erstgerichtliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588 [T3, T4, T8 und T9]).

[8] Zwar kann der Umstand, dass eine Zeugin bereits wegen falscher Beweisaussage zur Verantwortung gezogen wurde, eine unter dem Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeitsbeurteilung erhebliche Tatsache darstellen (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall), wenn Anhaltspunkte für eine habituelle und demzufolge die Aussagen im Strafverfahren erschütternde Falschbezichtigungstendenz der Zeugin bestehen (RIS‑Justiz RS0120109 [T1 und T2]). Eine Fundstelle des Vorkommens eine solche Tendenz allenfalls indizierender Verfahrensergebnisse in der sich über mehrere Tage erstreckenden Hauptverhandlung (ON 39, 47 und 60) hat die Rüge aber nicht bezeichnet, sodass sich das darauf abzielende Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung entzieht (RIS‑Justiz RS0124172 [T9]).

[9] Weshalb sich aus Divergenzen in den Angaben der * P* zu hier nicht verfahrensgegenständlichen Vorfällen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme ergeben sollen, die Genannte habe in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt (vgl RIS‑Justiz RS0120109 [T3]), lässt die Beschwerde nicht erkennen.

[10] Dem Umstand, dass der abgesondert verfolgte Mittäter des Angeklagten bei der Raubtat (II) unbekannten Aufenthalts ist, kommt weder Schuld‑ noch Subsumtionrelevanz zu, womit die darauf Bezug nehmende Mängelrüge (Z 5) von vornherein fehlgeht (RIS‑Justiz RS0106268).

[11] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht und dessen Beweiswürdigung als „völlig lebensfremd“ oder „nicht überzeugend“ bezeichnet, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[12] Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO, Art 6 Abs 2 MRK) wird ein aus (Z 5 oder) Z 5a des § 281 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO – ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (ON 56) – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[14] Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und jene über die privatrechtlichen Ansprüche sowie die Beschwerde gegen den – entgegen § 494a Abs 4 zweiter Satz StPO gesondert ausgefertigten (ON 62) – Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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