European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00078.24P.1008.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Anordnung der Unterbringung des * B* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des * B* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
[2] Danach hat er am 28. Februar 2024 in L* unter dem maßgeblichen Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden (§ 11 StGB) schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer schizoaffektiven Störung, * R* durch gefährliche Drohung mit dem Tod dazu, sich ihm nicht zu nähern, mithin zu einer Unterlassung, genötigt, indem er einen Schraubenzieher gegen ihn richtete und äußerte, „komm nicht näher, oder ich stech dich ab“, somit eine Tat begangen, die als Verbrechen der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist teilweise im Recht.
[4] Mit der bloßen Behauptung, das Erstgericht „habe nicht alle für die vorgenommene Subsumtion erforderlichen Feststellungen getroffen“, lässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die gebotene Substantiierung, insbesondere die Darlegung vermissen, welche weiteren Feststellungen erforderlich gewesen wären (RIS‑Justiz RS0099620).
[5] Indem die weitere Rechtsrüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a [vgl RIS‑Justiz RS0132762]) das Vorliegen einer Drohung mit dem Tod, mithin einer schweren Nötigung im Sinn des § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB, bestreitet, geht sie prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht vom konstatierten Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung (US 3) aus. Das weitere im Zusammenhang erstattete Vorbringen erschöpft sich in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[6] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[7] Im Recht ist jedoch die Sanktionsrüge, soweit sie mangelnde Konkretisierung der Gefährlichkeitsprognose kritisiert (Z 11 zweiter Fall). Die Rechtsprechung verlangt, dass Prognosetaten „im Urteil zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben“ sind (RIS‑Justiz RS0113980 [insbesondere T8]). Diesem Erfordernis kann auch dadurch entsprochen werden, dass bestimmte mit Strafe bedrohte Handlungen angeführt werden, wenn sich schon daraus zweifellos ergibt, dass diese mit schweren Folgen im Sinn des § 21 Abs 1 StGB einhergehen. Vorliegend hat das Erstgericht jedoch (unter wörtlicher Übernahme der entsprechenden Passage aus dem schriftlichen Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen [ON 21.2, 24]) bloß die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, der Beschwerdeführer werde (ohne die angeordnete Maßnahme) „eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen“, nämlich „gefährliche Drohungen, Nötigungen, Widerstandsdelikte, leichte und schwere Körperverletzungen sowie Handlungen gegen die sexuelle Integrität“ begehen (US 4). Keine dieser bloß nach Deliktskategorien angeführten Prognosetaten ist per se (ohne weitere Urteilsannahmen zu tatbestandsmäßigen Folgen oder darüber hinausgehenden konkreten Tatauswirkungen) zwangsläufig mit schweren Folgen verbunden (vgl 14 Os 138/21g und 15 Os 55/14y [zu Widerstand gegen die Staatsgewalt und im Sinn des § 83 Abs 1, § 84 Abs 2 StGB „schweren Körperverletzungen“]; 14 Os 37/24h [Rz 9: zu mit Strafe bedrohten Handlungen gegen die sexuelle Integrität]; zum Ganzen Haslwanter in WK2 StGB § 21 Rz 26 f und 32), weshalb die Gefährlichkeitsprognose nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht.
[8] In teilweiser Stattgebung der dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über die Begehung der Anlasstat (einschließlich der Zurechnungsunfähigkeit) und deren Subsumtion unberührt bleibt, in der Unterbringungsanordnung bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).
[9] Auf das weitere zur Gefährlichkeitsprognose erstatte Rechtsmittelvorbringen war demnach nicht einzugehen.
[10] Mit seiner Berufung war der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)