European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00055.24G.0826.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit jeweils 1.032,90 EUR (darin je 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht hat seinen Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, jedoch nicht 30.000 EUR übersteigend bewertet und die ordentliche Revision gegen sein die Klagsabweisung durch das Erstgericht bestätigendes Urteil zur Frage für zulässig erklärt, ob durch den Zugang einer Schadensmeldung, in der ein konkreter Schaden beschrieben und der Empfänger der Schadensmeldung für die Entstehung dieses Schadens als Schädiger in die Pflicht genommen werde, die Verjährungsfrist in Gang gesetzt werde, sodass es auf eine allenfalls davon abweichende Meinung des Auffordernden nicht mehr ankomme.
Rechtliche Beurteilung
[2] Weder das Berufungsgericht noch die Klägerin zeigen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[3] 1.1. Die für den von einem Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch maßgebliche kurze Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den ihn verursachenden Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (vgl RS0034524; RS0034366; RS0034374; RS0034951).
[4] 1.2. Ab wann in diesem Sinne eine die Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der dafür maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RS0034524 [T23, T41]; RS0034374 [T47]; RS0113916 [T1, T5]), sodass diese Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 ZPO aufwirft.
[5] 2. Die Vorinstanzen schlossen aus dem an beide Beklagten gerichteten Anspruchsschreiben der Klägerin vom 11. 9. 2019, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt den durch Abwasserrückstau zu Schäden in ihrem Haus führenden, in öffentlichem Grund liegenden Schaden am Hauskanalanschluss zum öffentlichen Abwasserkanal gekannt und diesen Schaden konkret auf die von den Beklagten im Jahr 2013 dort vorgenommenen Grabungsarbeiten zurückgeführt habe. Damit sei die Verjährungsfrist in Gang gesetzt worden und im Zeitpunkt der Klagsanbringung im Februar 2023 bereits abgelaufen gewesen.
[6] 3.1. Diese Rechtsansicht der Vorinstanzen hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums; eine auffallende rechtliche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste und die Zulässigkeit der Revision begründen könnte, wird in der Revision nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
[7] 3.2. Warum entgegen den oben dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen für den Beginn der Verjährungsfrist Meinungen des Geschädigten über die rechtliche Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts anstelle des Umstands der Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen, und anstelle der Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger der Zugang einer Schadenmeldung an Letzteren relevant sein sollten, ist nicht erkennbar; die vom Berufungsgericht formulierte Zulassungsfrage stellt sich nicht.
[8] 3.3. Der Einwand der Revision, dem Geschäftsführer der Klägerin sei der Kausalzusammenhang zwischen Schaden und schädigendem Verhalten nicht bekannt gewesen, geht nicht von der – für den Obersten Gerichtshof bindenden – Feststellung der Vorinstanzen aus, dass jener am 11. 9. 2019 von der Beschädigung des Hauskanals wusste und diese – auf einer Skizze genau lokalisiert – auf die Arbeiten der Erstbeklagten im Zusammenhang mit der Verlegung von Stromleitungen der Zweitbeklagten an jener Stelle zurückführte.
[9] Mit der dagegen erhobenen Behauptung, der Klägerin seien weder die konkrete Ausgestaltung des Schadens noch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden der Beklagten ergäbe, bekannt gewesen, wird ebenfalls keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufgezeigt, zumal die Verjährungsfrist auch dann zu laufen beginnt, wenn dem Geschädigten noch nicht alle Schadensfolgen bekannt sind, er aber grundsätzlich in Kenntnis des schädigenden Ereignisses und seiner nachteiligen Wirkungen ist. Warum sich entgegen der Ansicht der Vorinstanzen aus dem schädigenden Verhalten der Erstbeklagten für die Klägerin nicht deren Verschulden ergeben hätte, ist nicht ersichtlich, zumal sich dieses auch aus der offenkundigen Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers ergeben (RS0034951 [T5]; RS0034322) und der Lauf der Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt beginnen kann, in dem der Geschädigte aufgrund ihm bekannter Umstände – neben der Kenntnis des Eintritts (der Wirksamkeit) eines Schadens – ohne nennenswerte Mühe auch auf das Verschulden des Schädigers schließen konnte (vgl RS0050338 [T8]). Aus dem Umstand, dass die Zweitbeklagte in ihrer Reaktion auf das Aufforderungsschreiben ihre insofern nicht relevante Meinung kundtat, die „Verschuldensfrage“ sei nicht geklärt, ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, zumal damit ersichtlich auch nicht die subjektive Vorwerfbarkeit, sondern die Kausalität angesprochen wurde.
[10] 4.1. Die Formulierung, im Schreiben der Klägerin vom 11. 9. 2019 sei eine ausführlich beschriebene Erläuterung enthalten, wie der Schaden entstanden sei, ist zwar insofern unrichtig, als sich diese Wortfolge nicht in diesem Schreibenfindet, sondern in der Antwort der Erstbeklagten vom Tag darauf. Darin liegt jedoch keine entscheidungsrelevante Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils (vgl RS0043265; RS0043277), zumal der Inhalt der beiden Schreiben ohnehin jeweils wörtlich festgestellt wurde. Das Berufungsgericht machte in diesem Zusammenhang weiter hinreichend begründet deutlich, dass es eine von der Berufung der Klägerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens des Erstgerichts verneinte, das nur und gerade aufgrund dieser Urkunden und ohne weitere Beweisaufnahmen für erforderlich zu erachten zur oben in Pkt 3.3 dargelegten Beurteilung der Kenntnis der Klägerin der für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Umstände gelangt war.
[11] 4.2. Die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen außer den vorliegenden noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, ist aber ein Akt der Beweiswürdigung, welche im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden kann (RS0043320 [T15]); auch eine sogenannte vorgreifende Beweiswürdigung – selbst wenn sie vom Berufungsgericht zu Unrecht verneint worden wäre – wäre somit in dritter Instanz nicht überprüfbar (vgl RS0043099).
[12] 4.3. Das Gleiche gilt für angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind; auch sie können nach ständiger Rechtsprechung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (vgl RS0042963; RS0106371).
[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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