OGH 8Ob44/24i

OGH8Ob44/24i26.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. J*, vertreten durch die Dr. Andrea Wukovits Rechtsanwältin GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. November 2023, GZ 42 R 152/23y, 42 R 153/23w‑38, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 28. Februar 2023, GZ 10 C 9/19m‑26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00044.24I.0826.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.410,90 EUR (darin 235,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Parteien schlossen im Jahr 2015 in der Schweiz die Ehe. Für den Beklagten war es die zweite und für die Klägerin die dritte Ehe. Im selbenJahr wurde die gemeinsame Tochter geboren. Der Beklagte hat zwei weitere minderjährige Kinder aus erster Ehe, die Klägerin eine minderjährige Tochter aus einer früheren Beziehung. Im Jahr 2016 übersiedelten die Streitteile nach Wien, wo der Beklagte ein Einfamilienhaus erwarb, das er mit derKlägerinbewohnte. Als der Beklagte den Eindruck gewann, dass ihm die Klägerin untreu gewesen sei, brachte er eine Scheidungsklage ein, war jedoch bereit die Beziehung fortzusetzen, wenn die Klägerin einer Vereinbarung über den Unterhalt im Fall des neuerlichen Scheiterns der Beziehung zustimmt.

[2] Die Parteien unterfertigten daraufhin am 22. 2. 2018 eine notariell beglaubigte Unterhaltsvereinbarung, wonach der Beklagte im Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, ungeachtet des Verschuldens und der Gründe, der Klägerin im ersten Jahr 3.000 EUR, im darauffolgenden Jahr 2.000 EUR und danach 1.000 EUR monatlich an Unterhalt leistet, wovon sich die Klägerin bei fortgesetzter Nutzung des Hauses 50 % der entgangenen Mieteinnahmen zuzüglich Betriebskosten, höchstens jedoch 1.000 EUR monatlich anrechnen lässt. Der Beklagte zog daraufhin die Scheidungsklage zurück, doch kam es in weiterer Folge wieder zu Streitigkeiten, sodass er eine neuerliche Scheidungsklage einbrachte und aus dem Haus in Wien auszog.

[3] Die Klägerin begehrt Rechnungslegung über die tatsächlichen und möglichen Einkünfte des Beklagten sowie Bezahlung des sich daraus ergebenden Unterhalts, in eventu die Bezahlung bestimmter Unterhaltsbeträge. Der Beklagte habe sie böswillig verlassen. Er habe aus seiner Tätigkeit bei verschiedenen Unternehmen ein Einkommen von zumindest 25.000 EUR monatlich erzielt. Um sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen, habe er seinen Wohnsitz nach Malta verlegt, wo er ein Dienstverhältnis eingegangen sei, ohne dass die Klägerin sein nunmehriges Einkommen nachvollziehen könne.

[4] Der Beklagte bestritt und wendete ein, dass die Klägerin vor der Ehe ein Einkommen von 4.990 EUR erzielt habe, nach der Hochzeit aber vereinbarungswidrig keiner Beschäftigung mehr nachgegangen sei. Der Beklagte leiste die vereinbarten Unterhaltszahlungen, sodass die Klägerin keine weiteren Ansprüche geltend machen könne.

[5] Die Vorinstanzen verneinten die Sittenwidrigkeit der getroffenen Unterhaltsvereinbarung und wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob die getroffene Unterhaltsvereinbarung angesichts des hohen Einkommens des Beklagten ein derart krasses Missverhältnis bewirkt, dass es mit dem Wesen der Ehe nicht vereinbar ist.

[6] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine Abänderung des Urteils dahin anstrebt, dass ihrem Rechnungslegungsbegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[7] Der Beklagte beantragt die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[9] 1. Nach § 94 Abs 3 ABGB kann auf den Unterhaltsanspruch an sich im Vorhinein nicht verzichtet werden. Dies bedeutet, dass der Unterhaltsanspruch für die Zukunft dem Grunde nach unverzichtbar ist, nicht aber, dass nicht auch für die Zukunft ein Verzicht bezüglich einzelner Unterhaltsleistungen oder bezüglich Teilen von Unterhaltsleistungen möglich wäre (RS0009739). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Unterhaltsverzicht während des aufrechten Bestands der Ehe deshalb zulässig und setzt nur voraus, dass der Ehepartner auch tatsächlich imstande ist, seinen notwendigen Unterhalt aus eigenerErwerbstätigkeit zu bestreiten (RS0047073; RS0047082). Dass sie nicht in der Lage wäre, ihren notwendigen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten, hat die Klägerin nicht behauptet.

[10] 2. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 3 Ob 74/02g ausgesprochen, dass auch krass unterschiedliche Einkommensverhältnisse aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung zumindest dann zu akzeptieren sind, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft – wie dies auch im vorliegenden Fall zutrifft – aufgrund einer dauernden Trennung aufgehoben ist. Die dauernde Haushaltstrennung führt nämlich zu einer Lockerung der ehelichen Beistandspflichten, sodass ein Ehepartner, der selbst erwerbsfähig ist, auf eine vermögensrechtliche Unterstützung durch den anderen verzichten kann (siehe auch 4 Ob 84/13a und Ch. Rabl, Die Zulässigkeit eines Unterhaltsverzichts während aufrechter Ehe, ÖJZ 2000, 591 [596]).

[11] 3. Ob die Berufung auf einen Unterhaltsverzicht rechtsmissbräuchlich ist, wenn der Unterhaltsschuldner die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorsätzlich herbeigeführt hat, muss nicht beantwortet werden, weil die Klägerin ihre Behauptung, der Beklagte habe die Ehewohnung böswillig verlassen, im gegenständlichen Verfahren nicht unter Beweis stellen konnte. Die Ehe wurde mittlerweile mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 16. 2. 2023 zu 10 C 17/18m geschieden und ausgesprochen, dass das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe die Klägerin und den Beklagten zu gleichen Teilen trifft.

[12] 4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist damit von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt, sodass die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen war.

[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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