OGH 9Ob61/24x

OGH9Ob61/24x23.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner‑Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R*, und 2. G*, beide wohnhaft in *, beide vertreten durch Mag. Jürgen Pföstl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde *, vertreten durch Mag. Dr. Philipp Mödritscher, Rechtsanwalt in Hermagor, wegen Feststellung (hier: wegen Ablehnung gemäß § 19 JN), über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 25. April 2024, GZ 2 Nc 3/24y‑2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00061.24X.0723.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

1. Die von den Rekurswerbern mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden werden zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

3. Die Rekurswerber haben ihre Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger begehrten mit Klage vom 30. 11. 2021 die Feststellung, dass ein zwischen ihnen und der Beklagten geschlossener gerichtlicher Vergleich, in dem eine Grundstücksgrenze festgelegt worden war, für rechtsunwirksam erklärt werde. Der damals zuständige Richter war der nunmehr am Landesgericht * tätige *. Das Bezirksgericht * wies die Klage mit Urteil vom 6. Juni 2023 ab.

[2] Eingangs ihrer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung lehnten die Kläger alle Richter des als Berufungsgericht zuständigen Landesgerichts * ab. Es sei bei der Staatsanwaltschaft * gegen den Zweitkläger „ein Strafverfahren“ anhängig, worin dem Zweitkläger eine Verleumdung zum Nachteil des Richters * des Landesgerichts * zu Unrecht vorgeworfen werde. Angesichts des zwischen Richterinnen und Richtern des Landesgerichts * und dem Richter *, der „Anzeigenleger“ im „Strafverfahren“ sei, bestehenden kollegial-freundschaftlichen Naheverhältnisses sei bei objektiver Betrachtung die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit aller Richterinnen und Richter des Landesgerichts * in Zweifel zu ziehen. Bei ähnlich gelagerten Verhältnissen sei mit Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 5. Juni 2023, 11 Ns 12/23m, wegen Ausgeschlossenheit aller Richterinnen und Richter des Landesgerichts * die Rechtssache dem Landesgericht * übertragen worden, was auch hier beantragt werde.

[3] Von den insgesamt 47 derzeit am Landesgericht * tätigen Richterinnen und Richtern erklärten sich 32 (einschließlich der für die Berufung der Kläger zuständigen Mitglieder des Berufungssenats) für nicht befangen. 12 Richterinnen und Richter erklärten sich für befangen, * wies auf seine Ausgeschlossenheit hin.

[4] Die Staatsanwaltschaft * teilte dem Zweitkläger mit Schreiben (Begründung der Einstellung des Ermittlungsverfahrens) vom 7. Februar 2024, 14 St 123/22x, mit, dass das Ermittlungsverfahren aus Beweisgründen nach § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde.

[5] Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Graz (Erstgericht) den Ablehnungsantrag als unberechtigt ab und sprach aus, dass eine Delegation der Rechtssache nach § 30 JN nicht stattfinde. Es hätten sich knapp mehr als zwei Drittel der am Landesgericht * tätigen Richter für nicht befangen erklärt; weitere über das kollegiale Verhältnis hinausgehende Befangenheitsgründe würden in Bezug auf einzelne Richterinnen und Richter nicht geltend gemacht. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz zu 11 Ns 12/23m sei zugrunde gelegen, dass sich dort mit Ausnahme eines in Zivilrechtssachen tätigen Richters alle übrigen Richterinnen und Richter des Landesgerichts * für befangen erklärt hätten. Das Ermittlungsverfahren gegen den Zweitkläger sei zudem eingestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichtete Rekurs der Ablehnungswerber ist nicht berechtigt:

[6] 1. Die im Rahmen des Rekurses erfolgte Urkundenvorlage sowie das dazu erstattete Vorbringen verstoßen gegen das Neuerungsverbot.

[7] 2. Die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist nur bei Ablehnung sämtlicher seiner einzelnen Richterinnen und Richter unter Angabe konkreter Ablehnungsgründe möglich (RS0045983 [T6]; RS0046005 [T1]). Ablehnungsgründe sind detailliert und konkret anzugeben (RS0045962 [T7]). Pauschal und ohne Anführung bestimmter Gründe zu jeweils namentlich bezeichneten Richterinnen und Richtern eingebrachte Ablehnungserklärungen sind nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RS0046011 [T3]).

[8] Eine unzulässige indifferente Pauschalablehnung ist zwar dann nicht gegeben, wenn dem Antrag zu entnehmen ist, dass bei jedem einzelnen Richter im Wesentlichen dieselben Ablehnungsgründe vorliegen (vgl RS0045983 [T10, T11]). Ebenso, wenn die dargelegten Gründe offenkundig auf sämtliche Abgelehnten gleichermaßen zutreffen. Allerdings muss es sich bei diesen Gründen um solche handeln, deren Tatsachengehalt zumindest eine Überprüfung auf ihre sachliche Berechtigung zulässt (RS0045983 [T23]; RS0046005 [T25]) und die den Anschein einer persönlichen, auf die erkennenden Richterinnen und Richter bezogenen Befangenheit (Voreingenommenheit) begründen (vgl RS0046005 [T2, T4, T16]).

[9] 2.2. Insbesondere bei größeren Gerichten reicht der Umstand, dass ein nicht demselben Senat angehörender Kollege durch ein anhängiges Verfahren involviert sein könnte, für sich allein nicht aus, die Befangenheit aller anderen Mitglieder dieses Gerichts auch dann anzunehmen, wenn sie darlegen, mangels weiterer als beruflicher Kontakte mit diesem Kollegen nicht befangen zu sein (RS0046129).

[10] 2.3. Der Rekurs führt wie bereits im Ablehnungsantrag keine detaillierten und konkreten Ablehnungsgründe hinsichtlich der einzelnen Richterinnen und Richter des Landesgerichts * ins Treffen und werden auch keine Gründe geltend gemacht, deren Tatsachengehalt zumindest eine Überprüfung auf die sachliche Berechtigung der pauschalen Ablehnung zulässt (RS0045983 [T23]; RS0046005 [T25]).

[11] 3.1. Wie das Erstgericht bereits richtig ausführte, ist nach ständiger Rechtsprechung stets in Bezug auf die Rechtssache, in der ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt wird, zu prüfen, ob eine Befangenheit vorliegt (RS0045966). Die Entscheidung über die Befangenheit von Richtern bezieht sich somit immer nur auf das betreffende Verfahren (2 Ob 183/14x).

[12] 3.2. Schon daher zeigen die Rekurswerber mit ihrem Hinweis auf die in einem anderen Verfahren ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz zu 11 Ns 12/23m keine Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung auf.

[13] 4. Den Rekursausführungen, die überdies in überwiegenden Teilen zudem aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich sind (vgl RS0042091), ist kein substanziierter Ablehnungsgrund zu entnehmen, weshalb von einer insgesamt unzulässigen Pauschalablehnung auszugehen ist.

[14] Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

[15] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

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