OGH 5Ob85/24x

OGH5Ob85/24x4.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers D*, geboren am *, vertreten durch Bischof Zorn und Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchshandlungen ob der EZ * KG *, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 8. Februar 2024, AZ 17 R 3/24y, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 6. November 2023, TZ 6290/2023, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00085.24X.0704.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Grundbuchsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die aufgrund dieses Beschlusses erforderliche Wiederherstellung des Buchstands sowie die Verständigung der Beteiligten bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller war mit der Alleineigentümerin der im Kopf genannten Liegenschaft verheiratet. Diese bot ihm mit Notariatsakt vom 3. Februar 1994 die Schenkung der Liegenschaft an, wobei diese Urkunde folgende Bestimmung enthält:

„Zur Annahme dieses Anbots ist [Antragsteller] nur innerhalb von 3 Monaten ab rechtskräftiger Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung seiner Ehe mit [Liegenschaftseigentümerin] berechtigt.“

[2] Der Antragsteller erklärte mittels Notariatsakt vom 27. März 2023 die Annahme dieses Anbots. Mit notariellem Protokoll vom 1. September 2023 wurde diese Annahmeerklärung an die Liegenschaftseigentümerin zugestellt.

[3] In dem vom Antragsteller eingeleiteten Ehescheidungsverfahren schied das Erstgericht die Ehe mit Urteil vom 25. November 2022 aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Das Berufungsgericht gab ihrer Berufung teilweise Folge und schied die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten. Dieses Urteil ist seit 1. September 2023 rechtskräftig.

[4] Der Antragsteller begehrte unter Vorlage des Anbots vom 3. Februar 1994, der Annahmeerklärung vom 27. März 2023, des Intimationsprotokolls vom 1. September 2023, des Scheidungsurteils des Berufungsgerichts samt Rechtskraftbestätigung, seines Staatsbürgerschaftsnachweises und zweier Löschungserklärungen die Einverleibung seines Eigentumsrechts sowie die Löschung von Belastungs‑ und Veräußerungsverboten.

[5] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag.

[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Liegenschaftseigentümerin Folge und wies den Grundbuchsantrag ab. Die Offerentin habe sich ausbedungen, dass das Anbot nur innerhalb von drei Monaten ab rechtskräftiger Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe angenommen werden könne. Die Scheidung sei erst seit 1. September 2023 rechtskräftig, sodass zwar die Annahmeerklärung im Zeitfenster der Anbotstellerin zugegangen, nicht aber die Annahme selbst erklärt worden sei. Die verfrühte Annahme habe nicht dem Anbot entsprochen und sei nicht als Grundlage der Eigentumseinverleibung geeignet. Da das Grundbuchsgesuch zweifelsfrei die Löschung der Belastungs‑ und Veräußerungsverbote nur bei gleichzeitiger Einverleibung des Eigentumsrechts anstrebe, sei es auch insoweit abzuweisen.

[7] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die eigentliche Annahme innerhalb des gewährten Zeitfensters erfolgen müsse oder es ausreiche, dass der Zugang der Annahmeerklärung im angebotenen Zeitfenster liege.

[8] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, in dem er die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Bewilligungsbeschlusses anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil dem Rekursgericht eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Er ist auch berechtigt.

[10] Der Revisionsrekurswerber führt ins Treffen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 463/97t; 5 Ob 91/05a; 5 Ob 38/17z [zu Kaufverträgen]; 5 Ob 63/22h [zum Schenkungsvertrag]) Verträge, die mittels gesonderter Anbot‑ und Annahmeerklärung abgeschlossen werden, erst mit dem Zugang der Annahmeerklärung beim Offerenten zustandekommen. Daher sei für die Eintragung im Grundbuch der Zugang der Annahmeerklärung urkundlich nachzuweisen. Zur Frage, ob die Annahme der Schenkung innerhalb des eingeräumten Zeitfensters erklärt worden sei, sei nur auf den Zugang der Annahmeerklärung abzustellen und das Anbot – auch nach dem Parteiwillen – in diesem Sinn auszulegen. Die Offerentin sei an ihr Anbot gebunden gewesen. Das Datum der Annahmeerklärung des Antragstellers sei rechtlich irrelevant. Kongruente Willenserklärungen seien vorgelegen.

Dazu wurde erwogen:

[11] 1.1. Gemäß § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Es darf eine grundbücherliche Eintragung (unter anderem) nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Dabei ist es dem Grundbuchsgericht nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RS0060573) verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunde erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben vielmehr zur Abweisung des Grundbuchgesuchs zu führen.

[12] 1.2. Grundsätzlich hat sich das Grundbuchsgericht bei der Prüfung des Gesuchs auf die Auslegung des Wortlauts des Vertrags zu beschränken (RS0060573 [T10]; 5 Ob 157/23h). Komplizierte Erwägungen tatsächlicher und rechtlicher Natur, um den wahren Willen der Vertragsteile zu ergründen, sind nicht anzustellen (RS0060573 [T11]). Es hat sich auf die Auslegung des Wortlauts des Vertrags zu beschränken, keinen davon abweichenden Parteiwillen zu ermitteln und keine Zweifelsfragen durch vom Wortsinn nicht mehr gedeckte Interpretation zu klären (5 Ob 141/09k). Allerdings steht es dem Grundbuchsgericht durchaus zu, aus den ihm vorgelegten Urkunden unmittelbar logische Schlussfolgerungen zu ziehen (5 Ob 82/08g; 5 Ob 157/23h).

[13] 2.1. Als Grundlage des Einverleibungsbegehrens legte der Antragsteller hier das als Notariatsakt erstellte Anbot der Liegenschaftseigentümerin und seine Annahmeerklärung samt Intimationsprotokoll vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RS0108978) kommt ein Vertrag, der – wie hier – mittels gesonderter Anbot‑ und Annahmeerklärung abgeschlossen wird, erst mit dem Zugang der Annahmeerklärung beim Offerenten zustande, sodass dieser Zugang dem Grundbuchsgericht urkundlich nachzuweisen ist. Wurde dem Grundbuchsgesuch des Erklärenden ein urkundlicher Nachweis dafür, dass diese gesonderte Annahmeerklärung dem Offerenten auch zugegangen ist, nicht beigeschlossen, darf das Grundbuchsgericht nicht von einem solchen Zugang ausgehen, womit es im Sinn des § 26 Abs 2 GBG an einem gültigen Rechtsgrund für den beabsichtigten Eignungserwerb fehlen würde (5 Ob 91/05a; 5 Ob 38/17z). Die Unterfertigung einer Erklärung der Annahme des Anbots kann ohne rechtzeitigen Zugang den Vertragsabschluss für sich allein nicht bewirken (RS0108978).

[14] 2.2. Dass das vom Antragsteller dem Grundbuchsgericht vorgelegte Intimationsprotokoll über die Zustellung der Annahmeerklärung an die Offerentin am 1. September 2023 eine rechtswirksame Zustellung dieser Erklärung innerhalb des von der Offerentin in ihrem Anbot genannten Zeitraums nachweist, hat schon das Rekursgericht zutreffend erkannt und bedarf keiner weiteren Erörterung. Zu prüfen bleibt, ob die Annahmeerklärung dem Anbot entsprach und ob der Umstand allein, dass die Annahme des Antragstellers zu einem Zeitpunkt noch vor der im Anbot genannten Frist erklärt wurde, rechtlich relevant sein könnte.

[15] 3.1. Die Auffassung des Rekursgerichts, es liege keine kongruente Annahmeerklärung des Antragstellers vor, ist nicht zu teilen. Der vorgelegte Notariatsakt mit der Annahmeerklärung zitiert das konkrete Anbot zum Abschluss des Schenkungsvertrags. Der Antragsteller erklärt dort, die Bestimmungen des Anbots genau zu kennen und das Anbot vollinhaltlich anzunehmen. Auch das Rekursgericht meint im Übrigen nur, die Annahme habe „in zeitlicher Hinsicht“ nicht dem Anbot entsprochen, inhaltliche Abweichungen sah es nicht.

[16] 3.2. Im Anbot wurde der Antragsteller zu dessen Annahme innerhalb von drei Monaten ab rechtskräftiger Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung seiner Ehe mit der Offerentin berechtigt. Das Rekursgericht sah eine erhebliche Rechtsfrage darin, ob auch die eigentliche Annahmeerklärung innerhalb des gewährten Zeitfensters erfolgen müsse und hielt siefür verfrüht. Dem ist nicht zu folgen.

[17] 3.3. Soweit der Revisionsrekurs mit den Auslegungsregeln der §§ 914f ABGB und dem Parteiwillen argumentiert, ist dies allerdings nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Fachsenats (5 Ob 113/21k; 5 Ob 157/23h) nicht Aufgabe des Grundbuchsgerichts. Ein vom Urkundenwortlaut abweichender Parteiwille kann im Grundbuchverfahren nicht ermittelt werden. Eines derartigen Auslegungsschrittes bedarf es hier aber gar nicht.

[18] 3.4. Auf die ständige Rechtsprechung zum wirksamen Zustandekommen eines Vertragsabschlusses (erst) mit Zugang der Annahmeerklärung an den Offerenten im Fall getrennter Anbots‑ und Annahmeerklärungen wurde bereits verwiesen. Daraus ergibt sich logisch, dass der Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung grundsätzlich rechtlich irrelevant ist. Abzustellen ist nach der Regelung des § 862a erster Satz ABGB vielmehr ausschließlich auf den Zugang der Annahmeerklärung (die eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist – RS0014094) an den Offerenten. Aus dem Wortlaut der von der Offerentin hier vorgegebenen Annahmefrist geht zwar hervor, dass der Revisionsrekurswerber zur Annahme des Anbots erst innerhalb von drei Monaten ab rechtskräftiger Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe berechtigt ist, nicht aber, dass die Annahmeerklärung selbst (die grundsätzlich irrelevant ist, zumal sie bis zu deren Zugang an die Offerentin jederzeit widerrufbar wäre – vgl RS0014094 [T1]) innerhalb dieses Zeitrahmens abzugeben wäre. Der Wortlaut der Vertragsbestimmung spricht nur von der „Annahme des Anbots“, die aber rechtswirksam erst mit Zugang der Annahmeerklärung erfolgen kann.

[19] 3.5. Zusammengefasst ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden daher, dass die Annahmeerklärung dem Anbot entsprach und die Annahme – wie im Anbot formuliert – innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft der Scheidung durch Übermittlung der grundbuchsfähig gefertigten Annahmeerklärung des Antragstellers an die Liegenschaftseigentümerin rechtswirksam erfolgte. Dem Einverleibungsbegehren und der damit verbundenen Löschung der Belastungs‑ und Veräußerungsverbote steht somit kein Abweisungsgrund entgegen.

[20] 4. In Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichts war daher die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

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