European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00046.24D.0625.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiete: Schiedsverfahrensrecht, Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.342,75 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrte die Feststellung, ein mit dem Beklagten am 4. 11. 2016 geschlossener Vertrag enthalte keine (wirksame) Schiedsklausel.
[2] Der Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage und hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens. Er entgegnete unter anderem, eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schiedsvereinbarung sei nicht zulässig.
[3] Das Erstgericht folgte der Ansicht des Beklagten und wies die Klage zurück.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es seit dem Inkrafttreten des SchiedsRÄG 2006 keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage gebe, ob bei den ordentlichen Gerichten auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer (wirksamen) Schiedsvereinbarung geklagt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der vom Beklagten beantwortete Revisionsrekurs des Klägers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
[6] 1. Nach § 578 Abs 1 ZPO idF SchiedsRÄG 2006, BGBl I 7/2006, darf das Gericht in den im Vierten Abschnitt des Sechsten Teils der ZPO (§§ 577–618, „Schiedsverfahren“) geregelten Angelegenheiten nur tätig werden, „soweit dieser Abschnitt es vorsieht“. Diese Bestimmung stellt klar, dass die §§ 577–618 ZPO die Kompetenzen der staatlichen Gerichte in Bezug auf Schiedsverfahren taxativ regeln (Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 578 ZPO Rz 21). Sie bezweckt –soweit hier relevant – die Klarstellung des Umfangs richterlicher Intervention im Schiedsverfahren im Interesse größtmöglicher Eigenständigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit, der Entlastung der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Rechtssicherheit für Schiedsparteien und Schiedsrichter (Hausmaninger aaO Rz 2 mwN; Ischia/Mayr,Das neue österreichische Schiedsverfahrensrecht, RIW 2006, 881 [883]). Im internationalen Kontext signalisiert sie, dass in Österreich Schiedsverfahren geführt werden können, ohne dass dabei vom Gesetz nicht vorgesehene Beschränkungen zur Anwendung kommen können (Zeiler, Schiedsverfahren2 § 578 Rz 2).
[7] 2. Im Gegensatz zur Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Schiedsspruchs (unter der Voraussetzung eines rechtlichen Interesses daran, § 612 ZPO) sehen die §§ 577–618 ZPO keine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schiedsvereinbarung vor. Aus den Materialien zum SchiedsRÄG 2006 (ErläutRV 1158 BlgNR XXII. GP ) ergibt sich, dass dies eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers war: Bereits im Allgemeinen Teil betonte er, dass „die derzeit noch mögliche negative Feststellungsklage (Feststellung, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht) nun entfallen soll“ (S 4). Im Besonderen Teil ergänzte er zu § 578 ZPO ausdrücklich: „Die Bestimmung hat zur Konsequenz, dass eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schiedsvereinbarung vor den staatlichen Gerichten weder während des Schiedsverfahrens noch davor (wie dies etwa § 1032 dZPO vorsieht) zulässig ist“ (S 6; zu den Gründen für diese Entscheidung des Gesetzgebers s Oberhammer, Entwurf eines neuen Schiedsverfahrensrechts, 57 ff, oder wortgleich ders in Kloiber/Rechberger/Oberhammer/Haller,Das neue Schiedsrecht – SchiedsRÄG 2006, 199 ff).
[8] 3. Daraus folgt, dass eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schiedsvereinbarung unzulässig ist. Das ist auch die herrschende Ansicht in der Literatur (Ischia/Mayr, RIW 2006, 881 [883]; Nueber in Höllwerth/Ziehensack, TaschKomm ZPO § 578 Rz 2; Plavec in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 578 Rz 4; Rechberger in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 6/65 ff; Rechberger/Hofstätter in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 578 Rz 2; Reiner, Das neue österreichische Schiedsrecht § 578 Rz 9; Weber in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Schiedsrecht Rz 14.11; Zeiler, Schiedsverfahren2 § 578 Rz 4, § 584 Rz 2; weitere Nachweise finden sich zB bei Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 578 ZPO Rz 19 [FN 31] und Konrad in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 2/66 [FN 206]).
[9] 4.1. Der Kläger stützt sich im Wesentlichen auf die abweichende Ansicht Hausmaningers, der die Zulässigkeit einer Feststellungsklage über Bestehen oder Nichtbestehen einer Schiedsvereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen bejaht (Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 578 Rz 19 ff). Hausmaninger meint, die in den Materialien erklärte Absicht des Gesetzgebers, auf die sich die herrschende Ansicht stütze, gehe weder aus Wortlaut und Systematik der §§ 577 ff ZPO noch aus teleologischen Erwägungen hervor (aaO Rz 20). Für den – hier zu beurteilenden – Fall vor der Einleitung eines Schiedsverfahrens argumentiert er unter Bezugnahme auf § 578 Abs 1 iVm § 584 Abs 1 S 1 ZPO (aaO Rz 22 ff): Seien die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung als deren Vorfrage „Gegenstand einer Schiedsvereinbarung“ iSd § 584 Abs 1 S 1 ZPO, decke diese Bestimmung die fragliche Feststellungsklage. Nehme man dagegen an, dass die Entscheidung über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht unmittelbar „Gegenstand einer Schiedsvereinbarung“ sei, seien die §§ 577 ff ZPO gar nicht anwendbar und die Kompetenzen des staatlichen Gerichts nach dem allgemeinen Zivilprozessrecht zu beurteilen, das eine Feststellungsklage jedenfalls bei einem hinreichenden Interesse zulasse. Hausmaninger sieht seine Argumentation auch durch teleologische Erwägungen untermauert, vor allem in Fällen, in denen die Schiedsvereinbarung auf groben Willensmängeln beruhe (aaO Rz 25; vgl dazu auch Konrad in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 2/72, 2/74).
[10] 4.2. Der Senat hält diese Bedenken gegen die herrschende Ansicht für nicht stichhältig: § 584 Abs 1 S 1 ZPO sieht – iSd § 578 Abs 1 ZPO – eine konkrete Kompetenz des ordentlichen Gerichts mit Bezug auf Schiedsverfahren vor, nämlich die (notwendige) Beurteilung der Schiedsvereinbarung im Fall einer Schiedseinrede (oder im wenig wahrscheinlichen Fall, dass das Gericht anderweitig von einer möglichen Schiedsvereinbarung Kenntnis erlangt; vgl Rechberger in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 6/68). Für die vom Kläger erhobene Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schiedsvereinbarung fehlt es an einer vergleichbaren gesetzlichen Regelung, sowohl in § 584 Abs 1 ZPO als auch in den übrigen Bestimmungen dieses Abschnitts – und damit an einer Kompetenz des staatlichen Gerichts iSd § 578 Abs 1 ZPO. Auf die Frage, was alles „Gegenstand einer Schiedsvereinbarung“ iSd § 584 Abs 1 S 1 ZPO ist, kommt es daher hier nicht an. Der Zweck des § 578 Abs 1 ZPO wiederum ist, wie oben dargelegt, (nur) die Klarstellung des Umfangs richterlicher Intervention im Schiedsverfahren. Mit diesem Zweck steht die herrschende Ansicht, die sich mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers deckt, im Einklang. Teleologische Erwägungen in Bezug auf allfällige (grobe) Willensmängel der Schiedsvereinbarung haben nicht Eingang in die §§ 577 ff ZPO gefunden.
[11] 5. Zusammengefasst sprechen der Wortlaut des § 578 Abs 1 ZPO und die Systematik der §§ 577 ff ZPO für die herrschende Ansicht: § 578 Abs 1 ZPO beschränkt die Kompetenzen der ordentlichen Gerichte im Schiedsverfahren auf die in den §§ 577 ff ZPO geregelten. Die §§ 577 ff ZPO wiederum sehen keine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schiedsvereinbarung vor. Diese Interpretation entspricht der Absicht des Gesetzgebers, die – wie bereits Rechberger konstatierte (in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht I Rz 6/68) – nicht klarer formuliert sein könnte, und dem objektiven Zweck des § 578 Abs 1 ZPO, den Umfang richterlicher Intervention im Schiedsverfahren – auch mit Signalwirkung im internationalen Kontext – klarzustellen. Der Senat kommt daher mit der herrschenden Ansicht zum Ergebnis, dass eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schiedsvereinbarung bei einem ordentlichen Gericht nicht zulässig ist.
[12] 6. Die Vorinstanzen haben die Klage damit zu Recht zurückgewiesen; dem Revisionsrekurs ist somit nicht Folge zu geben.
[13] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat nach seinen Angaben weder einen Wohnsitz in Österreich noch im sonstigen Unionsgebiet. Die für ihn erbrachten Leistungen der Beklagtenvertreterin, die ihren Sitz in Österreich hat, unterliegen daher – unabhängig davon, ob der Beklagte Unternehmer oder Nichtunternehmer ist –, nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Sie gelten als am Ort des Empfängers ausgeführt und unterliegen der dortigen Umsatzsteuer (vgl § 3a Abs 6, Abs 14 Z 3 und 4 UStG; vgl auch RS0114955 [insb T1, T2]; 3 Ob 73/20m). Die in der Entscheidung 3 Ob 7/23k vertretene Rechtsansicht, ein in einem Drittstaat wohnhafter Nichtunternehmer habe für die Vertretungsleistungen seines österreichischen Rechtsanwalts Anspruch auf Ersatz der österreichischen Umsatzsteuer, wird vom Senat nicht geteilt. Der Beklagte hat kommentarlos 20 % Umsatzsteuer verzeichnet und damit nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (vgl RS0114955), die nicht zu entrichten ist. Die – hier nicht gerichtsbekannte – Höhe der ausländischen Umsatzsteuer (Uruguay) hat er weder behauptet noch bescheinigt. Insofern hat er daher keinen Kostenersatzanspruch.
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