OGH 5Ob73/24g

OGH5Ob73/24g21.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in derRechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D*, vertreten durch Mag. Hans Georg Popp, Rechtsanwalt in Gratwein, wegen Leistung (Streitwert: 196.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Februar 2024, GZ 44 R 375/23g‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00073.24G.0621.001

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind iranisch‑österreichische Doppelstaatsbürger und haben am 18. November 2004 im Iran die Ehe geschlossen. Beim Erstgericht ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Im Rahmen der Eheschließung vereinbarten sie vor dem Notariat in Teheran die Leistung einer Morgengabe durch den Beklagten an die Klägerin. Unter anderem wurde vereinbart, dass der Beklagte 1.027 Goldmünzen Bahar Azadi auf Verlangen der Ehefrau an diese zu entrichten hat. Bisher erhielt die Klägerin die Goldmünzen vom Beklagten nicht.

[2] Die Klägerin begehrt vom Beklagten gestützt auf diese Vereinbarung die Ausfolgung von 400 Goldmünzen Bahar Azadi.

[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1.1. Die Auffassung, auf die im Jahr 2004 abgeschlossene Vereinbarung der Leistung einer Morgengabe sei mangels Anwendbarkeit einschlägiger Unionsverordnungen § 8 IPRG anzuwenden, zieht die Revision nicht in Zweifel. Dies ist auch nicht zu beanstanden, bezieht sich nach Art 69 Abs 3 der Verordnung (EU) 2016/1103 des Rats vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des Güterstands (EuGüVO) das Kollisionsrecht dieser Verordnung nur auf Ehegatten, die am 29. Jänner 2019 oder danach die Ehe eingegangen sind oder eine Rechtswahl des auf ihren Güterstand anzuwendenden Rechts getroffen haben. Die Rom I‑VO wiederum ist nur auf Verträge anzuwenden, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden (Art 28 Rom I‑VO).

[7] 1.2. Nach § 8 IPRG ist die Form einer Rechtshandlung nach demselben Recht zu beurteilen wie die Rechtshandlung selbst, es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Staats, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wird. Unter den beiden Anknüpfungsmöglichkeiten des § 8 IPRG besteht keine Rangordnung, die lex loci actus und die lex causae stehen gleichberechtigt nebeneinander (RS0077030). Es reicht daher aus, wenn die Form einer der beiden Rechtsordnungen entspricht (RS0077030 [T2]; Verschraegen in Rummel/Lukas/Geroldinger ABGB4 § 8 IPRG Rz 5).

[8] 2.1. Das Erstgericht verneinte (unter Verweis auf 1 Ob 213/18g) das Vorliegen einer Aufteilungsvereinbarung iSd § 97 EheG und einer Schenkung. Das Berufungsgericht bestätigte die Einordnung der Vereinbarung als familienrechtlichen Vertrag sui generis und verneinte das Vorliegen eines Ehepakts. Ob die konkrete Vereinbarung ihrem Inhalt und Zweck nach (auch) auf eine Regelung der Aufteilung bzw des ehelichen Güterstands gerichtet sein könnte (für eine Beurteilung im Einzelfall und gegen eine generelle Einordnung der Vereinbarung einer Morgengabe vgl 1 Ob 213/18g) und daher – nach österreichischem Recht – (allenfalls) Notariatsaktspflicht anzunehmen sein könnte, kann aber dahinstehen, sodass sich die in diesem Zusammenhang aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage nicht stellt.

[9] 2.2. Nach § 8 IPRG würde es nämlich selbst für den Fall, dass von einem Ehepakt oder einer Aufteilungsvereinbarung auszugehen wäre, ausreichen, dass diese Vereinbarung den Formvorschriften des Ortsstatuts, also dem iranischen Recht entsprochen hatte. Dass dies keine der Parteien im Verfahren erster Instanz in Zweifel gezogen hatte, entspricht der Aktenlage. Zwar wäre die Ermittlung fremden Rechts nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen durchzuführen und eine unrichtige Lösung der Rechtsanwendungsfrage im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Sache wahrzunehmen, wenn in die rechtliche Beurteilung tatsächlich einzutreten ist (RS0040031 [T2]). In einer außerordentlichen Revision müsste der Revisionswerber allerdings zumindest ansatzweise darlegen, warum nach der richtig anzuwendenden Rechtsordnung ein günstigeres als das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis zu erwarten ist (RS0040189 [T5]). Dies ist unterblieben.

[10] 2.3. Erstmals in der Ausführung seiner außerordentlichen Revision behauptet der Beklagte zwar, die Vereinbarung habe „den Formvorschriften“ nicht entsprochen, bringt dazu aber nur vor, die iranischen Vorschriften hätten erhoben werden müssen, um deren Gleichwertigkeit mit den österreichischen prüfen zu können. Darauf kommt es allerdings nach § 8 IPRG nicht an. Dass die Vereinbarung nach iranischem Recht ungültig wäre, behauptet der Beklagte weder in seinem Zulassungsantrag noch in der außerordentlichen Revision selbst. Dazu liegt eine gesetzesgemäß ausgeführte Rechtsrüge gar nicht vor. Ob für die konkrete Vereinbarung nach den Formvorschriften des österreichischen Rechts Notariatsaktspflicht bestünde, ist daher insgesamt irrelevant, weil die Formungültigkeit nach iranischem Recht selbst in der Revision nicht behauptet wird.

[11] 3.1. Eine Unwirksamkeit oder Sittenwidrigkeit der Vereinbarung legt der Revisionswerber nicht dar. Warum eine Diskriminierung nach dem Geschlecht vorliegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Verfahrensgegenständlich sind nicht die iranischen Bestimmungen über die Morgengabe, sondern die zwischen den Streitteilen konkret abgeschlossene Vereinbarung. Warum im Hinblick darauf, dass – so das Vorbringen des Beklagten selbst – die Morgengabe im Wesentlichen die einzige Sicherstellung der Ehefrau im Verhältnis zum (behauptetermaßen) ansonsten bevorrechteten Ehemann ist, eine Diskriminierung des Beklagten vorliegen sollte, erschließt sich nicht.

[12] 3.2. Auch Wucher haben die Vorinstanzen in einer nicht korrekturbedürftigen Weise verneint. Gerade der Umstand, dass der Vater des Beklagten diesem im Beisein der versammelten Familien der Eheleute mitteilte, die geforderte Morgengabe sei hoch, spricht eher gegen eine Zwangslage oder Unerfahrenheit des Beklagten; auch für ein Ausnützen dieser Lage durch die Klägerin fehlt es an einer Grundlage im Sachverhalt.

[13] 3.3. Selbst ein objektives Missverhältnis oder die Unverhältnismäßigkeit von Leistungen begründet nicht für sich allein Sittenwidrigkeit (vgl RS0016482 [T5]). Warum die Vereinbarung im – für diese Beurteilung relevanten (vgl [zu § 879 Abs 3 ABGB] RS0016914 [T5, T64]) – Abschlusszeitpunkt derart unangemessen gewesen sein soll, dass dies Sittenwidrigkeit begründen würde, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten selbst, die Morgengabe habe den Zweck, die Ehefrau für den Fall der Scheidung abzusichern und sei als Aufteilungsvereinbarung zu verstehen, kann die bloße Behauptung, er sei bei Vertragsabschluss einkommens‑und vermögenslos gewesen, nicht für ein Sittenwidrigkeitsurteil ausreichen, zumal entsprechende Mittel im Lauf der Ehe noch erwirtschaftet hätten werden können. Für eine Existenzgefährdung des Beklagten aufgrund der Vereinbarung fehlt es an einer Grundlage im Sachverhalt.

[14] 3.4. Worin ein Ordre-Public‑Verstoß liegen soll, wird aus der Revision nicht klar.

[15] 3.5. Wenn der Beklagte meint, die Sittenwidrigkeit könne sich aus der zum heutigen Wertverhältnis berechneten Verbindlichkeit von 500.000 EUR und dem Umstand ergeben, dass die Morgengabe zur Absicherung der Klägerin vor dem Hintergrund fehlender Ansprüche nach iranischem Recht vereinbart wurde, sie aber nun Ansprüche nach österreichischem Aufteilungsrecht haben werde, spricht er Umstandsänderungen nach Abschluss der Vereinbarung an, die nicht die – allein maßgebliche –Interessensabwägung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses betreffen (vgl RS0016914 [T5, T64]). Ob eine tatsächlich erbrachte Leistung der Morgengabe durch den Beklagten in einem etwaigen Aufteilungsverfahren zu berücksichtigen sein wird, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu klären.

[16] 4. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

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