European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00038.24F.0619.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 1. Dezember 2023, GZ 15 Hv 21/23v‑36.4, verletzt in der Subsumtion der zu Punkt B/ des Schuldspruchs angeführten Taten auch nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB das Gesetz in dieser Bestimmung.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in Punkt E/ des Schuldspruchs, soweit dieser die zu Punkt B/ angeführten Taten umfasst (insoweit ersatzlos), demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und es wird die Sache zur Strafneubemessung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – * T* mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB (B/) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (E/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in K*
B/ wehrlose Personen unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihnen geschlechtliche Handlungen, nämlich „Handverkehr“ am Glied der jeweils tief schlafenden Opfer, vornahm, und zwar
1/ * F* zwischen Jänner 2016 und Juni 2023 fünf Mal;
2/ R* M* zwischen Jänner 2017 und Juni 2023 fünf Mal;
3/ R* M* zwischen Jänner 2019 und Juni 2023 zehn Mal;
4/ * B* 2018 einmal;
E/ die (unter anderem) zu B/ geschilderten Taten an minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstellt waren, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen begangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Wahrungsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[4] Die Ausnützung einer Autoritätsstellung ist nämlich gegenüber – wie hier jeweils infolge Tiefschlafs – im Sinn des § 205 Abs 1 erster Fall StGB wehrlosen Personen begrifflich ausgeschlossen, weshalb eine (diese Tatmodalität voraussetzende) Subsumtion nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0106294 [insbesondere T4]; Hinterhofer, SbgK § 212 Rz 47; vgl auch Philipp in WK2 StGB § 212 Rz 10), weshalb der Schuldspruch zu Punkt E/, soweit dieser die zu Punkt B/ angeführten Taten erfasst, letztere Bestimmung verletzt.
[5] Da nicht auszuschließen ist, dass sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
[6] Die vom Angeklagten gegen den (nunmehr aufgehobenen) Strafausspruch ergriffene Berufung, über die das Oberlandesgericht noch nicht entschieden hat, ist somit gegenstandslos.
[7] Strafneubemessung durch den Obersten Gerichtshof kam übrigens nicht in Betracht, weil das Gesetz eine Vorführung des in Haft Befindlichen zum Gerichtstag, in dem über eine von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde entschieden wird, nicht vorsieht (RIS‑Justiz RS0100163; 13 Os 65/14d, 66/14a; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 23 und 31).
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