OGH 14Os41/24x

OGH14Os41/24x19.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Loibl  LL.M., BSc in der Strafsache gegen * S* wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1, 2 und 4 zweiter Fall SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 82 Hv 79/22w des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 4. Juli 2022 (ON 45) ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M. und des Verteidigers Mag. Burger LL.M. zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: E141693

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Juli 2022, GZ 82 Hv 79/22w‑45, verletzt in seinem Strafausspruch § 28a Abs 1 SMG sowie § 39 Abs 1 StGB iVm § 270 Abs 4 Z 2 und § 488 Abs 1 StPO.

Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und – insoweit aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde – im Konfiskationserkenntnis sowie der zugleich gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 iVm § 488 Abs 1 StPO) Urteil wurde * S* je eines Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1, 2 und 4 (zu ergänzen: zweiter Fall) SMG (A) und des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 (zu ergänzen: erster Fall) SMG (B) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, wobei er selbst an Suchtgift gewöhnt ist und die Taten vorwiegend deshalb begangen hat, um sich Suchtgift oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen,

A/ von einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2022 bis zum 2. April 2022 mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, wobei er die Tat in Bezug auf Suchtgift in einer das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge beging, und zwar insgesamt 577,90 Gramm Kokain (Reinsubstanz 418,80 Gramm Cocain) und 74,3 Gramm Cannabiskraut (Reinsubstanz ein Gramm Delta‑9‑THC und 13,17 Gramm THCA);

B/ in mehreren Angriffen anderen überlassen, und zwar

I/ von Jänner bis April 2022 insgesamt 75 Gramm Kokain (Reinsubstanz 48 Gramm Cocain) zwei im angefochtenen Urteil namentlich genannten Abnehmern;

II/ von Jänner 2020 bis April 2022 insgesamt 190 Gramm Cannabiskraut (1,62 Gramm Delta‑9‑THC und 21,24 Gramm THCA) zwei namentlich genannten Abnehmern.

[3] Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhängte „unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, des § 39 Abs 1 StG[B] sowie der §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das hg. Urteil zu 045 Hv 10/22a vom 25.04.2022“ nach dem „Strafsatz des § 28a Abs 1 SMG“ eine „Zusatz‑Freiheitsstrafe“ von einem Jahr.

[4] Überdies ordnete es an, „das sichergestellte Mobiltelefon“ gemäß § 19a Abs 1 StGB zu konfiszieren.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Strafausspruch steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[6] Ausgehend vom – mit dem Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) im Einklang stehenden (vgl RIS‑Justiz RS0125764 [T4]) – Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0131857) hätte das Erstgericht die Strafe nicht im von § 28a Abs 1 SMG vorgegebenen Rahmen, sondern in jenem des § 28a Abs 3 erster Fall (oder des – gleich strengen – § 28 Abs 4 zweiter Fall) SMG bemessen dürfen.

[7] Der Strafausspruch verletzt somit § 28a Abs 1 SMG.

[8] Die rechtsfehlerfreie Anwendung der nach § 39 Abs 1 StGB erweiterten Strafbefugnis erfordert zudem Tatsachenfeststellungen, auf deren Grundlage die Voraussetzungen dieser Strafschärfungsvorschrift erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0134000). Dies gilt auch für ein – wie hier – gekürzt ausgefertigtes Urteil, weil auch ein solches die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten zu enthalten hat (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO). Der bloße Hinweis auf „die einschlägigen Vorstrafen“ (US 9) genügt diesem Erfordernis nicht (14 Os 112/22k; 13 Os 49/21m, 50/21h).

[9] Mangels ausreichender Feststellungen verletzt der Strafausspruch daher auch § 39 Abs 1 StGB iVm § 270 Abs 4 Z 2 und § 488 Abs 1 StPO.

[10] Bleibt anzumerken, dass ein (gekürzt ausgefertigtes) Urteil auch in Bezug auf die Strafrahmenbestimmung des § 31 Abs 1 dritter Satz StGB (vgl Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 8 und 14) die erforderliche Sachverhaltsgrundlage zu enthalten hat. Nach dieser darf im – hier gegebenen – Fall einer Bedachtnahme auf ein früheres Urteil die Summe der Strafen die Strafe nicht übersteigen, die nach den Regeln über die Strafbemessung beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen und über die Zusammenrechnung der Werte und Schadensbeträge zulässig wäre. Da das angefochtene Urteil außer dem oben wiedergegebenen Hinweis keine weiteren Ausführungen zum Urteil, auf das Bedacht genommen wurde, enthält, kann nicht beurteilt werden, ob die Strafe innerhalb des zulässigen Rahmens ausgemessen wurde. Amtswegige Wahrnehmung dieses von der Generalprokuratur nicht geltend gemachten Rechtsfehlers ist mit Blick auf die bereits aus anderem Grund notwendige Aufhebung des Strafausspruchs nicht erforderlich.

[11] Von Amts wegen war jedoch ein weiterer, nicht geltend gemachter Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) aufzugreifen (§ 290 Abs 1 zweiter Fall StPO), der das Konfiskationserkenntnis zum Nachteil des Verurteilten belastet: Konfiskation setzt nämlich voraus, dass der Täter die von dieser Maßnahme betroffenen Gegenstände zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet hat, sie von ihm dazu bestimmt oder durch diese Handlung hervorgebracht worden sind. Überdies müssen die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung erster Instanz im Eigentum des Täters stehen. Das angefochtene Urteil enthält zu keiner dieser Voraussetzungen Feststellungen, weshalb das Konfiskationserkenntnis mit der bezeichneten Nichtigkeit belastet ist (vgl RIS‑Justiz RS0130617; 12 Os 84/23d).

[12] Da nicht auszuschließen ist, dass sich die festgestellten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten auswirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO; zum Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht vgl RIS‑Justiz RS0101886; Jerabek/Ropper, WK‑StPO § 494a Rz 11; zum Verschlechterungsverbot im weiteren Verfahren RIS‑Justiz RS0115530, RS0100547) und das Konfiskationserkenntnis amtswegig zu beseitigen.

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