European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00084.23D.0907.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiete: Jugendstrafsachen, Suchtgiftdelikte
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. September 2019, GZ 48 Hv 18/19p‑34, verletzt
‑ § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG sowie § 488 Abs 1 iVm § 270 Abs 4 Z 1 (iVm Abs 2 Z 4 und § 260 Abs 1 Z 1) und Z 2 StPO und
‑ im Konfiskationserkenntnis § 19a Abs 1 StGB iVm § 488 Abs 1 iVm § 270 Abs 4 Z 2 StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldspruchpunkten 1./I./A./ und 2./ nach (jeweils) § 15 StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG, demgemäß auch im Strafausspruch sowie im Konfiskationserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Gründe:
[1] Mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 iVm § 488 Abs 1 StPO) Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. September 2019, GZ 48 Hv 18/19p‑34, wurde * K* (soweit hier von Bedeutung) zweier Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG (1./I./A./ und 2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in S* und an einem anderen Ort vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Amphetamin von „wenigstens durchschnittlichem Reinheitsgrad“ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einzuführen versucht, indem er es im „Darknet“ bestellte und die Lieferungen nach Österreich veranlasste, wobei diese jeweils durch die deutschen Zollbehörden abgefangen wurden, und zwar:
1./I./A./ im Oktober 2018 155 Gramm Amphetamin, und
2./ im September 2018 156,2 Gramm Amphetamin.
[3] Gemäß § 19a Abs 1 StGB wurde der zur Tatbegehung verwendete Laptop konfisziert (US 6).
Rechtliche Beurteilung
[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz mehrfach nicht im Einklang:
[5] 1./ Nach der auch für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter geltenden (§ 488 Abs 1 StPO) Bestimmung des § 270 Abs 4 StPO hat eine gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe (Z 1) sowie im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (Z 2) zu enthalten. Aus einer gekürzten Urteilsausfertigung muss insgesamt – also unter Einbeziehung des Referats der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) – hervorgehen, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden wurde, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, sohin unter Anführung der für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0125764; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 60).
[6] Das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG verwirklicht, wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einführt. Die Beurteilung, ob die Tat in Bezug auf eine solche Menge begangen wurde, setzt (unter anderem) Feststellungen zum Reinsubstanzgehalt des Suchtmittels voraus, weshalb (auch) eine gekürzte Urteilsausfertigung entsprechende Konstatierungen zu enthalten hat (RIS‑Justiz RS0127232; jüngst 12 Os 20/23t; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 60).
[7] Gegenständlich erwähnt das Urteil zwar jeweils die Wirkstoffart (Amphetamin) und die Gesamtmenge des Suchtgifts (vgl US 3, 5, 8), die weitere Beschreibung mit „durchschnittlichem Reinheitsgrad“ lässt allerdings keinen Rückschluss auf den Reinsubstanzgehalt und demzufolge auf den Versuch der Einfuhr einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge zu.
[8] Durch das dargelegte Konstatierungsdefizit verletzt das Urteil in den Schuldsprüchen 1./I./A./ und 2./ § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG sowie § 488 Abs 1 iVm § 270 Abs 4 Z 1 (iVm Abs 2 Z 4 und § 260 Abs 1 Z 1) und Z 2 StPO.
[9] 2./ Gemäß § 19a Abs 1 StGB sind vom Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendete Gegenstände zu konfiszieren, wenn sie (neben weiteren Voraussetzungen) zur Zeit der Entscheidung erster Instanz in dessen Eigentum standen. Zu den Eigentumsverhältnissen an dem zur Tatausführung verwendeten Laptop (US 6, 10) wurden allerdings keine Feststellungen getroffen, womit das Konfiskationserkenntnis einen Rechtsmangel aufweist.
[10] Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen sind geeignet, sich zum Nachteil des Verurteilten auszuwirken. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung wie im Spruch ersichtlich zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
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