OGH 6Ob75/24h

OGH6Ob75/24h18.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Verlassenschaft nach Univ.‑Prof. DDr. J*, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Christian Lang, Rechtsanwalt in Wien, 2. Prof. G*, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage) sowie Feststellung, über die Revisionen der klagenden und der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2024, GZ 3 R 96/23v-63, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 30. März 2023, GZ 48 Cg 54/21g‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00075.24H.0618.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 29.610,14 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (3.753,06 EUR [darin enthalten 625,51 EUR an Umsatzsteuer] für die Revisionsbeantwortung und 25.857,08 EUR [darin 680,18 EUR an Umsatzsteuer und 21.776 EUR an Barauslagen] an Kosten des Verlassenschaftskurators) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 3.801,30 EUR (darin enthalten 633,55 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[2] 1.1. Die erstbeklagte Verlassenschaft nach dem verstorbenen Bruder der Klägerin wurde zur Rechnungslegung über die aus dem Verkauf bestimmter Produkte erzielten Umsätze verurteilt; außerdem wurde festgestellt, dass sie (auch in Hinkunft) zur Rechnungslegung und Zahlung in Höhe von 2 % des Umsatzes verpflichtet ist.

[3] Diese Entscheidung gründeten die Vorinstanzen auf die vom Bruder der Klägerin abgeschlossene und ihn bindende Vereinbarung, nach der er – und nunmehr die Verlassenschaft – der Klägerin zuerst 1 % „Umsatzbeteiligung“ (anstelle von Zinsen) und zuletzt 2 % „Umsatzbeteiligung“ (anstelle von Zinsen und Rückzahlung) zu leisten verpflichtet ist. Er hatte sich in Konkurs befunden und es war ihm im Gegenzug dafür im Jahr 2010 ein Darlehen in beträchlicher Höhe gewährt worden.

[4] 1.2. Die erstbeklagte Verlassenschaft führt in der Revision selbst aus, sie könne sich nur persönlich „mit dem gegenständlichen Vertrag“ verpflichtet haben, nicht aber einen Dritten, womit sie die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen zu ihren, aus der vom Verstorbenen geschlossenen Vereinbarung abgeleiteten Pflichten gar nicht angreift. Irrelevant ist aber im Verhältnis zur Erstbeklagten, ob in vormals geleisteten Zahlungen der zweitbeklagten GmbH an die Klägerin eine (den verstorbenen Bruder als Gesellschafter begünstigende) verbotene Einlagenrückgewähr liegt, weil diese Frage für die im Verfahren strittigen, noch nicht erfüllten und zukünftigen Pflichten der Erstbeklagten (Rechnungslegung und Zahlung) selbst keine Rolle spielt. Eine von ihr thematisierte „bereicherungsrechtliche Rückabwicklung“ bleibt überhaupt unverständlich.

[5] 2.1. Im Verfahren gegen die zweitbeklagte GmbH, deren Gesellschaftergeschäftsführer der Verstorbene war, wiesen die Vorinstanzen das gleichlautende Begehren (Stufenklage [hier samt der aus der Rechnungslegung resultierenden Zahlungspflicht] und Feststellung) übereinstimmend ab.

[6] 2.2. Auch in Ansehung der Zweitbeklagten bedarf es aus folgendem Grund nicht der Klärung einer erheblichen Rechtsfrage:

[7] Die Beurteilung des Vorliegens einer schlüssigen Willenserklärung aufgrund konkret festgestellter Tatsachen fällt in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung (RS0043429; RS0118759).

[8] Es steht über die bereits erwähnte, den Verstorbenen verpflichtende Vereinbarung hinaus fest, dass der Verstorbene die „erzielten Umsätze“ seiner Schwester, der Klägerin, übermittelte. Die Klägerin legte darauf basierend Rechnungen, welche ab dem Jahr 2013 (nach der ungefähr zwei Jahre nach dem Abschluss der Vereinbarung erfolgten Gründung der Zweitbeklagten) stets von der Zweitbeklagten bezahlt (überwiesen) wurden. Eine Gegenleistung für diese Zahlungen erhielt die Zweitbeklagte von ihrem (später verstorbenen) Gesellschaftergeschäftsführer nicht.

[9] Aus dem festgestellten Sachverhalt lässt sich daher eine von der Zweitbeklagten schlüssig akzeptierte abstrakte Anweisung des verstorbenen Bruders (den die Klägerin selbst als wirtschaftlichen Alleingesellschafter der Zweitbeklagten bezeichnet) nicht ableiten. Es erschließt sich zunächst nicht, wann oder auf welchem Wege der Verstorbene die für eine Anweisung notwendige doppelte Ermächtigung (siehe RS0032933; RS0019551) zweifelsfrei erteilt haben sollte und diese der Anweisungsempfängerin und/oder Angewiesener zugegangen wäre; so weder, wann oder wie die Klägerin zur Empfangnahme der Leistung auf seine Rechnung durch die GmbH ermächtigt worden sein sollte, aber auch nicht, in welcher Weise die GmbH zur Erbringung der Leistung seiner Gesamtverpflichtung (und zwar auch der künftigen Rechnungslegung und Zahlungen) im eigenen Namen aus eigenem Vermögen für Rechnung des Gesellschaftergeschäftsführers „ermächtigt“ worden wäre.

[10] Die tatsächlich erfolgten Zahlungen können schlicht als solche im Wege der Erteilung von einzelnen Zahlungsaufträgen namens der GmbH durch ihren Geschäftsführer an die Bank veranlasst worden sein.

[11] Noch weniger lässt sich – gemessen an dem für konkludente Willenserklärungen anzulegenden strengen Maßstab (RS0014150 [T3, T7]; RS0014146 [bes T5]; RS0013947) – ein abstraktes Akzept aus bloßen Zahlungen ableiten. Aus diesen in der Vergangenheit (wenn auch zu Lebzeiten des Bruders der Klägerin regelmäßig) geleisteten Zahlungen der GmbH kann vernünftigerweise nicht auf einen damit einhergehenden Erklärungswert mit Rechtsfolgewillen– eindeutig, zweifelsfrei und zwingend (vgl RS0014146 [T5]) – allein in die Richtung eines (noch dazu abstrakten und damit von der Verpflichtung jeder Schuld des Gesellschaftergeschäftsführers losgelösten) Akzepts einer (wiederum durch nur aus der Übernahme der Zahlungen durch die GmbH hergeleiteter) Anweisung des Verstorbenen geschlossen werden. Der Erklärungswert, im eigenen Namen aus eigenem Vermögen, aber für Rechnung des Verstorbenen der Klägerin hinkünftig nicht nur Rechnung legen zu wollen (was nach den Feststellungen durch den Verstorbenen selbst erfolgte), sondern auch dessen Zahlungspflichten als Ganzes und für alle Zukunft leisten zu wollen, ist den Zahlungen der Zweitbeklagten nicht als einzig mögliche Deutung beizumessen.

[12] Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob ein Angewiesener, der eine Anweisung angenommen hat, die Nichtigkeit des Deckungsverhältnisses wegen verbotener Einlagenrückgewähr einwenden kann, stellt sich damit nicht.

[13] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

[14] Im Verfahren gegen die Erstbeklagte sind 535.000 EUR Bemessungsgrundlage. Der Klägerin steht kein Streitgenossenzuschlag zu, beantwortete sie doch nur die Revision der Erstbeklagten. Die im Revisionsverfahren aufgelaufenen Kosten des Verlassenschaftskurators wurden rechtskräftig mit 25.857,08 EUR (darin enthalten 680,18 EUR an Umsatzsteuer und 21.776 EUR an Barauslagen) bestimmt; diese wurden in der Revisionsbeantwortung der Klägerin verzeichnet.

[15] Im Verfahren gegen die Zweitbeklagte hat diese Anspruch auf Ersatz der auf einer Bemessungsgrundlage von 570.000 EUR richtig verzeichneten Kosten.

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