European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050NC00012.24W.0606.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Akt wird dem Bezirksgericht Salzburg als Vorlagegericht zurückgestellt.
Begründung:
[1] Die Betroffene hat ihre Meldeanschrift im Sprengel des Bezirksgerichts Wiener Neustadt, das die Erwachsenenschutzsache unter der AZ 22 P 19/24b führte.
[2] Das Bezirksgericht Wiener Neustadt übertrug mit Beschluss vom 30. 4. 2024 die Zuständigkeit zur Führung dieser Erwachsenenschutzsache gemäß „§ 44 JN“ an das Bezirksgericht Salzburg. Zur Begründung führte es lediglich aus: „Anschrift im Sprengel des BG Salzburg (Details unbekannt).“
[3] Das Bezirksgericht Salzburg legte den Akt unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor, weil ein „Kompetenzstreit“ vorliege. Entgegen der Ansicht des Bezirksgerichts Wiener Neustadt liege der Aufenthalt der Betroffenen im Sprengel dieses Gerichts.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof ist verfrüht.
[5] 1. Eine Überweisung nach § 44 JN setzt voraus, dass ein Antrag (hier:) im Verfahren außer Streitsachen bereits im Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung beim unzuständigen Gericht gestellt wurde (dazu Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 44 JN Rz 4 mwN). Ein solcher Fall liegt hier entgegen der Bezugnahme auf diese Bestimmung durch das Bezirksgericht Wiener Neustadt in seinem Übertragungsbeschluss nicht vor, weil die Erwachsenenschutzsache nach der Aktenlage von diesem als dem zuständigen Gericht geführt wurde. In Betracht kommt damit allenfalls eine Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN. Der Oberste Gerichtshof hat daher als „Dreiersenat“ zu entscheiden (§ 7 Abs 1 Z 4 OGHG).
[6] 2. Nach § 111 Abs 1 JN kann das Gericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn es im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Lehnt das Gericht, an das die Zuständigkeit übergehen soll, die Übernahme ab, so ist zunächst der Übertragungsbeschluss (durch das übertragende Gericht) den Parteien zuzustellen und dessen Rechtskraft abzuwarten (RS0047067; RS0128772).
[7] 3. Der Akt ist daher dem Vorlagegericht zurückzustellen, weil es zunächst dem übertragenden Gericht (dem Bezirksgericht Wiener Neustadt) die Ablehnung der Übernahme zu erklären hat (vgl RS0128772). Das übertragende Gericht hat dann die Zustellung des Beschlusses an die Betroffenevorzunehmen. Allfällige Zustellprobleme sind von diesem Gericht zu lösen, weil bei ihm der Akt angefallen ist (7 Nc 2/24; mwN). Führt ein allfälliger Rekurs zur Behebung des Übertragungsbeschlusses durch das Rekursgericht, so ist endgültig über die Unzulässigkeit der Übertragung entschieden. Wird der Übertragungsbeschluss hingegen rechtskräftig bestätigt, so bedarf es zur Übertragung der Genehmigung des übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichts (7 Nc 2/24; mwN). In diesem Fall wird das übertragende Gericht den Akt an den Obersten Gerichtshof vorzulegen haben.
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