OGH 1Ob28/24k

OGH1Ob28/24k27.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin E* P*, vertreten durch Dr. Ramin Mirfakhrai, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadtgemeinde K*, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber‑Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 36 NÖ ROG 2014, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 20. Dezember 2023, GZ 14 R 267/22w‑62, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00028.24K.0527.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Grundrechte, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Das Erstgericht hat über den Antrag der Antragstellerin auf Entschädigung infolge Änderungen des Bebauungsplans durch die Stadtgemeinde (Antragsgegnerin) gemäß § 36 Abs 5 NÖ ROG 2014 iVm § 24 Abs 2 EisbEG zwei Mal mündlich verhandelt. Damit liegt der von der Revisionsrekurswerberin behauptete Mangel nach § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG, zu dem auch der Fall zählt, dass entgegen einer gesetzlichen Vorschrift nicht mündlich verhandelt wird (§ 58 Abs 1 Z 3 AußStrG; 1 Ob 99/22y [Rz 9]), nicht vor.

[2] 2. § 52 Abs 1 AußStrG stellt klar, dass mangels einer hier nicht gegebenen Voraussetzung des Abs 2 leg cit eine mündliche Rekursverhandlung nur durchzuführen ist, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. In diesem Zusammenhang hätte es eines Hinweises im Revisionsrekurs bedurft, aus welchen Gründen das Rekursgericht einer Verpflichtung zuwider gehandelt haben soll (5 Ob 30/08k [Punkt 2.]). Ein solches Argument wird nicht ausgeführt.

[3] 3. Nach § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 kommt eine Entschädigung nur dann in Betracht, wenn durch die Festlegungen des Bebauungsplans die Nutzung laut Flächenwidmungsplan ausgeschlossen, das heißt unmöglich gemacht oder vereitelt wird (8 Ob 85/20p [Punkt 2.2]).

[4] Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass mit den 2015 und 2017 durch Verordnungen der Antragsgegnerin vorgenommenen Änderungen des Bebauungsplans keine „Vereitelung“ der im Flächenwidmungsplan festgelegten Nutzung im Sinn des § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 vorgenommen wurde, weil die auf der Liegenschaft entsprechend der Flächenwidmung „Bauland‑Kerngebiet“ bereits gebaute Villa mit vier Wohneinheiten und vier Pkw-Stellplätzen wie bisher genutzt (bewohnt) werden kann, ist nicht zu beanstanden.

[5] 4. Bereits mit rechtskräftigem Baubewilligungsbescheid der Antragsgegnerin vom 4. 4. 2003 wurde der Antragstellerin die Auflage erteilt, die Grundstücke 1741/1 und 1741/4 ihrer Liegenschaft unverzüglich beim Vermessungsamt vereinigen zu lassen und bis spätestens innerhalb eines Jahres grundbücherlich eintragen zu lassen. Die Verbücherung der Zusammenlegung der Grundstücke erfolgte nach dem Vorbringen der Revisionsrekurswerberin erst im Herbst 2023. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die beiden Grundstücke bereits aufgrund der Auflage im rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid als ein einheitliches Grundstück im Sinn des § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 zu behandeln sind, ist nicht korrekturbedürftig. Damit kann offen bleiben, ob der Begriff des „Grundstücks im Bauland“ nach dieser Bestimmung nicht schon überhaupt die gesamte Liegenschaft der Antragstellerin erfasst.

[6] 5. Zutreffend zeigt die Revisionsrekurswerberin auf, dass im Fall eines gescheiterten Parteiantrags auf Normenkontrolle keine Bindung an die Auslegung der angefochtenen Norm durch den VfGH besteht (4 Ob 53/16x [Punkt 2.3. {b}] = RS0132770; vgl Grabenwarter/Musger, Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015, 551 [562]; diesen folgend Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 80a Rz 29: Keine Bindungswirkung bei der Ablehnung der Beschwerdebehandlung, weil die Ablehnung keine Bindung entfaltet).

[7] Der Oberste Gerichtshof teilt aber – wie schon das Rekursgericht – die Rechtsansicht des VfGH in dem über den Parteiantrag der Antragstellerin ergangenen Beschluss zu G 281/2022 (Punkt 3.), dass ihr angesichts der Festlegungen im Bebauungsplan kein „Sonderopfer“ auferlegt wurde. Damit scheidet eine aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Entschädigung infolge eines unzumutbaren „Sonderopfers“ aus. Es kann daher offen bleiben, ob § 36 Abs 1 NÖ ROG 2014 aufgrund seiner engen Formulierung („ausgeschlossen“) überhaupt eine Grundlage für den Anspruch der Antragstellerin bilden könnte, oder ob diese Bestimmung, wenn dies verneint wird, verfassungsrechtlich bedenklich sein könnte. Aus diesem Grund sind auch die in diesem Zusammenhang von der Revisionsrekurswerberin behaupteten Verfahrensmängel des Rekursgerichts nicht relevant.

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