European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00036.24F.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Das beklagte Elektrizitätsunternehmen kündigte mit Schreiben vom 8. März 2022 – unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mehr als acht Wochen – den Stromlieferungsvertrag des Klägers zum 30. Juni 2022 auf und unterbreitete gleichzeitig Angebote zum Abschluss eines neuen Stromlieferungsvertrags mit angepassten Konditionen. Es teilte mit, dass bei Annahme eines der Angebote bis 3. Mai 2022 die Kündigung als nicht ausgesprochen gelte; ansonsten müsse ein neuer Vertrag mit einem anderen Energieanbieter abgeschlossen werden. Der Kläger nahm eines der Angebote der Beklagten an.
[2] Die Vorinstanzen wiesen das auf Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden aus der Preiserhöhung des Arbeitspreises ab.
[3] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die Bedeutung der zu beurteilenden Rechtsfragen aufgrund des großen Kundenkreises der Beklagten, der von gleichartigen Kündigungen von Stromlieferungsverträgen betroffen sei, über den Einzelfall hinausgehe.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt dann nicht vor, wenn die aufgezeigte Frage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits beantwortet wurde (vgl RS0112921 [insb T5], RS0112769 [insb T9, T11, T12]).
[5] 1. Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung unter der Bedingung, dass sich der Vertragspartner mit einer bestimmten Änderung des Vertrags nicht einverstanden erklärt (RS0028310 zu Änderungskündigungen im Arbeitsverhältnis). Neben einer Auflösungserklärung beinhaltet sie daher auch ein Anbot auf Änderung des Vertragsinhalts, dessen Annahme die Auflösung des Vertragsverhältnisses verhindert (9 Ob 16/18w). Will der Gekündigte das Vertragsverhältnis auch zu den geänderten Konditionen fortsetzen, muss er dies gegenüber dem kündigenden Unternehmer aktiv erklären. Da es sich um eine vom Verhalten des Erklärungsempfängers abhängige „Potestativbedingung“ handelt, wird eine Änderungskündigung im Allgemeinen als zulässig erachtet (RS0028310 [T2]).
[6] 2. Die grundsätzliche Zulässigkeit von Änderungskündigungen wird vom Kläger nicht in Frage gestellt. Er will jedoch auch solche Sachverhalte § 80 Abs 2a ElWOG unterstellen.
[7] Der Oberste Gerichtshof hat vor kurzem in der Entscheidung 3 Ob 7/24m zu dieser Frage ausführlich Stellung genommen. Dabei kam er zusammengefasst zum Ergebnis, dass § 76 Abs 1 ElWOG – schon seinem klaren Wortlaut nach – von der Zulässigkeit einer Vertragskündigung („ordentliche Kündigung“) durch den Lieferanten ausgehe, von dem er bei Verträgen mit Verbrauchern im Sinn des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG und mit Kleinunternehmen die Einhaltung einer Frist von zumindest acht Wochen verlangt. § 80 Abs 2 und Abs 2a ElWOG beträfen dagegen – wiederum schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut und überdies im Einklang Art 10 Abs 4 der Elektrizitätsbinnenmarkt‑RL 2019/944/EU – die einseitigen „Änderungen der (…) vertraglich vereinbarten Entgelte“ im aufrechten Vertragsverhältnis (vgl 3 Ob 90/22i), nach welcher der Kunde berechtigt sei, die „Kündigung des Vertrags (...) kostenlos und ungeachtet allfälliger vertraglicher Bindungen zu erklären“. Folgerichtig habe die Novelle BGBl I 2022/7, mit der § 80 Abs 2a ElWOG eingeführt wurde, die – einen anderen Regelungsinhalt betreffende – Bestimmung des § 76 ElWOG unberührt gelassen.
[8] 3. Von diesen Wertungen ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Auch eine Änderungskündigung stellt keine einseitige Änderung der vertraglichen Entgelte dar, sondern verlangt zur Wirksamkeit der Preisänderung ein aktives Tätigwerden des Kunden, ansonsten der Vertrag endet. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Vertrag durch ordentliche Kündigung beendet und zugleich ein neuer Vertragsabschluss angeboten wird oder im Fall einer ausdrücklichen Zustimmung des Kunden die Fortsetzung des Vertrags zu neuen Bedingungen erfolgt.
[9] 4. Da demnach keine einseitige Änderung der vertraglich vereinbarten Entgelte zu beurteilen ist, besteht für die in der Revision angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof keine Veranlassung.
[10] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[11] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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