OGH 8Ob45/24m

OGH8Ob45/24m22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, vertreten durch Mag. Christoph Kühnl, Rechtsanwalt in Saalfelden am Steinernen Meer, gegen die beklagte Partei X* X*, vertreten durch Mag. Stefano Santagata, Rechtsanwalt in Kützbühel, wegen 44.065 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Februar 2024, GZ 4 R 172/23g‑24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00045.24M.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt, wenn der Geschädigte Kenntnis vom ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt erlangt (RS0034322; RS0034366; RS0034374; RS0034387; RS0034524; RS0034547; RS0034951; RS0050338). Die Verjährungsfrist wird erst dann in Gang gesetzt, wenn die Kenntnis des Geschädigten über den Schadenseintritt, die Person des Schädigers und den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem schadenstiftenden Verhalten einen solchen Grad erreicht, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann (RS0034524). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände reichen zwar nicht (RS0034524 [T6, T18]). Keinesfalls darf der Geschädigte aber so lange warten, bis sein Prozessrisiko auf ein Minimum reduziert ist (RS0034524 [T6]) oder er im Rechtsstreit zu gewinnen glaubt (RS0050338 [T12]).

[2] 1.2. Diese Kenntnis wird durch verschuldete Unkenntnis nicht ersetzt (RS0034686 [insb T6]). Die bloße Möglichkeit der Kenntnis genügt grundsätzlich ebenso wenig wie die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RS0034366 [T3, T6]). Allerdings genügt die Kenntnis von Umständen, aufgrund derer der Geschädigte die einem bestimmten Ersatzpflichtigen zurechenbare Schadensursache ohne nennenswerte Mühe – und demnach zumutbarerweise – hätte in Erfahrung bringen können. Nur unter dieser Voraussetzung gilt die erörterte Kenntnis in dem Zeitpunkt als erlangt, in dem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RS0034366 [T20], RS0034686 [T2], RS0034524 [T21]). Diese Erkundungsobliegenheit des Geschädigten darf nicht überspannt werden (RS0034327). Sie setzt deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt im Sinn konkreter Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden, voraus (RS0034327 [T42]).

[3] 1.3. Ab wann eine die Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der dafür maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RS0034374 [T47]; RS0034524 [T23, T41]; RS0113916 [T1, T5]), sodass diese Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO aufwirft. Das gilt ebenso für die Frage des Ausmaßes der Erkundigungspflicht der Geschädigten (RS0113916; RS0034327 [T20]).

[4] 2. Die Klägerin macht mit ihrer am 5. 5. 2023 eingebrachten Klage insgesamt 44.065 EUR an Schmerzengeld, Haushalts‑ und Pflegehilfebedarf sowie pauschalen Unkosten aus ihrem Sturz am 24. 11. 2016 im Restaurant der Beklagten geltend.

[5] 3. Die Abweisung dieses Klagebegehrens wegen Verjährung durch die Vorinstanzen unter Anwendung der genannten Judikatur auf den Einzelfall ist nicht korrekturbedürftig. Zwar kommt es bloß darauf an, wann die Klägerin von einer unfallkausalen Schulterverletzung, den daraus resultierenden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen Kenntnis erlangt hat; der Zeitpunkt, wann die Klägerin nach der Mitteilung der korrekten Diagnose als Verdacht (am 21. 2. 2020) in Erfüllung ihrer Erkundigungsobliegenheit diese Diagnose durch eine weitere Untersuchung abgesichert hätte, ist demnach nicht relevant. Die Revisionswerberin kann sich allerdings nicht dadurch für beschwert erachten, dass das Berufungsgericht den 21. 2. 2020 als bloßen Auslöser für eine Erkundigungsobliegenheit erachtet hat, weil nach den Feststellungen ihre Kenntnis des ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalts spätestens mit dem Arztbrief vom 15. 11. 2019 (mit dem eine unfallkausale Schulterverletzung diagnostiziert wurde) anzusetzen ist.

[6] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Oberster GerichtshofWien, am 22. Mai 2024Dr. T a r m a n n ‑ P r e n t n e rFür die Richtigkeit der Ausfertigungdie Leiterin der Geschäftsabteilung:

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