European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00108.23G.0516.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 402,86 EUR (darin 67,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Beklagte ist der Rechtsträger des Krankenhauses *. Klägerist der bei diesem Krankenhaus eingerichtete (Gruppen‑)Betriebsrat der Angestellten. Auf die Dienstverhältnisse der hier vom Kläger vertretenen und im Krankenhaus beschäftigten Bediensteten ist der Kollektivvertrag für die DienstnehmerInnen der Ordensspitäler Österreichs (KV) anzuwenden. § 5 KV lautet auszugsweise:
„ § 5 Urlaub
1. Hinsichtlich des Urlaubsanspruches gelten die Bestimmungen des Urlaubsgesetzes.
2. Angestellte im Strahlendienst (Röntgen, CT, MR), erhalten für diesen Dienst einen Zusatzurlaub von 5 Werktagen pro Jahr.
Angestellte im Bereich Nuklearmedizin (Isotopen etc.), Labordienst, Infektions- und TBC‑Abteilungen erhalten für diesen Dienst einen Zusatzurlaub von 6 Werktagen pro Jahr.
War der Angestellte bei Urlaubsantritt noch kein volles Jahr in so einer Abteilung beschäftigt, gebührt ihm der aliquote Teil des Zusatzurlaubes. Bei Bruchteilen von Tagen wird für je angefangenen Tag auf einen ganzen Tag aufgerundet.
[…]
5. Zusatzurlaube werden bei Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 22 aliquotiert.“
[2] Im Krankenhaus besteht keine Abteilung für Infektionsmedizin. Im Anwendungsbereich des KV gibt es keine Infektionsabteilung im Sinn des Wiener Krankenanstaltengesetzes.
[3] Nachdem ab Phase 3 des Wiener Pandemieplans die Überführung positiv auf Corona getesteter Personen in Krankenanstalten des Wiener Gesundheitsverbundes nicht mehr vorgesehen war, musste die Versorgung dieser Patienten im Krankenhaus des Beklagten selbst durchgeführt werden. Zu diesem Zweck wurden zwei bzw zeitweise drei als solche bezeichnete COVID‑Stationen für positiv auf Coronagetestete Personen errichtet, und zwar die COVID‑(Normal‑)Stationen A 1.2 und A 4.1 sowie die COVID‑Intensivstation B 5. Während der hier relevanten Zeiträume wurden COVID‑Patienten grundsätzlich nur auf diesen Stationen betreut.
[4] Die COVID‑Station A 1.2 wurde in der Abteilung Innere Medizin (Herzstation) eingerichtet und umfasste 22 Betten. Die COVID‑Station A 4.1 wurde in der urologischen Abteilung eingerichtet und umfasste 37 Betten. Auf diesen COVID‑Normalstationen wurde ein festes Team eingesetzt, das aus jenen Mitarbeitern bestand, die bereits zuvor auf den Stationen A 1.2 und A 4.1 gearbeitet hatten und hierzu freiwillig bereit waren, sowie aus weiteren freiwilligen Mitarbeitern von anderen Stationen.
[5] Die COVID‑Intensivstation B 5 wurde in der Abteilung für Intensivmedizin, bestehend aus Intensivstation und Aufwachraum eingerichtet. Die Intensivstation besteht aus einem langgezogenen Saal, der durch Trennwände in sechs als Zimmer bezeichnete Kojen mit jeweils zwei Betten unterteilt ist. Neben der Intensivstation befindet sich ein Aufwachraum mit ebenfalls 12 Betten. Für positiv auf Corona getestete intensivpflichtige Patienten wurden am 21. 10. 2020 durch den Einbau einer Schleuse zwei Intensivzimmer bzw Kojen mit jeweils zwei Betten von den übrigen Zimmern der Intensivstation B 5 abgetrennt. Dieser Bereich – in dem bis zum 29. 3. 2021 grundsätzlich nur intensivpflichtige COVID‑Patienten behandelt wurden – wurde als COVID-Intensivstation bezeichnet und der übrige Bereich der Intensivstation, als non‑COVID‑Intensivstation. Aufgrund des großen Bedarfs wurde vom 30. 3. 2021 bis 7. 5. 2021 die gesamte Intensivstation B 5 in eine COVID‑Intensivstation umgewandelt und sechs Betten zur Behandlung von intensivpflichtigen COVID-Patienten bereitgestellt. In diesem Zeitraum wurden auf der Intensivstation B 5 ausschließlich COVID‑Patienten behandelt. Zur Behandlung der nicht positiv auf Corona getesteten intensivpflichtigen Patienten wurde der Aufwachraum in eine non‑COVID‑Intensivstation und eine Aufwachstation aufgeteilt. Ab 8. 5. 2021 wurden erneut zwei Intensivzimmer mit jeweils zwei Betten durch die Schleuse vom übrigen Bereich der Intensivstation B 5 abgetrennt und wiederum als COVID‑Intensivstation geführt, auf der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz grundsätzlich nur intensivpflichtige COVID‑Patienten behandelt wurden.
[6] Die Versorgung der COVID‑Patienten im Krankenhaus war jener der Patienten in der Infektionsabteilung im Krankenhaus Favoriten qualitativ gleichwertig. Die Arbeit auf den COVID‑Stationen war für die Mitarbeiter sowohl psychisch als auch physisch besonders belastend. Während der verschiedenen Stufen des Wiener Pandemieplans stellte das Krankenhaus des Beklagten mindestens zehn bis 24 Betten für nicht intensivpflichtige COVID‑Patienten sowie mindestens zwei bis sechs Betten für intensivpflichtige COVID‑Patienten zur Verfügung. Die COVID‑Stationen waren nicht immer voll belegt, die COVID‑Intensivstation war zeitweise gar nicht belegt.
[7] Der Kläger begehrt nach Modifikation die Feststellung, dass es sich bei den beim Beklagten als Rechtsträger des Krankenhauses eingerichteten Organisationseinheiten COVID‑Station A 1.2 (in ihrer Gesamtheit von 28. 10. 2020 bis 7. 6. 2021 und von 9. 9. 2021 bis 13. 3. 2022), COVID‑Station A 4.1 (in ihrer Gesamtheit von 18. 11. 2020 bis 15. 1. 2021 und von 14. 3. 2022 bis 12. 5. 2022) und COVID‑Intensivstation B 5 (von 21. 10. 2020 bis 29. 3. 2021 als abgetrennter „COVID ICU“‑Bereich, von 30. 3. 2021 bis 7. 5. 2021 als gesamte Station B 5 und ab 8. 5. 2021 bis „dato“ wieder als abgetrennter „COVID ICU“‑Bereich) um Infektionsabteilungen im Sinne des § 5 Abs 2 2. Satz des Kollektivvertrags für die DienstnehmerInnen der Ordensspitäler Österreichs handelt und den in diesem Bereich tätigen nichtärztlichen Angestellten daher Zusatzurlaub von 6 Werktagen pro Jahr gebührt, dies allenfalls nach Maßgabe der § 5 Abs 2 3. Satz und § 5 Abs 5 dieses Kollektivvertrags. Die Tätigkeit der Beschäftigten in den COVID‑Stationen weise die für eine Infektionsabteilung typischen Charakteristika auf. Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend, könne es sich beim Bereich Infektionsabteilungen um jede „Abteilung einer Klinik für Patientinnen und Patienten mit infektiösen Erkrankungen handeln“. Diese Auslegung entspreche auch dem Zweck der Bestimmung, wonach die Parteien des Kollektivvertrags davon ausgehen, dass die Arbeit in Organisationseinheiten mit Infektionskrankheiten mit erhöhter physischer und psychischer Belastung verbunden sei.
[8] Der Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass es nie eine Infektions- oder TBC‑Abteilung im Sinn des § 2b KAKuG oder des § 3a WrKAG in seinem Krankenhaus gegeben habe. Der Begriff der „Abteilung“, der vom Kollektivvertrag verwendet werde, sei gesetzlich klar definiert, eine solche Abteilung sei in den hier relevanten Zeiträumen nie eingerichtet gewesen.
[9] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Von der zwischen den Parteien strittigen Rechtsfrage seien mindestens drei Arbeitnehmer des Beklagten betroffen. Der streng formalen Argumentation des Beklagten bei der Auslegung des § 5 Abs 2 KV sei entgegen zu halten, dass dabei die Art der Tätigkeit der in einer Organisationseinheit Beschäftigten unbeachtet bleibe. Die Verwendung des Wortes „Infektionsabteilung“ im Kollektivvertrag bedeute nicht zwangsläufig, dass die Parteien des Kollektivvertrags dabei auf das Krankenanstaltenrecht abgestellt hätten. Die Parteien des Kollektivvertrags verfolgten vielmehr den Zweck, die Ansteckungsgefahr und die Belastungen, denen Bedienstete bei der Pflege von COVID‑Patienten ausgesetzt seien, durch einen Anspruch auf Zusatzurlaub auszugleichen.
[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Ergänzend zu der von ihm gebilligten rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts führte es insbesondere aus, dass es im gesamten Anwendungsbereich des Kollektivvertrags keine Infektionsabteilung im Sinn des Wiener Krankenanstaltsgesetzes gebe. Es könne den Parteien des Kollektivvertrags nicht unterstellt werden, eine Regelung betreffend eine „Infektions- und TBC‑Abteilung“ im Kollektivvertrag belassen zu haben, die keinerlei Anwendungsbereich hätte. Die im Krankenhaus des Beklagten eingerichteten COVID‑Stationen hätten ausschließlich der Behandlung von an der (neuartigen) Infektionskrankheit COVID erkrankten Patienten gedient. Es handle sich daher um Infektionsabteilungen im materiellen Sinn und daher im Sinn von § 5 Abs 2 Satz 2 KV. Die Revision sei zulässig, weil zur Auslegung dieser kollektivvertraglichen Bestimmung Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
[11] Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision des Beklagten, mit der die Abweisung des Feststellungsbegehrens anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
[13] 1. Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen; maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RS0010088). In erster Linie ist dabei der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Führt der Wortsinn der Bestimmung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so ist mittels objektiv‑teleologischer Interpretation nach dem Sinn und Zweck zu fragen, den die Regelung vernünftigerweise haben kann (9 ObA 141/17a mwH). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RS0008828; RS0008897).
[14] 2. Der Beklagte hält auch in der Revision seine Rechtsansicht aufrecht, dass ein Anspruch auf Zusatzurlaub gemäß § 5 Abs 2 Satz 2 KV nur für jene Dienstnehmer bestehen könne, die in einer Infektions‑ oder TBC‑Abteilung im Sinn der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der § 3a WrKAG, § 2b KAKuG beschäftigt seien. Eine Infektionsabteilung könne im Allgemeinen nur auf Basis eines angepassten „Regionalen Strukturplans“ eingerichtet werden (etwa dem „Regionalen Strukturplan Gesundheit der Stadt Wien“), was im Krankenhaus des Beklagten nicht erfolgt sei. Übernehme der Kollektivvertrag gesetzliche Fachausdrücke, so seien diese nach der Rechtsprechung gleich zu verstehen wie im Bereich des Gesetzes. Die im Krankenhaus des Beklagten eingerichteten COVID‑Stationen seien keine Abteilungen in diesem Sinn. Ein über den Wortlaut hinausgehender Inhalt – im Sinn einer „materiellen“ Abteilung – könne den Parteien des Kollektivvertrags nicht unterstellt werden. Mangels Vorliegens einer planwidrigen Lücke fehle es auch an den Voraussetzungen für eine Analogie bei der Interpretation des Kollektivvertrags.
[15] 3.1 Dieser Argumentation hat bereits das Erstgericht zutreffend entgegengehalten, dass sich schon bei Betrachtung der in § 5 Abs 2 Satz 2 KV verwendeten Begriffe ergibt, dass es den Kollektivvertragsparteien nicht um exakte Abgrenzungen durch Verwendung klar gesetzlich definierter Bereiche ging, sondern vielmehr darum, jene Bedienstete zu erfassen, die ihre Tätigkeit an infektiösen Patienten zu erbringen haben und deshalb hoher Ansteckungsgefahr und den dadurch bedingten Belastungen ausgesetzt sind.
[16] 3.2 Richtig ist, dass das vom Revisionswerber für seinen Standpunkt angeführte Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (BGBl 1957/1, KAKuG) in seinem § 2b Abs 1 den Begriff der „Abteilung“ definiert (vgl ebenso § 3a Abs 1 des Wiener Krankenanstaltengesetzes 1987, LGBl 1987/23 [WrKAG]). Allerdings ist § 2b KAKuG im Zusammenhang mit § 2a KAKuG zu lesen, der die Einrichtung Allgemeiner Krankenanstalten regelt. § 2a KAKuG verwendet neben dem Begriff der „Abteilung“ die Begriffe der „Einrichtung“, des „Instituts“, der „Organisationseinheit“ und der „reduzierten Organisationsform“. „Organisationseinheit“ ist dabei, wie sich aus § 2a Abs 3 KAKuG ergibt („Abteilungen und sonstige Organisationseinheiten“; vgl § 3 Abs 3 WrKAG), ein neutraler Überbegriff (Stöger in GmundKomm² [Stand: 1. 1. 2022, rdb.at] § 2a KAKuG Rz 2). Weitere – reduzierte – Organisationsformen („Departements“, „Fachschwerpunkte“, „dislozierte Wochenkliniken für jedes Sonderfach“, „dislozierte Tageskliniken für jedes Sonderfach“) kann die Landesgesetzgebung für Standardkrankenanstalten und Schwerpunktkrankenanstalten gemäß § 2a Abs 5 KAKuG vorsehen (vgl § 3a Abs 2 WrKAG).
[17] 3.3 § 5 Abs 2 KV verwendet demgegenüber zwar den Begriff der „Abteilung“, nicht aber die gesetzlichen Begriffe der „Einrichtung“ und des „Instituts“ als Organisationseinheiten. Der Kollektivvertrag weicht vielmehr von diesen Begriffen ab:
[18] 3.3.1 In § 2a Abs 1 lit a KAKuG (vgl § 3 Abs 1 lit a WrKAG) sieht der Gesetzgeber vor, dass in einer als Standardkrankenanstalt eingerichteten Allgemeinen Krankenanstalt eine „Einrichtung“ für ua Röntgendiagnostik vorhanden sein muss. § 5 Abs 2 Satz 1 KV gewährt hingegen „Angestellten im Strahlendienst (Röntgen, CT, MR)“ einen jährlichen Zusatzurlaub von 5 Werktagen „für diesen Dienst“.
[19] 3.3.2 In § 2a Abs 1 lit b KAKuG (für als Schwerpunktkrankenanstalten eingerichtete Allgemeine Krankenanstalten; vgl § 3 Abs 1 lit b WrKAG) sieht der Gesetzgeber eine „Einrichtung für Nuklearmedizin“ vor. § 5 Abs 2 Satz 2 KV spricht hingegen von „Angestellten im Bereich Nuklearmedizin (Isotopen etc.)“.
[20] 3.3.3 In § 2a Abs 1 lit b KAKuG (vgl § 3 Abs 1 lit b WrKAG) sieht der Gesetzgeber die Einrichtung eines „Instituts für medizinische und chemische Labordiagnostik“ vor. Demgegenüber spricht § 5 Abs 2 Satz 2 KV vom „Labordienst“.
[21] 3.4 Dass die Kollektivvertragsparteien nicht die gesetzlichen Begriffe für Organisationseinheiten verwenden, ergibt sich vor allem auch aus der Verwendung des Begriffs des „Bereichs“ in § 5 Abs 2 Satz 2 KV, der nicht als Organisationseinheit in den §§ 2a, 2b KAKuG (§§ 3, 3a WrKAG) genannt ist. Schon bei einer wörtlichen Auslegung des § 5 Abs 2 Satz 2 KV kann die Wortfolge „im Bereich“ nicht ausschließlich zum Begriff „Nuklearmedizin“ gelesen werden, weil der Satz sonst in Bezug auf die beiden anderen Tatbestände grammatikalisch unvollständig wäre (arg: „Angestellte [...], Labordienst, Infektions- und TBC‑Abteilungen …“). Vielmehr muss der Begriff des „Bereichs“ schon sprachlich in diesem Satz auf jeden der Tatbestände bezogen werden. Erfasst sind danach Angestellte im Bereich Nuklearmedizin, (im Bereich) Labormedizin (und im Bereich) Infektions- und TBC‑Abteilungen.
[22] 3.5.1 Der Begriff des „Bereichs“ beschreibt im Sprachgebrauch des Kollektivvertrags eine organisatorische Einheit. Die Parteien des Kollektivvertrags verwenden ihn etwa auch in § 26a KV – in der hier unstrittig anwendbaren Fassung des Rahmens 2021. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:
„ § 26a COVID‑19‑Prämie
1. …
5. Eine Prämie der Stufe 1 in Höhe von 500 EUR brutto gebührt Dienstnehmern,
a. die entweder auf COVID‑19‑Stationen oder in Häusern mit COVID‑19‑Stationen in speziellen Bereichen zur Behandlung von COVID‑19‑Patienten zumindest 25 Tage (die nicht zusammenhängen müssen) im Beobachtungszeitraum direkt und unmittelbar mit der Betreuung von COVID‑19‑Patienten (mit der Diagnose COVID‑19) beschäftigt waren; oder
b. …
6. Eine Prämie der Stufe 2 in Höhe von 350 EUR brutto gebührt Dienstnehmern, die keinen Anspruch auf eine Prämie der Stufe 1 haben, aber im Beobachtungszeitraum fallweise direkt und unmittelbar mit der Betreuung von COVID‑19‑Patienten (mit der Diagnose Covid‑19) beschäftigt werden. …“
[23] 3.5.2 Nach § 26a KV gebührt die „höhere“ Prämie nur Dienstnehmern, die COVID‑19‑Patienten entweder auf COVID‑19‑Stationen oder Häusern mit COVID‑19‑Stationen in speziellen Bereichen zur Behandlung solcher Patienten betreut haben. Die „niedrigere“ Prämie gebührt hingegen Dienstnehmern, die – individuell – COVID‑19‑Patienten betreut haben. Die Parteien des Kollektivvertrags unterscheiden in dieser Bestimmung deutlich die auf Stationen (oder in „speziellen Bereichen“) organisierte Betreuung von COVID‑19‑Patienten von deren individueller Behandlung außerhalb dieser Stationen (Bereiche). Gerade auch aus den Feststellungen im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Pflege von COVID‑19‑Patienten entweder auf Stationen oder – im Fall der COVID‑Intensivstation B 5 – zeitweise auch lediglich in Bereichen dieser Station durchgeführt wurde.
[24] 3.6 Daher kommt auch dem Argument des Revisionswerbers, die Auslegung des Kollektivvertrags durch die Vorinstanzen hätte zur Folge, dass jede Blutabnahme durch einen Angehörigen des diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonals schon Labordienst im Sinn des § 5 Abs 2 Satz 2 KV sei und ebenso jede Behandlung eines infektiösen Patienten (etwa eines an Grippe erkrankten Patienten) Tätigkeit in einer Infektionsabteilung keine Berechtigung zu. § 5 Abs 2 Satz 2 KV erfasst nur die Tätigkeit „im Bereich“ einer Infektions- oder TBC‑Abteilung, daher nicht eine individuelle, außerhalb eines solchen „Bereichs“ durchgeführte Betreuung eines infektiösen Patienten. Diese Unterscheidung entspricht jener der unterschiedlichen Prämienregelungen in § 26a KV.
[25] 3.7 Schließlich steht fest, dass im Anwendungsbereich des Kollektivvertrags keine Abteilung für Infektionskrankheiten eingerichtet wurde. In diesem Zusammenhang hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten gewünschte Lesart des § 5 Abs 2 Satz 2 KV zur Folge hätte, dass sie in Bezug auf ihren dritten Tatbestand keinen Anwendungsbereich hätte, was den Kollektivvertragsparteien nach der dargestellten Rechtsprechung nicht unterstellt werden kann.
[26] 3.8 Dem Argument des Revisionswerbers, dass die COVID‑(Intensiv‑)Stationen teilweise nicht voll und zeitweise gar nicht belegt waren, sodass aus der Belastung des Personals nicht auf das Vorliegen einer Infektionsabteilung im Sinn des § 5 Abs 2 Satz 2 KV geschlossen werden könne, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass diese Bestimmung nicht auf den Grad der Auslastung einer COVID‑Station abstellt.
[27] 3.9 Die vom Revisionswerber behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[28] Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
[29] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Als Bemessungsgrundlage waren jedoch nur 750 EUR anzusetzen, der Beklagte hat die Bemängelung dieses vom Kläger angegebenen Streitwerts zurückgezogen.
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