OGH 7Ob43/24k

OGH7Ob43/24k17.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen G* S*, vertreten durch das Land Tirol (Bezirkshauptmannschaft L*) als Kinder‑ und Jugendhilfeträger, *, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Mutter S* D*, vertreten durch Mag. Manuel Novak, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 5. Jänner 2024, GZ 53 R 120/23w‑43, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom 25. September 2023, GZ 1 Pu 49/17w‑39, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00043.24K.0417.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Minderjährige und seine beiden Geschwister sind die ehelichen Kinder von S* D* und P* S*; er lebt im Haushalt des Vaters.

[2] Mit gerichtlichem Vergleich vom 26. Jänner 2023 verpflichtete sich die Mutter, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag für den Minderjährigen in Höhe von 375 EUR ab 1. Februar 2023 zu bezahlen.

[3] In der Folge beantragte die Mutter eine Herabsetzung des Unterhalts aufgrund einer Einkommensminderung aus gesundheitlichen Gründen und der Minderjährige eine Unterhaltserhöhung aufgrund eines Wechsels in der Altersgruppe.

[4] Das Erstgericht verpflichtete die Mutter zusätzlich zu dem vergleichsweise festgesetzten monatlichen Unterhaltsbeitrag von 375 EUR einen weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrag von 75 EUR (gesamt 450 EUR) für den Zeitraum 1. April 2023 bis 30. April 2023 und einen weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrag von 15 EUR (gesamt 390 EUR) ab 1. Mai 2023 zu bezahlen.

[5] Bei einer Bemessungsgrundlage von 2.791 EUR im Zeitraum 1. April 2023 bis 30. April 2023und einer Bemessungsgrundlage von 2.431 EUR ab 1. Mai 2023 würden sich die zugesprochenen Unterhaltsbeträge entsprechend der Prozentsatzmethode ergeben.

[6] Das Rekursgerichtgab dem Rechtsmittel der Mutter, das sich ausschließlich gegen die Unterhaltserhöhung ab 1. Mai 2023 richtete, keine Folge. Ein Wechsel in der Altersgruppe bewirke eine wesentliche Änderung der Verhältnisse. Das Erstgericht habe daher den Unterhalt ohne Rechtsirrtumfestgesetzt.

[7] Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil die Frage, ob ein Wechsel in der Altersgruppe eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstelle, in Lehre und Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet werde.

[8] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Unterhalt für den Minderjährigen ab 1. Mai 2023 mit 375 EUR festgesetzt werde.

[9] Der Minderjährige beteiligte sich nicht am Revisisonsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

[10] Da die Mutter in ihrem Revisionsrekurs das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußstrG nicht zu begründen vermag, ist der Revisionsrekurs entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußstrG) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußstrG):

[11] 1. Unterhaltsvergleiche stehen bis zu einer nicht bloß unbedeutenden Änderung der Verhältnisse einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung – im Sinne eines materiell‑rechtlichen Hindernisses – entgegen (RS0047486; RS0018984).

[12] 2. § 190 Abs 3 ABGB idF des Kindschafts‑ und Namensrechts-Änderungsgesetzes (KindNamRÄG 2013 BGBl I 2013/15) ordnet an, dass – wie hier – vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung bedürfen und (nur) für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich sind. Besteht nun keine Verbindlichkeit für das Kind, ist es auch nicht an die dem Vergleich zugrundeliegenden Umstände gebunden, sodass es jederzeit und ohne deren Änderung eine gerichtliche Erhöhung beantragen kann (ErläutRV 2004 BlgNR 24. GP  31; 1 Ob 151/17p).

[13] 2. Im Übrigen nahm das Erstgericht aufgrund einer relevanten Einkommensminderung der Mutter ab 1. Mai 2023 eine Neubemessung des Unterhalts unter Anwendung der Prozentsatzmethode (vgl dazu RS0057284; Stefula in KBB7 § 231 ABGB Rz 17) vor. Dabei hat es im Sinn der Rechtsprechung den im Entscheidungszeitpunkt für die Altersgruppe des Minderjährigen relevanten Prozentsatz herangezogen, kommt es doch auf die tatsächlichen Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt an (vgl § 49 AußStrG; 6 Ob 154/99m; 7 Ob 212/02f; 7 Ob 44/12i).

[14] 3. Aufgrund der dargestellten Erwägungen stellt sich somit die vom Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, ob ein (bloßer) Wechsel in der Altersgruppe des Minderjährigen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt, gar nicht. Dass die vom Erstgericht vorgenommene Unterhaltsbemessung unrichtig wäre, macht der Revisionsrekurs nicht geltend.

[15] 4. Der Revisionsrerkurs ist daher zurückzuweisen.

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