OGH 10Ob11/24a

OGH10Ob11/24a16.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer, Mag. Schober, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. E*, vertreten durch Dr. Günther Auer, Rechtsanwalt in Oberndorf, 2. Dr. K*, und 3. Dr. K*, beide vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung und 564.596,63 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 15. Jänner 2024, GZ 1 R 2/24f‑25, womit aus Anlass des Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 4. Dezember 2023, GZ 1 Cg 84/23d‑2, als nichtig aufgehoben und die Klage, soweit sie auf Feststellung der Nichtigkeit eines Schiedsspruchs gerichtet ist, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00011.24A.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Schiedsverfahrensrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist als Rechtsanwältin tätig. Das Schiedsgericht der Salzburger Rechtsanwaltskammer verpflichtete sie mit Schiedsspruch vom 26. 11. 2020, Schieds/2018‑001, gegenüber früheren Mandanten zur Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Akontozahlungen von insgesamt 172.852 EUR. Am 11. 1. 2021 berichtigte das Schiedsgericht den Schiedsspruch im Kostenpunkt.

[2] Mit der am 30. 11. 2023 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin primär die Feststellung der Nichtigkeit dieses Schiedsspruchs. Zwischen den Parteien habe keine rechtsgültige Schiedsvereinbarung bestanden. Zudem habe damals eine Schiedsordnung und ein Schiedsgericht der Salzburger Rechtsanwaltskammer nicht existiert und sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden. Hilfsweise begehrt die Klägerin den Ersatz eines Schadens von 564.596,63 EUR, der ihr durch die Beklagten als Schiedsrichter grob fahrlässig zugefügt worden sei. Eine Anfechtung des Schiedsspruchs sei wegen dessen absoluter Nichtigkeit nicht Voraussetzung für die Schadenersatzklage.

[3] Das Erstgericht wies das Hauptbegehren auf Feststellung der Nichtigkeit des Schiedsspruchs wegen Verspätung a limine zurück. Die Aufhebungsklage sei außerhalb der dreimonatigen Präklusivfrist des § 611 Abs 4 ZPO erhoben worden.

[4] Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluss als nichtig auf und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Für Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Schiedsspruchs sei gemäß § 615 ZPO der Oberste Gerichtshof zuständig. Die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts sei von Amts wegen wahrzunehmen, zumal eine Heilung nach § 104 Abs 3 JN nicht eingetreten sei.

[5] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss ersatzlos aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird die Aufhebung auch des in erster Instanz gefassten Beschlusses bzw die Entscheidung in der Sache selbst angestrebt.

Rechtliche Beurteilung

[6] Das Rekursverfahren ist einseitig (RS0039200 [T45]).

[7] Der Rekurs ist zulässig, weil die Nichtigerklärung des erstgerichtlichen Beschlusses und die Zurückweisung der Klage durch das Rekursgericht auch dann, wenn – wie hier – schon das Erstgericht die Klage zurückgewiesen hat, jedoch aus einem anderen Grund als das Rekursgericht, wie ein gleichartiger berufungsgerichtlicher Beschluss (analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO; RS0043774) anfechtbar ist (vgl auch RS0043861 [T4]). Er ist aber nicht berechtigt.

[8] 1. Wiewohl sich die Klägerin in ihrer Klageerzählung zum Hauptbegehren sinngemäß (auch) auf die Aufhebungsgründe des § 611 Abs 2 Z 1 und 2 ZPO stützt, ergibt sich aus ihrem gesamten Klagevortrag deutlich das angestrebte Rechtsschutzziel der Klägerin, das – wie vom Rekursgericht zutreffend erkannt – auf die Feststellung des Nichtbestehens eines (gültigen) Schiedsspruchs gerichtet ist und nicht auf dessen Aufhebung mittels Rechtsgestaltungsklage im Sinn des § 611 ZPO. Anders kann deren Vorbringen zum Schadenersatzbegehren, einer Anfechtung des Schiedsspruchs bedürfe es nicht, sei dieser doch ohnedies absolut nichtig, in Zusammenhalt mit ihren weiteren Prozessbehauptungen zur mangelnden Existenz des Schiedsgerichts als solchen nicht verstanden werden.

[9] 2. Für dieses Feststellungsbegehren im Sinn des § 612 ZPO ist aber, nicht anders als für die Aufhebungsklage nach § 611 ZPO, seit dem SchiedsRÄG 2013 (BGBl I 2013/118) grundsätzlich eine Eigenzuständigkeit des Obersten Gerichtshofs vorgesehen (§ 615 ZPO; zu den Ausnahmefällen vgl nur Plavec in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON § 615 ZPO Rz 5).

[10] 3. Diese in § 615 ZPO angeordnete Eigenzuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zieht die Klägerin in ihrem nunmehrigen Rekurs auch nicht in Zweifel. Sie macht jedoch im Wesentlichen geltend, das Rekursgericht hätte die Unzuständigkeit nicht aufgreifen dürfen, weil entgegen dessen Rechtsansicht eine Heilung nach § 104 Abs 3 JN eingetreten sei, hätten die Beklagten im Verfahren doch jeweils eine Klagebeantwortung und eine Rekursbeantwortung erstattet, ohne darin die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts einzuwenden.

[11] Dem steht aber schon entgegen, dass das Erstgericht das hier zu beurteilende Feststellungsbegehren a limine zurückgewiesen hat. Eine unterbliebene Geltendmachung der Unzuständigkeit des Erstgerichts in den jeweils bloß zum verbleibenden Schadenersatzbegehren aufgetragenen Klagebeantwortungen kann damit von vornherein keine Heilung der unprorogablen Unzuständigkeit nach § 104 Abs 3 JN bewirken (vgl 1 Ob 598/94). Doch auch im einseitigen Rekursverfahren gegen den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts (s RS0039200 [T45]) konnte es im Rahmen der unzulässigen – und daher vom Rekursgericht konsequenterweise zurückgewiesenen – Rekursbeantwortungen zu keiner Begründung der Zuständigkeit des Gerichtshofs durch rügelose Einlassung der Beklagten kommen.

[12] 4. Damit kommt es letztlich nicht entscheidend auf die Frage an, ob im Bereich des § 615 ZPO die Heilung einer Unzuständigkeit nach § 104 Abs 3 JN überhaupt in Betracht kommt (dies bejahend 4 Ob 92/17h unter Hinweis auf die in § 615 ZPO geregelte individuelle, nicht aber funktionelle Zuständigkeit; ablehnend Rechberger, Anm zu 4 Ob 92/17h ecolex 2017/395, 985 [986 f]; Plavec in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON § 615 ZPO Rz 6, jeweils unter Verweis auf die rechtspolitische Zielsetzung im Rahmen des SchiedsRÄG 2013, die in Rede stehenden Verfahren beim Obersten Gerichtshof in erster und letzter Instanz zu konzentrieren).

[13] 5. Soweit sich die Klägerin in ihrem Rechtsmittelvortrag im Übrigen darauf beruft, dass zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens nie eine gültige Schiedsvereinbarung existiert habe bzw eine solche auch gar nicht wirksam abgeschlossen hätte werden können, so geht aus ihren Ausführungen nicht nachvollziehbar hervor, welche für sie positiven rechtlichen Ableitungen sich daraus in Ansehung der hier zu beurteilenden Zuständigkeitsfrage ergeben sollen.

[14] 6. Dem Rekurs der Klägerin war daher der Erfolg zu versagen.

[15] 7. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 40, 50 ZPO.

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