European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110NS00021.24P.0411.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Bezirksgericht Fünfhaus zuständig.
Gründe:
[1] Mit beim Bezirksgericht Favoriten eingebrachtem Strafantrag vom 5. Oktober 2022 (ON 4) legte die Staatsanwaltschaft Wien * J* ein als Vergehen des Betruges nach § 146 StGB beurteiltes Verhalten zur Last.
[2] Danach habe er „im Zeitraum 28.10.2021 bis 31.10.2021 in 1100 Wien“ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz [Verfügungsberechtigte des Arbeitsmarktservice] durch Täuschung über [einen Anspruch auf Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung begründende] Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Auszahlung von 104,24 Euro „aus der Arbeitslosenversicherung“, verleitet und dadurch „das Arbeitsmarktservice“ am Vermögen geschädigt, indem er es unterließ (§ 2 StGB), dem Arbeitsmarktservice einen Auslandsaufenthalt zu melden.
[3] Mit Verfügung vom 30. Jänner 2024 überwies das Bezirksgericht Favoriten die Akten dem (seiner Ansicht nach örtlich zuständigen) Bezirksgericht Steyr, weil der – in Ermangelung eines „bestimmten Handlungs- bzw Unterlassungsort[s]“ – maßgebliche Ort des Erfolgseintritts dort sei, wo sich der „potentielle Erklärungsempfänger“ befinde, der hier „das AMS Steyr“ sei (ON 1 S 21).
[4] Das Bezirksgericht Steyr bezweifelte ebenfalls seine Zuständigkeit und retournierte (siehe aber § 38 dritter Satz StPO) die Akten mit dem Hinweis „Tatort ist 1100 Wien“ dem Bezirksgericht Favoriten (ON 1 S 21).
[5] Dieses verfügte am 26. Februar 2024 die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof (ON 1 S 23).
Dieser hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
[6] Nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO ist für das Hauptverfahren (primär) das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Ausführungsort ist der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen (§ 67 Abs 2 StGB; vgl auch RIS‑Justiz RS0127231). Bei Unterlassungsdelikten ist Tatort jener Ort, an dem der Täter durch das pflichtwidrige Nichthandeln den strafbaren Tatbestand hergestellt hat (Nordmeyer, WK‑StPO § 25 Rz 1). Die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit richtet sich – ohne Bindung an die Zeit- und Ortsangaben im Strafantrag – nach der Aktenlage (RIS‑Justiz RS0131309 [insbesondere T1 und T3]).
[7] Dem Angeklagten liegt zur Last, seine ihn als Bezieher von Arbeitslosengeld (vgl ON 7) treffende Pflicht (§ 50 Abs 1 AlVG) verletzt zu haben, einen Auslandsaufenthalt – während dessen der Anspruch ruht (§ 16 Abs 1 lit g AlVG) – ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses, der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen. Hiervon ausgehend ist als jener Ort, an dem der Angeklagte hätte handeln sollen, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzusehen (vgl RIS‑Justiz RS0130898), deren Zuständigkeit sich nach dem Wohnsitz der arbeitslosen Person richtet (§ 44 Abs 1 Z 2 AlVG).
[8] Seinen am 28. Oktober 2021 begonnenen (vgl ON 2.7) Auslandsaufenthalt hätte der Angeklagte nach dem zuvor Gesagten spätestens am 4. November 2021 anzeigen müssen; sein Wohnsitz laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister (zur Indizwirkung der polizeilichen Meldung siehe Nordmeyer, WK‑StPO § 25 Rz 4 und 11 Ns 75/17v) lag zu jenem Zeitpunkt in 1150 Wien (ON 3 S 1). Demzufolge hätte die Anzeige beim Arbeitsmarktservice Wien Johnstraße 85, 1150 Wien (vgl auch ON 2.651 und ON 2.951), erfolgen müssen.
[9] Daraus folgt – wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte – die Zuständigkeit des (wenngleich bislang nicht befassten) Bezirksgerichts Fünfhaus.
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