OGH 1Ob151/23x

OGH1Ob151/23x8.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* L*, Italien, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in Lienz, gegen die beklagte Partei L* AG, *, vertreten durch Priv.‑Doz. MMag. Dr. Martin Oppitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen 140.271,10 EUR sA, aus Anlass der außerordentlichen Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Juni 2023, GZ 3 R 10/23x‑70, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. November 2022, GZ 12 Cg 12/20i‑62, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00151.23X.0408.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Konsumentenschutz und Produkthaftung, Unionsrecht

 

Spruch:

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Rechtsfolgen von Aufträgen zum Erwerb von Finanzprodukten, die ein im Staat A (hier Italien) ansässiger Verbraucher aufgrund einer ständigen Geschäftsbeziehung einer im Staat B (hier Österreich) ansässigen Bank erteilt, nach dem Recht zu beurteilen, das sich aus Art 6 der Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I‑VO) ergibt, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Art 6 Rom I‑VO zwar bei Erteilen der einzelnen Aufträge, nicht aber schon bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung gegeben waren und die Parteien zu diesem Zeitpunkt für die gesamte Geschäftsbeziehung nach Art 3 Rom I‑VO das Recht des Staates B gewählt hatten?

2. Falls Frage 1 bejaht wird:

Ist die Ausnahme des Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO anwendbar, wenn eine Bank auf Grundlage eines Vertrags Konten für einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Verbraucher eröffnet und in weiterer Folge aufgrund von Aufträgen des Verbrauchers für diesen Finanzprodukte erwirbt, die den Konten zugeschrieben werden, wobei der Verbraucher die Aufträge (auch) im Weg der Fernkommunikation erteilen kann?

3. Falls Frage 1 bejaht und Frage 2 verneint wird:

Ist eine vor Eintreten der Voraussetzungen für die Anwendung von Art 6 Rom I‑VO getroffene Rechtswahl nach Eintreten dieser Voraussetzungen als missbräuchlich im Sinn von Art 3 Abs 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klauselrichtlinie) anzusehen, wenn darin nicht auf die Rechtsfolgen des Art 6 Abs 2 Rom I‑VO hingewiesen wurde?

II. Das Verfahren über das Rechtsmittel der klagenden Partei wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

 

Begründung:

I. Sachverhalt:

[1] Der in Italien wohnhafte Kläger verfügt aufgrund beruflicher Erfahrungen über ein hohes Verständnis für Finanzgeschäfte sowie für den Kapital‑ und Finanzmarkt. Im hier vorliegenden Zusammenhang handelte er aber nicht zu einem Zweck, der seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Er eröffnete im Jahr 2013 bei der beklagten Bank, deren Sitz in Österreich liegt, ein Wertpapierdepot‑ und Kontokorrentkonto. Zu diesem Zweck begab er sich zu einer Filiale der Beklagten in Österreich. Den Kontakt hatte ihm eine Person aus seinem beruflichen Umfeld vermittelt. Den von ihm unterschriebenen Kontoeröffnungsantrag übermittelte er in weiterer Folge ebenso wie von der Bank angeforderte „Kundenprofile“ aus Italien.

[2] Der Kläger wählte als Privatkunde das sogenannte „beratungsfreie Geschäft“. Im von ihm unterschriebenen „Eröffnungsantrag“ fand sich folgende Bestimmung:

„Ich (Wir) nehme(n) die 'Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte' sowie die 'Sonderbedingungen für börslich und außerbörsliche Options- und Termingeschäfte' sowie die 'Zinsen- und Konditionenübersicht', alle in der jeweils geltenden Fassung, als Grundlage unserer gegenwärtigen und künftigen Geschäftsverbindung zustimmend zur Kenntnis.“

[3] Die ihm zuvor ausgehändigten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bankgeschäfte“ enthielten folgende Bestimmung:

„Für alle Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut gilt österreichisches Recht.“

 

[4] Im Lauf der Geschäftsbeziehung wurde das Kundenprofil des Klägers mehrmals aktualisiert. Durchgehend entschied er sich gezielt für das „beratungsfreie Geschäft“, um seine Veranlagungen frei nach seinen eigenen Vorstellungen ohne vorhergehende Beratung durch die Beklagte durchführen zu können.

[5] Im September 2015 und im Juni 2016 erwarb der Kläger über die Beklagte unbesicherte Schuldverschreibungen (exchange traded notes, ETN), die er im Juli 2016 mit Gewinn verkaufte. Er ließ sich auch bei diesen Käufen nicht beraten, sondern entschloss sich allein auf Basis der Informationen aus einem Zeitungsartikel zum Kauf.

[6] Im Oktober 2016 fand in Padua eine von einem italienischen Unternehmen ausgerichtete Veranstaltung statt, an der institutionelle und private Anleger – darunter auch der Kläger – teilnahmen. DerGeschäftsführer des Unternehmens stellte unter anderem einen Fonds vor, in dessen Portfolio die oben genannten Schuldverschreibungen enthalten waren. Bei dieser Veranstaltung war auch ein Mitarbeiter der beklagten Bank anwesend.Er präsentierte weder den genannten Fonds noch andere Finanzprodukte, sondern stellte nur die Beklagte vor.

[7] Von Oktober 2017 bis Februar 2018 kaufte der Kläger aus eigenem Antrieb über die Beklagte weitere Anteile an der Schuldverschreibung (ETN). Der Kläger beauftragte die Beklagte entweder telefonisch oder mit E‑Mail. Die Veranstaltung vom Oktober 2016 hatte keinen Einfluss auf seine Kaufentscheidungen. Weiters erwarb der Kläger im Oktober 2017 über die Beklagte mit schriftlicher Order Anteile an jenem Fonds, der bei der Veranstaltung vorgestellt worden war. Das Kundeninformationsdokument zu diesem Fonds war auf der Website der Beklagten abrufbar.

[8] Die beklagte Bank erbrachte (auch) ab 2017 keine Beratungsleistungen, es handelte sich weiterhin – vom Kläger ausdrücklich gewünscht – um „beratungsfreie Geschäfte“. Die Parteien stellten außer Streit, dass der Kauf jeweils im Weg eines „Kommissionsgeschäfts“ abgewickelt wurde. Dies versteht das vorlegende Gericht dahin, dass die Bank die Finanzprodukte auf Rechnung des Klägers kaufte und seinem bei der Bank geführten Wertpapierkonto gutschrieb.

II. Anträge und Vorbringen der Parteien:

[9] Der Kläger behauptet, durch den ab 2017 erfolgen Kauf von Schuldverschreibungen und Fondsanteilen einen finanziellen Verlust erlitten zu haben, und begehrt von der Beklagten aufgrund von Beratungs‑ und Informationsfehlern Schadenersatz von 140.271,10 EUR sA. Die Beklagte habe ihre Tätigkeit auf Italien ausgerichtet. Die Wahl österreichischen Rechts sei unzulässig, „zumal die italienischen Bestimmungen des Codice Civile und des CDC (Art 67 [18] italienisches Konsumentenschutzgesetz) deutlich günstiger sind, als die dazu bestehenden österreichischen Bestimmungen“. Die Beklagte habe Informationspflichten „im Sinne des TUF Gesetzesdekret 58/98 (konsolidiertes Finanzgesetz) § 21 und § 23 verletzt“. Bei Verletzung der vorvertraglichen Verpflichtungen und Informationspflichten nach diesen Bestimmungen liege Nichtigkeit des Vertrags vor.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, aufgrund der wirksam getroffenen Rechtswahl sei österreichisches Recht anzuwenden. Der Kläger habe keine Anlageberatung in Anspruch genommen, sondern sich für die Geschäftsabwicklung im Weg des „beratungsfreien Geschäfts“ entschieden. Sie habe lediglich die beauftragten Einzeltransaktionen durchgeführt. Die Veranlagung sei für den Kläger „angemessen“ gewesen. Damit habe die Beklagte nach österreichischem Recht nicht zu haften.

III. Bisheriges Verfahren:

[10] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie gingen aufgrund der Rechtswahlvereinbarung von der Anwendung österreichischen Rechts aus. Das Wertpapierdepot und das Verrechnungskonto des Klägers bei der Beklagten seien in Österreich geführt worden. Er habe als „beratungsfreier“ Kunde in Italien weder eine Anlageberatung noch sonstige Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch genommen. Die getroffene Rechtswahl sei „auch vor dem Hintergrund von Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑Verordnung zulässig“. Gegenüber einem „beratungsfreien“ Kunden sei die Beklagte nach österreichischem Recht nur verpflichtet gewesen, einen „Angemessenheitstest“ gemäß § 45 Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 (kurz: WAG 2007; nunmehr § 57 Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 [kurz: WAG 2018]) – und keine Eignungsprüfung gemäß § 44 WAG 2007 (nunmehr § 56 WAG 2018) – hinsichtlich der Kenntnisse und Erfahrungen des Klägers für die Produkte durchzuführen und die dafür notwendigen Informationen einzuholen. Die Beklagte habe insofern keine Pflichten verletzt und hafte daher nicht für die Verluste des Klägers.

[11] Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr über die Revision des Klägers zu entscheiden. Darin argumentiert er zusammengefasst, aufgrund der Vorstellung der Beklagten bei der Veranstaltung im Oktober 2016 in Padua habe sich diese aktiv in Italien vermarktet und damit gemäß Art 6 Abs 1 lit b Rom I‑VO ihre Aktivitäten auf den italienischen Markt ausgerichtet. Nach dieser Veranstaltung habe er weitere Anteile an der Schuldverschreibung sowie am Fonds geordert; nur aus diesen – nach der Veranstaltung erfolgten – Käufen mache er Schadenersatzansprüche geltend. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Rechtswahlklausel sei bei Verbrauchergeschäften wegen Intransparenz missbräuchlich und daher nicht anzuwenden, wenn er – wie hier – als Verbraucher nicht darauf hingewiesen worden sei, dass er sich nach Art 6 Abs 2 Rom I‑VO auf den Schutz der zwingenden Bestimmungen des im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts geltenden Rechts berufen könne. Die österreichischen Rechtsvorschriften seien für ihn wesentlich ungünstiger als jene des italienischen Rechts. Die Ausnahme nach Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO sei nicht anwendbar, weil die Beklagte über eine englischsprachige Website verfügt habe, auf der er als italienischer Verbraucher alle Kontobewegungen einsehen, Kontoauszüge ausdrucken und Informationen, Stellungnahmen und Analysen erhalten habe können. Diese Wertpapierdienstleistung sei online in Italien – seinem Wohnsitzstaat – erbracht worden, ohne dass seine physische Anwesenheit in Österreich erforderlich gewesen sei. Damit seinach Art 6 Abs 1 Rom I‑VO auf die mit ihm als Verbraucher abgeschlossenen Finanzdienstleistungsverträge italienisches Recht anzuwenden.

IV. Rechtsgrundlagen:

[12] In den Erwägungsgründen 7 und 25 der Rom I‑Verordnung heißt es:

„(7) Der materielle Anwendungsbereich und die Bestimmungen dieser Verordnung sollten mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ('Brüssel I') und der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ('Rom II') im Einklang stehen.

[...]

(25) Die Verbraucher sollten dann durch Regelungen des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts geschützt werden, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann, wenn der Vertragsschluss darauf zurückzuführen ist, dass der Unternehmer in diesem bestimmten Staat eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. […]“

[13] Die maßgebenden Bestimmungen der Rom I‑VO lauten:

„Artikel 3

Freie Rechtswahl

(1) Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen. [...]

Artikel 6

Verbraucherverträge

(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ('Verbraucher'), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ('Unternehmer'), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer

a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

b) eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

[...]

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für:

a) Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;

[...]“

[14] Art 3 Abs 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klauselrichtlinie) bestimmt:

„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“

[15] § 879 Abs 3 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) bestimmt:

„Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.“

V. Vorlagefragen:

Rechtliche Beurteilung

[16] Sowohl bei der Begründung der Geschäftsbeziehung als auch bei den strittigen Aufträgen zum Erwerb von Finanzprodukten handelte der Kläger als Verbraucher. Die Voraussetzungen von Art 6 Rom I‑VO waren allerdings, wie im Folgenden noch darzustellen ist, bei Begründung der Geschäftsbeziehung noch nicht gegeben, weil die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch keine Tätigkeit in Italien ausgeübt oder dorthin ausgerichtet hatte. Daraus ergeben sich nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs drei Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, deren Beantwortung zu unterschiedlichen Ergebnissen beim anwendbaren Recht führen kann.

1. Zu Frage 1:

[17] 1.1. Zunächst ist zu klären, ob das Eintreten der Voraussetzungen von Art 6 Abs 1 Rom I‑VO im Verlauf einer zuvor begründeten ständigen Geschäftsbeziehung dazu führt, dass für spätere Geschäfte die Rechtsfolgen dieser Bestimmung anzuwenden sind. Wird das verneint, wäre im konkreten Fall aufgrund der zu Beginn der Geschäftsbeziehung getroffenen Rechtswahl jedenfalls österreichisches Recht anzuwenden.

[18] 1.2. Zu Beginn der Geschäftsbeziehung hatten die Parteien wirksam österreichisches Recht gewählt.

[19] Das Zustandekommen der Rechtswahl war nach Art 3 Abs 5 in Verbindung mit Art 10 Abs 1 Rom I‑VO nach österreichischem Recht und damit unter anderem nach § 879 Abs 3 ABGB zu beurteilen. Diese Bestimmung setzt Art 3 Abs 1 Richtlinie 93/13/EWG um und ist daher richtlinienkonform zu interpretieren. Art 3 Abs 1 Richtlinie 93/13/EWG und damit § 879 Abs 3 ABGB standen der Wirksamkeit der Rechtswahl aber aus folgenden Gründen nicht entgegen:

[20] Zwar ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmers enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der auf den streitigen Vertrag das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, missbräuchlich im Sinne von Art 3 Abs 1 Richtlinie 93/13/EWG , wenn sie den betroffenen Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anwendbar, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art 6 Abs 2 Rom I‑VO auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre (EuGH C‑191/15 , Verein für Konsumenteninformation, ECLI:EU:C:2016:612, Rn 71), nämlich die nach dem Recht des Landes, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (EuGH C‑821/21 , Club La Costa ua,ECLI:EU:C:2023:672, Rn 72).

[21] Dies setzt allerdings die Anwendbarkeit von Art 6 Rom I‑VO voraus. Sie war hier aber im Zeitpunkt der Rechtswahl nicht gegeben: Der Kläger begab sich nach Vermittlung des Kontakts durch eine Person aus seinem beruflichen Umfeld zum Zweck der Anbahnung der Geschäftsbeziehung zu einer Filiale der Beklagten in Österreich. In weiterer Folge unterfertigte er zwar an seinem italienischen Wohnort ein von der Beklagten übermitteltes Kundenprofil und den „Eröffnungsantrag“ für das Kontokorrent‑ und Wertpapierdepotkonto. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass die Beklagte abgesehen vom Übermitteln dieser Unterlagen eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in Italien ausgeübt oder in irgendeiner Weise dorthin ausgerichtet hatte. Eine solche zur Anwendung von Art 6 Rom I‑VO führende Tätigkeit läge nur vor, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass die Beklagte über diesen Einzelfall hinaus (also ganz allgemein) beabsichtigt hätte, mit Verbrauchern aus dem Staat des Klägers Verträge abzuschließen (EuGH C‑585/08 und C‑144/09 , Pammer und Hotel Alpenhof, ECLI:EU:C:2010:740, Rn 92 [zu Art 15 Brüssel I‑VO]; vgl auch OGH 1 Ob 158/09f, Punkt 5, zur Irrelevanz des bloß einmaligen Versendens von Katalogen). Dafür fehlt für den Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftsbeziehung jegliche Grundlage im Sachverhalt.

[22] Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs lagen daher bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung die Voraussetzungen für die Anwendung von Art 6 Abs 1 Rom I‑VO nicht vor. Es bestand daher für die Beklagte weder ein Anlass noch eine Verpflichtung, in der Rechtswahlklausel auf diese Bestimmung hinzuweisen. Auch andere Gründe für deren Rechtsmissbräuchlichkeit sind nicht erkennbar, zumal auf die Geschäftsbeziehung (Erbringen von Bankdienstleistungen) auch ohne die Rechtswahl nach Art 4 Abs 1 lit b Rom I‑VO österreichisches Recht anzuwenden gewesen wäre.

[23] 1.3. Die Rechtswahlklausel erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut auch zukünftige Geschäfte im Rahmen der Geschäftsbeziehung. Allerdings hat die Bank nach Aufnahme der Geschäftsbeziehung ein Verhalten gesetzt, das den Tatbestand von Art 6 Abs 1 Rom I‑VO erfüllt. Denn sie hat durch die Teilnahme an der Veranstaltung in Italien ihre Tätigkeit auf den Verbraucherstaat ausgerichtet (unten [a]), und die weiteren Aufträge des Klägers fallen in den Bereich dieser Tätigkeit (unten [b]).

[24] (a) Die Beklagte hat ihre Tätigkeit (zumindest) auf Italien ausgerichtet.

[25] Der Begriff „Ausrichten“ wird in Art 6 Abs 1 lit b Rom I‑VO in vergleichbarer Weise verwendet wie in Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO 2001 und nunmehr Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO 2012. Nach Erwägungsgrund 7 der Rom I‑VO soll die Auslegung der Bestimmungen dieser Verordnung mit jener der genannten Verordnungen in Einklang stehen, sodass die Rechtsprechung des EuGH zu dieser Zuständigkeitsvorschrift auch im vorliegenden Fall herangezogen werden kann.

[26] Nach dieser Rechtsprechung (EuGH C‑585/08 und C‑144/09 , Pammer und Hotel Alpenhof, ECLI:EU:C:2010:740, Rn 75 f) liegt ein Ausrichten vor, wenn der Gewerbetreibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen. Es müssen daher vor dem möglichen Vertragsschluss mit diesem Verbraucher Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern tätigen wollte, die in anderen Mitgliedstaaten wohnhaft sind, darunter in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche Verbraucher seinen Wohnsitz hat, und zwar in dem Sinn, dass der Gewerbetreibende zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit war.

[27] Auf dieser Grundlage besteht im konkreten Fall kein Zweifel, dass die beklagte Bank dadurch, dass ein Mitarbeiter sie bei einer Veranstaltung in Italien vorgestellt hat, ihre Tätigkeit auf den Verbraucherstaat „ausgerichtet“ hat. Denn diese Vorstellung konnte bei realistischer Betrachtung nur dazu dienen, neue oder weitere Geschäfte mit dort anwesenden Kunden abzuschließen. Da an der Veranstaltung auch Privatanleger teilnahmen und kein Hinweis darauf vorliegt, dass dies der Beklagten nicht bewusst gewesen wäre, bezog sich dieses Ausrichten auch auf Vertragsabschlüsse mit Verbrauchern.

[28] (b) Die weiteren Aufträge des Klägers fielen auch in den Bereich dieser Tätigkeit.

[29] Ein Kausalzusammenhang zwischen der auf den Verbraucherstaat ausgerichteten Tätigkeit und dem konkreten Vertragsabschluss ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich; es genügt, dass die Tätigkeit allgemein auf den Abschluss solcher Verträge gerichtet war (vgl EuGH C‑218/12 , Emrek, ECLI:EU:C:2013:666, Rn 32 [zu Art 15 Abs 1 lit c Brüssel I‑VO]). Das traf zu, weil es sich beim Erwerb von Finanzprodukten um typische Bankgeschäfte handelt, auf deren Abschluss die Vorstellung der Bank zielte. Da es nicht auf einen Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit und dem später geschlossenen Vertrag ankommt, ist es aus kollisionsrechtlicher Sicht irrelevant, dass die Geschäftsbeziehung mit dem Kläger schon bestand und dass die Bank bei der Veranstaltung in Italien nicht für bestimmte Finanzprodukte warb.

[30] 1.4. Die Beklagte hat daher ein Verhalten gesetzt, das an sich zur Anwendung von Art 6 Rom I‑VO führen müsste. Fraglich ist allerdings, ob das auch dann gilt, wenn Aufträge im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung erteilt werden, für die die Parteien – wie hier – bei Aufnahme dieser Geschäftsbeziehung eine wirksame Rechtswahl getroffen hatten.

[31] Gegen diese Annahme spricht das Vertrauen der beklagten Bank auf die Wirksamkeit der zur Anwendung österreichischen Rechts führenden Rechtswahl. Zwar könnte bezweifelt werden, ob dieses Vertrauen schützenswert ist, wenn sich die Bank nach Abschluss dieser Vereinbarung – wie im vorliegenden Fall – auf den Markt des Verbraucherstaates begibt und damit jedenfalls bei Neuverträgen mit der Anwendung des Rechts dieses Staates rechnen muss. Im konkreten Fall könnte allerdings von Bedeutung sein, dass die Bank zur Durchführung der Aufträge verpflichtet war: Nach den Geschäftsbedingungen musste sie die Aufträge (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) zwar nur dann durchführen, wenn dies der Kunde mit ihr vereinbart hatte (Allgemeiner Teil der Bedingungen I. B. 1. Z 2 Abs 2). Eine solche Vereinbarung über die Erteilung von Aufträgen mittels Telekommunikation hat der Kläger mit der Beklagten aber am 26. 9. 2013 geschlossen. Diese Verpflichtung spricht eher dafür, das Vertrauen der Bank auf die (uneingeschränkte) Wirksamkeit der Rechtswahl zu schützen.

[32] Ähnliches könnte allenfalls auch aus der zu Art 28 Rom I‑VO ergangenen Entscheidung C‑135/15 , Nikiforidis, ECLI:EU:C:2016:774, abgeleitet werden: Dort führte der EuGH aus, dass das Wirksamwerden der Rom I‑VO nur dann zu deren Anwendung auf einen zuvor geschlossenen Vertrag führt, wenn dieser in einem Umfang geändert wurde, dass von einem neuen Vertrag auszugehen ist. Diese Wertung könnte man auf den Fall übertragen, dass – wie hier – nach Vertragsabschluss die Voraussetzungen für die Anwendung von Art 6 Rom I‑VO eintreten. Allerdings ist zu beachten, dass hier nicht ein Dauerschuldverhältnis im engeren Sinn (etwa ein Arbeitsvertrag wie in der Entscheidung Nikiforidis) zu beurteilen ist, sondern eine vertraglich geregelte Geschäftsbeziehung, in deren Rahmen einzelne selbständige Aufträge erteilt und ausgeführt werden.

[33] 1.5. Der EuGH wird daher um Beantwortung der Frage ersucht, ob die Rechtsfolgen eines Auftrags zum Erwerb eines Finanzprodukts, den ein Verbraucher aufgrund einer ständigen Geschäftsbeziehung einer Bank erteilt und den die Bank ausführt, nach dem Recht zu beurteilen sind, das sich aus Art 6 Rom I‑VO ergibt, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung noch nicht vorlagen und die Parteien zu diesem Zeitpunkt eine (umfassende) Rechtswahl nach Art 3 Rom I‑VO getroffen hatten.

2. Zu Frage 2:

[34] 2.1. Ist Art 6 Rom I‑VO grundsätzlich anwendbar, stellt sich die weitere Frage, ob die Voraussetzungen für die Ausnahme nach Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO erfüllt sind. Danach gelten Art 6 Abs 1 und 2 dieser VO nicht für „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Ein Vertrag über den Kauf von Wertpapieren auf Rechnung des Kunden ist als Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinn von Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO anzusehen.

[35] 2.2. Der Europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung C‑272/18 , Verein für Konsumenteninformation, ECLI:EU:C:2019:827, zu dieser Bestimmung Stellung genommen.

[36] Strittig war dort der Erwerb von Kommanditanteilen über ein im Ausland ansässiges Unternehmen, das als Treuhänder auftrat. Verbraucher zahlten die zu veranlagenden Beträge auf ein Treuhandkonto im Verbraucherstaat ein, das Unternehmen erfüllte Informationspflichten aus dem Treuhandvertrag durch Zusendung von Berichten in den Verbraucherstaat, und Dividendenzahlungen wurden auf Konten im Verbraucherstaat überwiesen. Weiters verfügte das Unternehmen über eine Website für österreichische Verbraucher, auf der diese Informationen abrufen und ihr Stimmrecht ausüben konnten.

[37] Nach Auffassung des EuGH war zu prüfen, ob sich schon aus der „Natur“ der vereinbarten Dienstleistungen ergebe, dass sie in ihrer Gesamtheit nur außerhalb des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, erbracht werden könnten (Rn 51). Würden die Dienstleistungen körperlich in einem anderen Staat erbracht als in jenem, in dem der Verbraucher „in ihren Genuss komme“, sei davon auszugehen, dass die Dienstleistungen nur dann „ausschließlich“ außerhalb des Verbraucherstaates erbracht würden, wenn dieser keine Möglichkeit habe, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen, und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben müsse (Rn 52). Das habe im konkreten Fall nicht zugetroffen (Rn 53).

[38] 2.3. Gegen ein „ausschließliches“ Erbringen der Dienstleistung in Österreich spricht im vorliegenden Fall, dass der Kläger seine Kaufaufträge im Weg der Fernkommunikation (Telefon, E-Mail) von Italien aus erteilen konnte. Weiters stand dem Kläger die Website der Beklagten auch in englischer Sprache zur Verfügung, wobei er dort nach seinem insofern nicht bestrittenen Vorbringen Einsicht in seine Konten nehmen konnte; überdies ist anzunehmen, dass die Bank dem Kläger auch Informationen über die Durchführung seiner Aufträge übermittelt hat.

[39] Dennoch ist es nicht zwingend, dass die Entscheidung C‑272/18 auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann. Denn im Anlassfall dieser Entscheidung war ein Treuhandvertrag zu beurteilen, wobei der beklagte Treuhänder ohne Zweifel Leistungen zu erbringen hatte, die dem Verbraucher im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts zugute kamen (Entgegennahme der zu veranlagenden Beträge auf einem Konto in diesem Staat, Ermöglichung der Beteiligung an der Willensbildung der Gesellschaften über eine für diesen Staat gestaltete Website, Überweisung von Veranlagungserträgen in diesen Staat). Im vorliegenden Fall wurde demgegenüber im Kern (nur) ein Konto und ein Depot im Staat der Bank eröffnet, und die von der Bank im Auftrag des Kunden erworbenen Finanzprodukte wurden dort gutgeschrieben. Damit könnte fraglich sein, ob der Kläger tatsächlich in seinem Staat – also in Italien – in den „Genuss“ dieser Dienstleistungen (C‑272/18 , Rn 52) gekommen ist. Die Möglichkeit der Auftragserteilung aus der Distanz und die Übermittlung von Informationen könnten insofern als bloß sekundäre Elemente angesehen werden, die der Anwendung von Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO nicht entgegenstehen.

[40] 2.4. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs liegt es zwar nahe, den vorliegenden Fall gleich zu behandeln wie jenen, den der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C‑272/18 zu beurteilen hatte. Die gegenteilige Auffassung ist allerdings nicht ausgeschlossen. Aus diesem Grund wird der Europäische Gerichtshof neuerlich um Auslegung von Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO ersucht. Sollte sich aus dieser Auslegung die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ergeben, wäre der Fall ausschließlich nach österreichischem Recht zu beurteilen.

3. Zu Frage 3:

[41] 3.1. Wird hingegen Frage 1 bejaht und Frage 2 verneint, ist Art 6 Rom I‑VO anwendbar. Dies führt nach Abs 1 dieser Bestimmung grundsätzlich zur Anwendung des Rechts des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hier also zur Anwendung italienischen Rechts. Allerdings ist eine Rechtswahl möglich. Diese darf aber nach Art 6 Abs 2 Rom I‑VO nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch das zwingende Recht seines Aufenthaltsstaates gewährt wird.

[42] 3.2. Damit stellt sich im konkreten Fall die Frage, ob die von den Parteien getroffene Rechtswahl weiterhin zu beachten ist, obwohl darin nicht – im Sinn der Entscheidung C‑191/15 , Verein für Konsumenteninformation, ECLI:EU:C:2016:612 – auf die Rechtsfolgen des Art 6 Abs 2 Rom I‑VO hingewiesen wurde (oben V.1.2.). Es könnte die Auffassung vertreten werden, dass die Rechtswahl zwar ursprünglich unbedenklich war, nunmehr aber nach Art 3 Abs 1 der Richtlinie 93/13/EWG als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. In diesem Fall wäre nach Art 6 Abs 1 Rom I‑VO umfassend italienisches Recht anzuwenden. Verneint man demgegenüber die Rechtsmissbräuchlichkeit, wäre aufgrund der Rechtswahl nach Art 6 Abs 2 Rom I‑VO österreichisches Recht anzuwenden, wobei aber günstigere Bestimmungen des italienischen Rechts Vorrang hätten.

[43] 3.3. Aus diesem Grund wird der Europäische Gerichtshof auch um Beantwortung der Frage ersucht, ob eine vor Eintreten der Voraussetzungen für die Anwendung von Art 6 Rom I‑VO getroffene Rechtswahl nach Eintreten dieser Voraussetzungen als missbräuchlich im Sinn von Art 3 Abs 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klauselrichtlinie) anzusehen ist, wenn darin nicht auf die Rechtsfolgen des Art 6 Abs 2 Rom I‑VO hingewiesen wurde.

VI. Verfahrensrechtliches:

[44] Als Gericht letzter Instanz ist der Oberste Gerichtshof zur Vorlage verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel besteht. Solche Zweifel liegen hier vor.

[45] Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist das Verfahren über das Rechtsmittel des Klägers auszusetzen.

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