European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00026.24K.0306.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Kläger waren bei der Beklagten von 1999 bis 1. Jänner 2006aufrechtrechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung (ARB 1994) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„ Artikel 7
Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
[…]
1.11. im Zusammenhang mit
–der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden;
– der Planung derartiger Maßnahmen;
– der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückserwerbes.
[…]
Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?
[…]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts‑ und Beweislage zum Ergebnis,
2.1. dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren im angestrebten Umfang zu obsiegen, hat er sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Art 6 (Versicherungsleistungen) bereit zu erklären;
2.2. dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, das hei ßt ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;
2.3. dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.
[…]“
[2] Die Kläger nahmen im Februar 2005 zum Zweck des Hausbaues bei der damaligen B* einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken auf. Die Auszahlung der Kreditvaluta erfolgte in Euro. Die AGB der kreditgewährenden Bank enthalten unter der Überschrift „Fremdwährungskonto“ folgende Regelung:
„Ziffer 37 (1)
Führt das Kreditinstitut für den Kunden ein Fremdwährungskonto, so sind Überweisungen in der betreffenden ausländischen Währung diesem Konto gutzuschreiben, sofern nicht ein anderslautender Überweisungsauftrag vorliegt. Besteht kein Fremdwährungskonto, so darf das Kreditinstitut Geldbeträge in ausländischer Währung mangels ausdrücklicher gegenteiliger Weisung des Kunden in inländischer Währung gutschreiben. Die Abrechnung erfolgt zum Kurs des Tages, an dem der Geldbetrag in ausländischer Währung zur Verfügung des Kreditinstitutes steht und von diesem verwertet werden kann.“
[3] Die Kläger begehren die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die Geltendmachung von bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsansprüchen gegen die kreditgebende Bank aus dem Kreditvertrag und dem damit verbundenen Geldwechselvertrag auf Grund der von ihnen als intransparent und missbräuchlich angesehenen Konvertierungsklausel.
[4] Die Beklagte wendet – soweit im Revisionsverfahren von Relevanz - den Risikoausschluss des Art 7.1.11. ARB 1994 und mangelnde Erfolgsaussichten vor dem Hintergrund der umfangreichen und gefestigten Judikatur zur Rückabwicklung von Fremdwährungskrediten ein.
[5] Die Vorinstanzenwiesen die Deckungsklage aufgrund der Verwirklichung des Risikoausschlusses ab.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die Kläger zeigen mitihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[7] 1. Zu Art 7.1.11. ARB 1994 („Bauherren-Klausel“)
[8] 1.1. Zu vergleichbaren Bestimmungen führte der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach aus, dass zur Finanzierung genehmigungspflichtiger Bauvorhaben regelmäßig Vereinbarungen mit dem Zweck, Fremdmittel für solche meist kostenintensive Maßnahmen zu erhalten, geschlossen werden. Wirtschaftlicher Zweck des zu beurteilenden Risikoausschlusses ist daher erkennbar, die Rechtsschutzdeckung nicht nur für erfahrungsgemäß aufwändige und deshalb teure Bau‑(mängel‑)prozesse auszunehmen, sondern auch Streitigkeiten, die – wegen der häufigen Notwendigkeit, große Beträge fremd zu finanzieren – hohe Streitwerte zum Gegenstand haben und zwischen den Parteien der Finanzierungsvereinbarung auftreten, in der Regel also Streitfragen aus dem geschlossenen Kreditvertrag zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Grund dafür ist, dass nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann. Selbstverständlich ist, dass nicht jeder auch noch so ferne Zusammenhang mit der Finanzierung ausreicht, sondern zumindest ein ursächlicher Zusammenhang im Sinn der conditio sine qua non‑Formel zwischen der Finanzierung und jenen rechtlichen Interessen, die der Versicherungsnehmer mit Rechtsschutzdeckung wahrnehmen will, bestehen muss. Dabei bedarf es – wie im Schadenersatzrecht zur Haftungsbegrenzung – eines adäquaten Zusammenhangs zwischen Rechtsstreit und Baufinanzierung, es muss also der Rechtsstreit, für den Deckung gewährt werden soll, typische Folge der Finanzierung eines Bauvorhabens sein (7 Ob 110/16a, 7 Ob 31/23v; 7 Ob 112/23f je mwN).
[9] 1.2. Zweck des Ausschlusses ist es, dass ein ganzer, durchaus überschaubarer und auch eingrenzbarer, im Grund erheblicher und typischerweise immer wiederkehrender Lebenssachverhalt vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll, der die allermeisten Versicherungsnehmer nicht, relativ wenige Bauwillige dafür mit erheblichem Kostenrisiko und in fast schon standardisierter Weise und Häufigkeit betrifft. Jedem Versicherungsnehmer kann das Wissen zugemutet werden, dass einem Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und ‑einschränkungen zu rechnen (7 Ob 31/23v; 7 Ob 112/23f je mwN).
[10] 1.3. Die Wortfolge „Die Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückerwerbs“ wird der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer dahin verstehen, dass die Wahrnehmung rechtlicher Interessen jedenfalls im Zusammenhang mit der Finanzierung von Bauvorhaben und – soweit stattgefunden – auch jene des Erwerbs des dazu erforderlichen Grundstücks vom Versicherungsschutz ausgenommen ist. Entgegen der Ansicht der Kläger wird kein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer der Bestimmung die Bedeutung unterstellen, dass diese nur zur Anwendung gelangt, wenn ein Bauvorhaben inklusive Grundstückserwerb finanziert wird (7 Ob 112/23f).
[11] 1.4. Der erkennende Fachsenat hat auch bereits ausgesprochen, dass diese Klausel weder intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG noch ungewöhnlich nach § 864a ABGB oder gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB ist. Die – für Rechtsschutzversicherungsbedingungen typische – Klausel findet sich dort, wo sie vom Versicherungsnehmer auch zu vermuten ist. Neben dem dargestellten Zweck der Klausel ist weiters zu berücksichtigen, dass Allgemeine Rechtsschutzbedingungen wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit sowie der Größe des Kostenrisikos im gesamten Bereich des privaten wie auch öffentlichen Rechts nur Teilgebiete abdecken; eine universelle Gefahrenübernahme, bei der der Versicherer jeden beliebigen Bedarf des Versicherungsnehmers nach Rechtsschutz decken müsste, ist im österreichischen Recht nicht gebräuchlich (vgl 7 Ob 70/21a; 7 Ob 172/21a; 7 Ob 112/23f je mwN). Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und ‑einschränkungen zu rechnen (vgl RS0016777 [T4]). Stichhaltige Gründe, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzugehen, zeigt die Revision nicht auf.
[12] 2. Die Klausel ist weder intransparent noch bietet sich irgendein Anhaltspunkt für einen Rechtsmissbrauch. Die Frage nach der Anwendbarkeit der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen stellt sich nicht (so auch schon 7 Ob 172/21a Rz 26), weil hier keine nach der Rechtsprechung des EuGH verpönte Auslegung von Klauseln, um ihrer Missbräuchlichkeit oder Intransparenz abzuhelfen, vorzunehmen ist. Der Anregung eines diesbezüglichen Vorabentscheidungsverfahrens durch die Kläger war damit nicht näherzutreten.
[13] 3. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
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