OGH 15Os112/23v

OGH15Os112/23v31.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Flickinger als in der Strafsache gegen A* B* wegen Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 23. Juni 2023, GZ 24 Hv 5/23g-36.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00112.23V.0131.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* B* der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I., II.c., IV.a. und IV.b.) und nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (II.a. und III.) sowie des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (erster Fall) StGB (II.b.) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und hinsichtlich II.a., II.b. und III. nach § 21 Abs 2 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in der Justizanstalt S*

I. am 9. Juni 2022 den Justizwachebeamten W* gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zu diesem sagte: „Du Hund du, wenn ich nächste Woche kein Geld zum Ausspeisen habe, ist dein Kopf am Boden!“;

II. am 23. Mai 2022

a. die Justizwachebeamten Bl* und Ba* gefährlich mit einer Brandstiftung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zu diesen sagte: „Was wollt ihr ich ficke euch ich zünd die Zelle an ist mir scheiß egal!“;

b. nach dem zu a. geschilderten Vorfall die Justizwachebeamten Bl* und Ba* mit Gewalt an der Vollziehung einer Amtshandlung, nämlich daran zu hindern versucht, ihn in eine Sicherheitszelle zu verlegen und ihn zu entkleiden, indem er versuchte, mit den Händen gegen die Genannten zu schlagen und mit seinem Oberkörper gegen sie zu stoßen;

III. am 25. Mai 2022 die Justizwachebeamten H* und S* gefährlich mit einer Brandstiftung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zu diesen sagte: „Ihr seid Hunde, ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt, ich zünde meine Zelle an!“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.

[4] Entgegen dem Einwand der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zu II.b. konstatierten die Tatrichter in den für die Subsumtion maßgeblichen Entscheidungsgründen unzweifelhaft, welche (rechtlich als Gewalt beurteilten) Handlungen des Nichtigkeitswerbers sie als verwirklicht ansahen (US 5). Dass diese Beschreibung detaillierter ist als die Beschreibung im Referat entscheidender Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; zu dessen Zweck vgl RIS-Justiz RS0116587), macht diese Feststellungen nicht undeutlich.

[5] Ferner behauptet die Mängelrüge zu II.a. und III. Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Beweiswürdigung zu den Feststellungen zur Ernstlichkeit der jeweiligen gefährlichen Drohung sowie zur Absicht des Beschwerdeführers, die Justizwachebeamten in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 5 f). Die dazu ins Treffen geführten Deponate

des Zeugen Bl* (zu II.b.), nicht mehr sagen zu können, ob „man das Gefühl gehabt“ habe, dass der Nichtigkeitswerber die Ankündigung, seine Zelle anzuzünden, ernst mache, oder dass er nur herumschimpfe (ON 36.3, 21),

der Zeugin H* (zu III.), sich nicht mehr erinnern zu können, ob sich Brennbares in der gesicherten Zelle befunden habe, sowie zu ihren Gedanken, ob oder unter welchen Bedingungen der Nichtigkeitswerber tatsächlich einen Brand hätte herbeiführen können (ON 36.3, 27 f), sowie

des Zeugen S* (zu III.), dass vom Nichtigkeitswerber „ständig solche Aussagen“ (seine Zelle anzuzünden) gekommen seien, dieser fordernd und unberechenbar gewesen sei, es aber nicht so wäre, dass er Angst habe (ON 36.3, 28),

stehen den bezeichneten Konstatierungen der Tatrichter allerdings nicht entgegen, weshalb sie keiner gesonderten Erörterung bedurften (RIS-Justiz RS0098646 [T8]; zu persönlichen Einschätzungen vgl RIS-Justiz RS0097540 [T18]).

[6] Die weitere, die Formulierung des Tatvorwurfs interpretierende Rüge zu III. übersieht, dass dem Urteil Feststellungen, nach denen die Ankündigung darauf beschränkt gewesen wäre, ausschließlich die besonders geschützte Zelle anzuzünden, nicht zu entnehmen sind (vgl US 6). Mit dem dazu erstatteten Vorbringen, unter anderem zur Beschaffenheit der besonders gesicherten Zelle und zum darauf bezogenen Kenntnisstand der Justizwachebeamten, wird kein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 aufgezeigt, sondern die Beweiswürdigung des Schöffengerichts (§ 258 Abs 2 StPO) zu den das angekündigte Übel beschreibenden Feststellungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung bekämpft.

[7] Überdies moniert die Mängelrüge eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der zu I. getroffenen Feststellungen zur Ernstlichkeit der Drohung und zur Absicht des Nichtigkeitswerbers, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 4). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ist jedoch nicht zu beanstanden, dass die Tatrichter diese Konstatierungen auf den Wortlaut der Äußerung und die Umstände, unter denen sie getätigt wurde, stützten (US 7 f; RIS-Justiz RS0116882). Mit der eigenständigen Interpretation verschiedener Aussagen und der Kritik an der Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks wird erneut bloß in unzulässiger Form das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichts angegriffen.

[8] Schließlich behauptet die Mängelrüge zu II.b. Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) hinsichtlich der Feststellungen zu einem Teil der Handlungen, die in ihrer Gesamtheit als Gewaltanwendung beurteilt wurden. Mit dem Hinweis auf Ausführungen in der Beweiswürdigung, wonach die Tatrichter diese Feststellungen „auf die glaubwürdigen Schilderungen“ zweier Zeugen gründeten (US 8), wird allerdings kein Fehlzitat in Betreff dieser Zeugenaussagen aufgezeigt (RIS-Justiz RS0099431 [insb T17]).

[9] Die Tatsachenrüge (Z 5a) zu I., II.a. und III. argumentiert gegen die jeweiligen Feststellungen zur Ernstlichkeit der Drohungen und zur Absicht des Angeklagten, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, damit, dass Zeugen die Drohungen mit einer Verletzung am Körper (I.) oder mit einer Brandstiftung (II.a. und III.) in Wirklichkeit gar nicht ernst genommen und sich auch nicht gefürchtet hätten. Überdies hätte der Nichtigkeitswerber seine Zelle mangels brennbaren Inhalts und mangels Besitzes eines Feuerzeugs gar nicht anzünden können. Damit weckt sie jedoch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der bezeichneten Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (US 4 bis 6; zum Maßstab vgl RIS‑Justiz RS0118780, RS0119583).

[10] Bleibt angesichts des darauf Bezug nehmenden Vorbringens im Rechtsmittel anzumerken, dass die Annahmen der Tatrichter zur Eignung gefährlicher Drohungen, begründete Besorgnis einzuflößen, nicht Gegenstand der Mängel- oder Tatsachenrüge, sondern der rechtlichen Beurteilung sind (RIS-Justiz RS0092538 [insb T2, T3]).

[11] Daran anschließend wird (inhaltlich) aus Z 9 lit a nicht dargetan, warum die zu II.a. festgestellte (US 4 f) Ankündigung einer Brandstiftung aus rechtlicher Sicht nicht geeignet gewesen sein sollte, begründete Besorgnis einzuflößen (RIS-Justiz RS0099620).

[12] Die weitere Rechtsrüge zu III. geht von der urteilsfremden Annahme aus, die Ankündigung des Rechtsmittelwerbers, seine Zelle anzuzünden, hätte sich ausschließlich auf die „Isolierzelle“ bezogen (vgl jedoch US 6 „ich zünde meine Zellen an“). Damit ist sie – einer weiteren Auseinandersetzung entgegenstehend – nicht prozessförmig ausgeführt (RIS-Justiz RS0099810 [insb T25]).

[13] Der Sanktionsrüge zuwider ist die erschwerende Wertung raschen Rückfalls (vgl RIS-Justiz RS0091041) oder der Tatbegehung in (Straf-)Haft weder offenbar unrichtig noch wird dadurch in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen (Z 11 zweiter oder dritter Fall). Die bloße Unterscheidung zwischen besonderen Erschwerungs- oder Milderungsgründen (§§ 33, 34 StGB) und allgemeinen Strafbemessungsaspekten (§ 32 StGB) ist nicht Gegenstand der Z 11 (15 Os 111, 112/89).

[14] Zusätzlich zu den beiden genannten Aspekten brachten die Tatrichter das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und eine einschlägige Vorstrafe (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) als erschwerend in Anschlag (US 13 f). Weshalb darin die mehrfache Zurechnung eines einzigen Erschwerungsgrundes zu erblicken sein sollte, ist nicht ersichtlich (vgl RIS-Justiz RS0091749).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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