OGH 5Ob185/23a

OGH5Ob185/23a30.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Mag. Max Wälde‑Sinigoj, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V* SARL, *, Frankreich, vertreten durch Dr. Gerhard Ebenbichler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.425.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. August 2023, GZ 3 R 11/23v‑82, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 30. Dezember 2022, GZ 18 Cg 56/18a‑78, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00185.23A.0130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin betreibt in Wien ein Auktionshaus und hat in Brüssel eine Filiale.

[2] Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft nach französischem Recht mit Sitz in Paris und betreibt dort eine Kunstgalerie. Sie erhielt am 21. 6. 2018 bei einer von der Klägerin in Wien durchgeführten öffentlichen mündlichen Versteigerung, an der sie durch ihren Geschäftsführer telefonisch teilnahm, den Zuschlag für eine Statue.

[3] Die Beklagte brachte bei einem französischsprachigen Gericht in Belgien gegen die Klägerin und eine weitere Person, die für die Klägerin tätig war, eine auf Schadenersatz gestützte Klage ein, in der sie der Klägerin insbesondere vorwirft, vor der Versteigerung am 21. 6. 2018 wesentliche Umstände über den Zustand des Versteigerungsobjekts verschwiegen zu haben. Das Verfahren in Belgien war vor der im gegenständlichen Verfahren eingebrachten Klage gerichts- und streitanhängig.

[4] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung des Meistbots von 1.200.000 EUR und der Käufergebühren von 225.000 EUR. Die Zuständigkeit des Erstgerichts stützt sie gemäß Art 25 EuGVVO auf die in ihren AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung, in eventu gemäß Art 7 Z 1 lit b EuGVVO auf den in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbarten Erfüllungsort. Dem Vertrag seien einvernehmlich ihre AGB zugrunde gelegt worden.

[5] Die Beklagte erhob die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. Es liege keine gültige Gerichtsstandsvereinbarung vor. Daneben erhob sie die Einrede der ausländischen Streitanhängigkeit nach Art 29 EuGVVO. Sie habe gegen die Klägerin beim sachlich zuständigen Gericht in Belgien eine Schadenersatzklage eingebracht, die vor der nunmehr erhobenen Klage gerichts- und streitanhängig geworden sei. Die Entscheidung des belgischen Gerichts über seine internationale Zuständigkeit sei rechtskräftig.

[6] Das Erstgericht verwarf die Einrede der internationalen Unzuständigkeit und erklärte sich für sachlich, örtlich sowie international zuständig (Spruchpunkt 1.) und wies den Antrag der Beklagten auf Zurückweisung der Klage wegen der internationalen Zuständigkeit des zuerst in Belgien angerufenen Gerichts ab (Spruchpunkt 2.).

[7] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts in seinem Punkt 2., hob sie in ihrem 1. Spruchpunkt auf und trug dem Erstgericht insoweit die Ergänzung seines Verfahrens auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der von der Beklagten gegen die Bestätigung der Abweisung ihres Antrags auf Zurückweisung der Klage wegen der internationalen Zuständigkeit des zuerst in Belgien angerufenen Gerichts erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig:

[9] 1. Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde.

[10] 2. Eine Bestätigung der Entscheidung durch das Rekursgericht liegt dann vor, wenn die beiden Instanzen – wie hier – nach meritorischer Prüfung zum selben Ergebnis gelangten (vgl RIS‑Justiz RS0044215). Dabei ist es in der Regel unerheblich, ob die erstgerichtliche Entscheidung aus denselben oder aus anderen Gründen bestätigt wird (RS0044456 [T2; T5; T12]; Musger in Fasching/Konecny³ IV/1 § 528 Rz 44 mwN). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz läge nur dann vor, wenn die Rechtskraftwirkung der Entscheidungen verschieden wäre (dazu RS0044315). Das ist hier nicht der Fall.

[11] 2.1. In der Rechtsprechung werden zwar auch andere Entscheidungen wie Klagezurückweisungen ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen behandelt. Es muss sich dabei aber stets um solche handeln, die im Ergebnis auf eine endgültige Verweigerung der Sachentscheidung über das Rechtsschutzbegehren hinauslaufen (RS0044536 [insb T8; T27]; vgl auch RS0105321). Davon kann keine Rede sein, wenn die Vorinstanzen übereinstimmend (wenn auch aus anderen Gründen) das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit, wie sie von der Beklagten eingewendet wurde, nach meritorischer Prüfung verneinen (vgl RS0044536 [T5]).

[12] 2.2. Spricht das Rekursgericht über mehrere Punkte in einer Entscheidung ab, ist die Zulässigkeit des Revisionsrekurses grundsätzlich für jeden Ausspruch gesondert zu beurteilen (vgl 6 Ob 79/18p mwN), es sei denn der bestätigende und der abändernde Teil der Rekursentscheidung stünden in einem so engen, unlösbaren sachlichen Zusammenhang, dass sie nicht auseinandergerissen werden können; in einem solchen Fall könnte auch die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden (RS0044238). Dass ist aber dann nicht der Fall, wenn die Aussprüche ein „gesondertes rechtliches Schicksal“ haben können (RS0044238 [T10; T15; T26]).

[13] 2.3. Das Rekursgericht hat die Entscheidung mit der das Erstgericht das Prozesshindernis der (ausländischen) Streitanhängigkeit verneinte, inhaltlich geprüft und ebenfalls verneint. Die Entscheidung darüber steht in keinem derart engen Zusammenhang mit der Frage der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, die im fortgesetzten Verfahren weiter geprüft werden soll, dass sie deren rechtliches Schicksal teilen könnte. Selbst in einem solchen Fall stünde einem zulässigen Rechtsmittel die Bestimmung des § 527 Abs 2 ZPO entgegen.

[14] 3. Der absolute Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO geht der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 528 Abs 1 ZPO vor und verhindert jede Anfechtung des voll bestätigenden rekursgerichtlichen Beschlusses. Auch ein „außerordentliches“ Rechtsmittel kommt damit nicht in Betracht (RS0112314 [T5; T26]).

[15] 4. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist daher absolut unzulässig und zurückzuweisen.

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