OGH 7Ob206/23d

OGH7Ob206/23d24.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* H*, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Günter Niebauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2023, GZ 3 R 128/23z‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00206.23D.0124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Zwischen den Streitteilen besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) 2009 und die Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (SRB) Nr 267 („Premiumpaket“) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:

[2] Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung:

„Artikel 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

Soweit nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

1. in ursächlichem Zusammenhang

[…]

1.5. mit

‑ der Errichtung bzw baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden;

[… ]“

[3] Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung Nr 267:

3. Spezielle Deckung als Bauherr

3.1 Was ist versichert?

3.1.1 Abweichend von Art 7.1.5 besteht Versicherungsschutz im Allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz gem äß Art 23.1.1 iVm Art 23.2.2 ARB für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit

‑ der Errichtung bzw baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden und

[… ]

3.1.2 Der Versicherungsschutz umfasst

3.1.2.1 abweichend von Art 6.4.1. und Art 6.6.2 ARB außergerichtlich

[… ]

3.1.2.2 in einem Zivilprozess Kosten für das Berufungs- und Revisionsverfahren.

[...]“

[4] Der Kläger begehrte als Werkbesteller in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht Braunau vom Werkunternehmer 6.737,20 EUR sA Schadenersatz wegen einer angeblich mangelhaften Montage der Fenster und Türen in seinem Wohnhaus, in dem er zur Gänze unterlag. Das Landesgericht Ried im Innkreis als Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge; die Zulassungsvorstellung und die damit verbundene Revision des Klägers wies es zurück.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Kläger begehrt nunmehr Rechtsschutzdeckung für die Durchsetzung eines allfälligen Amtshaftungsanspruchs. Durch die unvertretbar rechtswidrigen Entscheidungen des Bezirksgerichts Braunau und des Landesgerichts Ried im Innkreis sei ihm ein Schaden entstanden.

[6] 1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung von Art 7.1.5 ARB als Risikoausschluss und Art 3 SRB als sekundären Risikoeinschluss wird zutreffend nicht angezweifelt.

[7] 2.1 Allein das Fehlen oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu einer bestimmten Fallgestaltung begründet für sich noch nicht eine erhebliche Rechtsfrage (RS0102181). Lassen sich – wie hier – die vom Revisionswerber für erheblich erachteten Rechtsfragen durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung in Verbindung mit den Gesetzen der Logik klären, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0118640).

[8] 2.2 Zweck des Ausschlusses nach Art 7.1.5 ARB ist es, dass ein ganzer, durchaus überschaubarer und eingrenzbarer, im Grunde erheblicher und typischerweise immer wiederkehrender Sachverhalt vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll, der die allermeisten Versicherungsnehmer nicht, relativ wenige Bauwillige dafür mit erheblichem Kostenrisiko und in fast schon standardisierter Weise und Häufigkeit betrifft (7 Ob 75/18g mwN).

[9] 2.3 Der Risikoausschluss bedarf – wie im Schadenersatz zur Haftungsbegründung – eines adäquaten Zusammenhangs zwischen Rechtsstreit und Bauvorhaben. Ein solcher adäquater Zusammenhang mit der hier interessierenden Errichtung bzw baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden liegt vor, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für die Errichtung typischen Problemen aufweist (7 Ob 75/18g, 7 Ob 172/21a).

[10] 2.4 Die Klausel umfasst das Baurisiko, für das Auseinandersetzungen typisch sind, die über die im Rahmen eines Bauvorhabens erbrachten Leistungen geführt werden. Der Ausschluss greift, wenn Anlass des Streits (angebliche) mangelhafte Baumaßnahmen sind. Eindeutig um Bauerrichtung handelt es sich bei Streitigkeiten aus vertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Schuldner einer Bauleistung. Unter den Ausschluss fallen insbesondere alle Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Schuldner von Bauleistungen auf Erfüllung dieser Leistungen sowie dabei aufgetretene Leistungsstörungen aller Art, insbesondere Ansprüche auf Gewährleistung wegen Sach‑ oder Rechtsmängel sowie auf Schadenersatz wegen einer Pflichtverletzung, also bei Verzug, Unmöglichkeit oder Verletzung einer Schutzpflicht (vgl 7 Ob 75/18g, 7 Ob 172/21a).

[11] 2.5 In der Entscheidung 7 Ob 172/21a wurde bereits der adäquate Zusammenhang der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den gerichtlichen Sachverständigen wegen eines im Baumangelprozess unrichtig erteilten Gutachtens bejaht.

[12] 2.6 Das Berufungsgericht vertrat, dass der Kläger die Geltendmachung von Amtshaftungssprüchen gegen den Bund wegen behauptetermaßen unvertretbar rechtswidriger Entscheidungen der Gerichte im vorangehenden Baumangelprozess beabsichtige. Gegenstand des gegen den Bund angestrengten Amtshaftungsprozesses sei wiederum die Klärung des Vorliegens des vom Kläger behaupteten Baumangels, sodass die beabsichtigte Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für die baubehördlich genehmigungspflichtige Veränderung des Gebäudes typischen Problemen aufweise. Da der Kläger eine Schadenszufügung durch unrichtige Gerichtsentscheidungen in dem im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben geführten Gewährleistungs‑/Schadenersatzprozesses geltend mache, seien – nach seinem Vorbringen – auch im beabsichtigten Verfahren gegen den Bund gerade der Umfang des zwischen ihm und dem Werkunternehmer abgeschlossenen Werkvertrags, der im Zuge der Errichtung behauptetermaßen entstandene Baumangel und letztlich die mangelfreie Leistungserbringung durch den Werkunternehmer zu beurteilen. Damit realisiere sich in diesem Amtshaftungsanspruch das typische Bauherrenrisiko im gleichen Maße wie durch die unmittelbare Inanspruchnahme des Werkunternehmers in einem Gewährleistungs‑/ Schadenersatzverfahren wegen mangelhaft erbrachter Leistungen und stehe daher mit diesem Ausschluss im Sinne der Bedingungslage in Zusammenhang.

[13] Diese Rechtsansicht konnte das Berufungsgericht bereits durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung klären, sodass der Kläger mit seinen Revisionsargumenten insoweit keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.

[14] 3. Auch was Art 3.1.2.2. SRB betrifft, ist der Oberste Gerichtshof zur Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht jedenfalls, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516). Für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs spielen daher weder der Umstand, das höchstgerichtliche Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln fehlt (RS0121516 [T4]), noch die bloße Häufigkeit der Verwendung strittiger Klauseln (RS0121516 [T38]; RS0042816 [T1]) eine Rolle.

[15] 3.1 Gemäß Art 3.1.2.2 SRB umfasst der Versicherungsschutz – nach dem völlig eindeutigen Wortlaut – in Zivilprozessen nur die Kosten für das Berufungs‑ und Revisionsverfahren. Die vom Kläger gesehene Intransparenz nach § 6 Abs 3 KSchG liegt daher auch unter Berücksichtigung der vom Kläger betonten Überschrift der Sonderbedingung nicht vor.

[16] 3.2 Nach der umfangreichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Geltungskontrolle gemäß § 864a ABGB ist nur eine Klausel objektiv ungewöhnlich, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftiger Weise nicht zu rechnen braucht; der Klausel muss somit ein Überrumpelungs‑ oder Überraschungseffekt innewohnen (vgl RS0014646), was etwa dann der Fall ist, wenn sie sich nicht dort befindet, wo ein durchschnittlich sorgfältiger Leser nach den Umständen mit ihr rechnen muss und er sie nicht dort findet, wo er sie vermuten könnte (vgl RS0014646 [T14]). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (vgl RS0016914 [T4, T32]).

[17] 3.3 Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Verstoß gegen § 864a ABGB und § 879 Abs 3 ABGB sei nicht nachvollziehbar, bringt der Kläger keine stichhaltigen Argumente:

[18] Die Klausel findet sich in der Polizze unter den Überschriften „3. Spezielle Deckung des Bauherrn“, 3.1 „Was ist versichert?“ sowie „3.1.2 Der Versicherungsschutz umfasst“ und damit dort, wo sie ein vernünftiger Vertragspartner auch erwartet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Risikoausschluss des Art 7.1.5 ARB nach bestehender oberstgerichtlicher Judikatur keine gröbliche Benachteiligungbewirkt (7 Ob 172/21a mwN, vgl auch 7 Ob 31/23v, 7 Ob 165/23z), vermag der Kläger eine solche auch nicht mit dem Hinweis auf den bloß teilweisen Einschluss aufzuzeigen.

[19] 4. Auf eine allenfalls beabsichtigte Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen (auch) gestützt auf eine nicht prozessökonomische Verfahrensführung der Gerichte im Baumangelprozess kommt der Kläger in der Revision nicht zurück. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass er vorliegend nur Rechtsschutzdeckung für das erstinstanzliche Amtshaftungsverfahren anstrebt, wendet er sich nicht. Ein weiteres Eingehen ist hier daher nicht erforderlich.

[20] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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