OGH 4Ob144/23i

OGH4Ob144/23i19.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J*, vertreten durch Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, und 2. Dr. H*, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 14.400 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. Mai 2023, GZ 22 R 59/23i-26, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 17. Jänner 2023, GZ 12 C 961/21f‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00144.23I.1219.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 1.343,78 EUR (darin enthalten 223,96 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Den Klägern wurde die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über das Grundstück der Beklagten eingeräumt. Die Beklagte stellte auf der dienstbaren Fläche für eine bestimmte Zeit einen Kran auf, der die Durchfahrt zu den Parkplätzen der Kläger behinderte. Dem Erstkläger wurde aber eine andere Parkmöglichkeit auf dem Grund der Beklagten eingeräumt. Der Zweitkläger vereinbarte in Vertretung des Erstklägers mit der Beklagten unter Androhung der Einschaltung der Baubehörde eine tägliche Entschädigung von 400 EUR bis zur gänzlichen Entfernung des Krans. Die Beklagte leistete eine Anzahlung von 5.600 EUR, ehe sie die Vereinbarung rechtlich prüfen ließ und sodann keine weiteren Zahlungen erbrachte.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage auf Zahlung der restlichen Entschädigung von 14.400 EUR (die die Kläger für die 50 Tage der Kranbehinderung mit insgesamt 20.000 EUR veranschlagten) ab. Der Zweitkläger sei nicht aktiv legitimiert, weil er den Vertrag mit der Beklagten nur für den Erstkläger abgeschlossen habe. Das marktübliche, angemessene Entgelt für die Benützung der Teilfläche für den Kran betrage für die gesamte Dauer von 50 Tagen nur 123 EUR. Die Vereinbarung mit dem Erstkläger sei daher wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts aufgehoben.

[3] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu (vgl RS0112166), da die Moniturwerber dem Berufungsgericht in Bezug auf die Auslegung der Vereinbarung eine krasse Fehlbeurteilung vorwürfen, sei dem Moniturantrag stattzugeben.

[4] Die Kläger machen in ihrer – von der Beklagten beantworteten – Revision unrichtige rechtliche Beurteilung, nämlich die unrichtige Qualifizierung der gegenständlichen Vereinbarung als Bestandvertrag, und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig:

[6] 1.1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, sofern nicht eine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (RS0044298 [T39]).

[7] 1.2. Von einer krassen Fehlbeurteilung ist hier nicht auszugehen, zumal der Erstkläger (dem Zweitkläger fehlt es ohnehin an der Aktivlegitimation) seine Behauptung, man habe die Leistung eines (pauschalierten) Schadenersatzes vereinbart, nicht nachvollziehbar begründen konnte. Insbesondere fehlt es an einem klägerischen Tatsachenvorbringen zu den (Begleit‑)Umständen der Vereinbarung. Der einzige Anhaltspunkt für eine Vereinbarung von Schadenersatz liegt in der Bezeichnung „Entschädigung“ in der urkundlichen Bestätigung der Vereinbarung. Allerdings steht dieser Auslegung der Umstand entgegen, dass dem Erstkläger von der Beklagten ohnedies eine Ersatzparkmöglichkeit eingeräumt worden war, sodass keinerlei Schaden erkennbar ist. Die Vorinstanzen haben daher vertretbar das Vorliegen eines Bestandvertrags über die Benützung der dienstbaren Grundstücksfläche für den Kran bejaht.

[8] 2.1. Die Kläger erheben in der Revision erstmals die Behauptung, dass eine Überraschungsentscheidung vorliege: die Vorinstanzen hätten nicht erörtert, dass (aufgrund des Empfängerhorizonts) davon auszugehen sei, dass ein Bestandvertrag vorliege. Ein Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, welcher in der Berufung nicht beanstandet wurde, kann allerdings in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RS0043111). Im Übrigen hatte die Beklagte bereits in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ausführlich dargelegt, warum rechtlich von einem Bestandverhältnis auszugehen sei, sodass das Erstgericht gar nicht zu einer Erörterung des jeweiligen Vorbringens zur Anspruchsgrundlage verhalten war. Die Pflicht nach § 182a ZPO kann nämlich nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0122365 [T3]). Gleiches gilt für das Berufungsgericht: Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu einem rechtlichen Gesichtspunkt, den eine Partei ihrerseits schon im Verfahren erster Instanz ins Spiel gebracht hat, kann die Parteien nicht (ernsthaft) in unzulässiger Weise überraschen (vgl RS0122365 [T1]).

[9] 2.2. Soweit die Kläger monieren, dass ihre Einvernahme im Prozess unterblieb, hat sich schon das Berufungsgericht mit diesem als Verfahrensmangel geltend gemachten Umstand auseinandergesetzt. Ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der im Rechtsmittel geltend gemacht wurde, vom Gericht zweiter Instanz aber verneint wurde, kann aber im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden (RS0042963 [T45]).

[10] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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