OGH 2Ob176/23f

OGH2Ob176/23f14.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, die Hofräte MMag. Sloboda und Dr. Kikinger sowie die Hofrätinnen Mag. Fitz und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier & Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte und Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, wegen 91.227 EUR sA,über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 51.667,22 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. Juli 2023, GZ 1 R 101/23p-35, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 4. Mai 2023, GZ 13 Cg 43/22m‑29, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00176.23F.1214.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in der Hauptsache wie folgt abgeändert:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 90.629,78 EUR samt 4 % Zinsen aus 80.775,45 EUR seit 13. Dezember 2021 und 4 % Zinsen aus 9.854,33 EUR seit 21. März 2023 bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ * KG * binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Die Mehrbegehren

a) auf Zahlung weiterer EUR 597,22 samt 4 % Zinsen seit 13. Dezember 2021

b) auf 4 % Zinsen aus 9.854,33 EUR von 13. Dezember 2021 bis 21. März 2023 und

c) auf Zahlung ohne Exekutionsbeschränkung

werden abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 38.423,48 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten 12.716 EUR Barauslagen und 4.284,58 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Streitteile sind zwei von fünf Kindern des 2020 verstorbenen Erblassers. Der Nachlass war mit 6.678,19 EUR überschuldet und wurde dem Beklagten an Zahlungs statt überlassen. Der Erblasser schenkte dem Beklagten im November 2016 die in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft EZ * KG * (in der Folge: Liegenschaft) unter der aufschiebenden Bedingung des Erlöschens des zu Gunsten des Klägers eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbots. Diese Bedingung ist mit dem Tod des Erblassers eingetreten, das Eigentumsrecht des Beklagten an der mit Ausnahme einer Dienstbarkeit zu Gunsten eines Elektrizitätsunternehmens grundbücherlich unbelasteten Liegenschaft bereits einverleibt. Im Schenkungsvertrag sicherte der Erblasser die Freiheit der Liegenschaft von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten zu, sofern solche nicht im Vertrag ausdrücklich übernommen werden (was nur auf die Dienstbarkeit zu Gunsten eines Elektrizitätsunternehmens zutrifft).

[2] Der Kläger begehrt vom Beklagten als Geschenknehmer nach § 789 ABGB unter Hinzurechnung der diesem gemachten Liegenschaftsschenkung die Zahlung von 91.227 EUR als Pflichtteil.

[3] Unstrittig ist im Revisionsverfahren, dass

[4] Einziger Streitpunkt im Revisionsverfahren ist die Frage, ob der Erblasser den Söhnen des Beklagten wirksam ein Wohnungsgebrauchsrecht an der im Jahr 2016 dem Beklagten geschenkten Liegenschaft einräumte (und das nach den Feststellungen mit 510.000 EUR zu bewertende Wohnungsgebrauchsrecht daher vom Wert der geschenkten Liegenschaft in Abzug zu bringen ist).

Zu dieser Frage hat das Erstgericht folgenden Sachverhalt festgestellt:

[5] Im Februar 2010 räumte der Erblasser dem Kläger ein (später im Grundbuch eingetragenes) Belastungs- und Veräußerungsverbot ob der Liegenschaft ein.

[6] Der Beklagte war Kreditnehmer eines Fremdwährungskredits; die Liegenschaft war zu Gunsten der kreditgewährenden Bank verpfändet. Aufgrund von Differenzen des Beklagten mit der Bank beabsichtigte der Beklagte, „mit einer Erklärung bei der Bank Druck auszuüben, dass das Haus für die Bank unverwertbar sei“. Vor diesem Hintergrund verfasste der Erblasser auf Drängen des Beklagten „zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 2010 und Juli 2012“ folgende eigenhändig ge- und unterschriebene Erklärung:

„Mein Wille ist wie folgt:

Hiermit räume ich [Erblasser] meinem Sohn [Beklagter] und seinen Söhnen [zwei Enkelkinder] ausdrücklich das Wohnrecht auf Lebenszeit ein.

Dieses umfasst das gesamte Haus und Grundstück mit Ausnahme des Süd-Ost-Zimmers, dieses ist zur persönlichen Nutzung für [Kläger] vorgesehen.“

 

[7] Eine Ausfertigung dieser Urkunde übergab der Erblasser dem Beklagten. Im Sommer 2012 erfuhr der Kläger von dieser Erklärung und suchte das Gespräch mit dem Erblasser, der der Erklärung „daraufhin folgenden Zusatz“ hinzufügte:

„Ich widerrufe das oben beschriebene Wohnrecht für [den Beklagten] und seine Söhne hiermit. 27. Juli 2012“.

 

[8] Auch diesen Zusatz unterschrieb der Erblasser wieder eigenhändig. Der Kläger überbrachte das Schriftstück sodann einem Notar, der diese Erklärung im Testamentsregister registrierte.

[9] Der Kläger brachte zur Frage des Bestehens eines Wohngebrauchsrechts an der Liegenschaft vor, dass der Erblasser den Kindern des Beklagten zwar testamentarisch ein Wohnrecht eingeräumt, diese letztwillige Verfügung aber bereits 2012 wirksam widerrufen habe. Daher sei der Beklagte in seiner umfassenden Verfügungsgewalt über die Liegenschaft nicht beschränkt, von einer Wertminderung der Liegenschaft könne nicht die Rede sein.

[10] Der Beklagte führte aus, dass die ihm geschenkte Liegenschaft mit einem Wohnungsgebrauchsrecht zu Gunsten seiner 1998 und 2004 geborenen Söhne belastet sei. Ein einseitiger Widerruf des unentgeltlich als Dienstbarkeit eingeräumten Wohnrechts sei nicht möglich. Gründe für einen solchen Widerruf, dem die Berechtigten nicht zugestimmt hätten, lägen nicht vor. Die Berechtigten hätten die Rechteeinräumung angenommen, die Erfüllung sei durch tatsächlichen Bezug des Objekts erfolgt.

[11] Das Berufungsgericht sprach dem Kläger rechtskräftig 39.558,78 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren von 51.667,22 EUR sA ab. Es ging zur Frage des Wohnungsgebrauchsrechts davon aus, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht habe, dass in Wahrheit gar kein Wohnrecht eingeräumt habe werden sollen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Erblasser die Absicht verfolgt habe, dem Beklagten und dessen Söhnen ein Wohnrecht einzuräumen. Dass der Beklagte nach den Feststellungen Druck auf die Bank habe ausüben wollen, spreche gegen die vom Kläger vertretene Annahme, es liege eine (widerrufbare) letztwillige Verfügung vor. Das Erstgericht sei zutreffend von einem vertraglich eingeräumten Wohnrecht ausgegangen, das nicht mehr einseitig widerrufbar sei. In den vom Kläger in der Berufung gemachten Ausführungen, wonach ein vertraglich eingeräumtes Wohnrecht mangels rechtswirksamer Annahme nicht zu Stande gekommen sei, liege eine unbeachtliche Neuerung. Da sich aus den Feststellungen ableiten lasse, dass der Beklagte die Idee zur Einräumung eines Wohnrechts gehabt habe, liege die „eigentliche Annahmehandlung“ bereits in der Unterschriftsleistung durch den Erblasser. Bei der in der Berufung aufgestellten Behauptung, die Einräumung eines Wohnrechts zu Gunsten von Minderjährigen sei eine belastende Schenkung, die einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und der Bestellung eines Kollisionskurators bedurft hätte, handle es sich um eine weitere unzulässige Neuerung.

[12] Mit seiner außerordentlichen Revision strebt der Kläger die Abänderung im Sinn einer (mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsenbegehrens) gänzlichen Stattgebung der Klage an; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

[13] Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist wegen einer aufzugreifenden Fehlbeurteilung zulässig und im Sinn des Abänderungsantrags teilweise berechtigt.

[15] Der Kläger argumentiert, dass dem Berufungsgericht ein näher dargestellter Rechenfehler unterlaufen sei. Außerdem sei den Enkelsöhnen des Erblassers niemals rechtsgültig ein Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt worden. Da es sich um eine belastende Schenkung handle, wäre eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich gewesen. Wegen Vorliegens eines In-Sich-Geschäfts hätte überdies ein Kollisionskurator bestellt werden müssen. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass es sich ohnedies um ein Scheingeschäft gehandelt habe, weil die Vertragsparteien in Wahrheit gar keine Wohnrechtseinräumung beabsichtigt hätten.

Dazu hat der Fachsenat erwogen:

[16] 1. Die vom Kläger in erster Instanz und im Berufungsverfahren vertretene, von den Vorinstanzen aber übereinstimmend verworfene Annahme, der Erblasser habe mit seiner Erklärung eine letztwillige Verfügung errichten wollen (vgl RS0008256 zur Möglichkeit der letztwilligen Einräumung eines Wohnungsrechts an einer im Eigentum des Erblassers stehenden Liegenschaft), hält er in der Revision nicht mehr aufrecht, sodass darauf nicht näher einzugehen ist.

[17] 2. Das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers zur rechtlichen Einordnung der Erklärung ist dahin auszulegen, dass er damit zum Ausdruck brachte, dem Erblasser habe es am Willen gefehlt, ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft abzuschließen. Diese Argumentation hält der Kläger auch in der Revision aufrecht.

[18] Der Gesamtheit der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kann dieses vom Kläger behauptete Fehlen eines auf den Abschluss eines zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäfts gerichteten Willens des Erblassers aus folgenden Erwägungen mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden:

[19] Der Erblasser verfasste die Erklärung lediglich auf Drängen des Beklagten, um diesem die Ausübung von Druck gegenüber der Bank zu ermöglichen und eine Unverwertbarkeit der pfandrechtlich belasteten Liegenschaft zu signalisieren. Der Erblasser überschrieb die Erklärung mit „Mein Wille“. Zu Gunsten des Klägers war kurz zuvor ein Belastungs- und Veräußerungsverbot intabuliert worden. Zu einem späteren Zeitpunkt widerrief der Erblasser die Erklärung. Im 2016 zwischen dem Erblasser und dem Beklagten abgeschlossenen Schenkungsvertrag über die Liegenschaft fanden die nach den Behauptungen des Beklagten mit der Erklärung eingeräumten Rechte keine Erwähnung, vielmehr sicherte der Erblasser die Freiheit von nicht ausdrücklich übernommenen bücherlichen und außerbücherlichen Lasten zu.

[20] Insgesamt ist damit davon auszugehen, dass es dem Erblasser an einem (allenfalls auch mit Zwang durchsetzbaren) Rechtsfolgewillen fehlte und dies dem Beklagten als Erklärungsempfänger auch erkennbar war (vgl Bollenberger/P. Bydlinski in KBB7 § 869 ABGB Rz 4).

[21] Ausgehend von einem fehlenden Willen des Erblassers, durch Abgabe der Erklärung ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft eingehen zu wollen, fehlt es aber an einer Grundlage dafür, das in der Erklärung den Söhnen des Beklagten eingeräumte „Wohnungsrecht“ (vgl zu den in diesem Zusammenhang denkbaren Rechtsinstituten: Polster in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 521 ABGB Rz 16) wertmindernd in Abzug zu bringen.

[22] 3. Auf die in der Revision weiters aufgeworfenen Fragen muss nicht mehr eingegangen werden.

[23] 4. Der Anspruch des Klägers gemäß § 789 ABGB beläuft sich damit auf 90.629,78 EUR (= 1/10 von [912.976 – 6.678,19]), wobei der Kläger nur Exekution in das dem Beklagten gemachte Geschenk führen kann (§ 789 Abs 3 ABGB). Diese Exekutionsbeschränkung ist als Minus zum gestellten Zahlungsbegehren zu qualifizieren (RS0019068). Zinsen waren unter Berücksichtigung des in der außerordentlichen Revision gestellten Abänderungsantrags und der dadurch eingetretenen Teilrechtskraft zuzusprechen.

[24] 5. Aufgrund der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ist auch die Kostenentscheidung neu zu treffen, die sich auf § 41 ZPO (erster Verfahrensabschnitt bis zur Ausdehnung der Klage) sowie § 43 Abs 2 1. Fall ZPO (zweiter Verfahrensabschnitt ab Ausdehnung der Klage) gründet.

[25] Die Einwendungen des Beklagten gemäß § 54 Abs 1a ZPO sind überwiegend zutreffend. Die Vertagungsbitte des Klägers war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Gleiches gilt für die Vollmachtsbekanntgabe, die ohne Weiteres mit dem wenige Tage später eingebrachten bestimmenden Schriftsatz verbunden hätte werden können. Der die Gutachtenserörterung betreffende Schriftsatz ist nach TP 2 RATG zu honorieren. Der die Ausdehnung des Klagebegehrens enthaltende Schriftsatz ist wegen der darin enthaltenen Berechnungen als zweckentsprechend anzusehen. Für sämtliche Schriftsätze (mit Ausnahme der Klagebeantwortung) gebührt nur der einfache Einheitssatz.

[26] Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren beruht auf § 41 sowie § 43 Abs 2 1. Fall iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger ist mit seiner Berufung und seiner Revision jeweils nur geringfügig unterlegen. Die Berufung des Beklagten konnte er zur Gänze abwehren.

[27] Insgesamt ergibt sich der aus dem Spruch ersichtliche Kostenzuspruch.

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