OGH 12Os116/23k

OGH12Os116/23k23.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Basic in der Strafsache gegen * J* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 21. Juni 2023, GZ 148 Hv 1/23m‑36.4, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M., der Angeklagten und der Verteidigerin Vollmann‑Schultes LL.M. zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00116.23K.1123.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiete: Jugendstrafsachen, Sexualdelikte

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtvornahme der Subsumtion der vom Schuldspruch umfassten Tat auch nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB, und demzufolge auch im Strafausspruch sowie der Beschluss auf Erteilung einer Weisung (ON 36.5) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde * J* des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er nachts zum 9. Mai 2022 in W* mit der am 22. Oktober 2010 geborenen * P*, sohin mit einer unmündigen Person, den Beischlaf zu unternehmen versucht, indem er sich zu ihr ins Bett legte, seine Hose und Unterhose auszog, sich zunächst selbst befriedigte und sie dann sinngemäß aufforderte, sich ebenfalls zu entkleiden, um sie im Intimbereich zu berühren und mit seinem erigierten Penis vaginal zu penetrieren.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

[4] Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen hat sich das Opfer im Zuge des abgeurteilten sexuellen Übergriffs geweigert, sich zu entkleiden und um Hilfe gerufen. Daraufhin hielt der Angeklagte * P* den Mund zu, um weitere Hilfeschreie zu unterbinden. Sie biss ihm jedoch in einen Finger, sodass er von der Unmündigen abließ. Einen auf gewaltsame Duldung des Beischlafs gerichteten Vorsatz des Angeklagten konnte der Schöffensenat nicht feststellen (US 5).

[5] Die Tatrichter führten dazu beweiswürdigend aus, dass das Zuhalten des Mundes „eher“ zur Vermeidung des Betretenwerdens statt dazu gedient habe, „den Geschlechtsakt fortzusetzen“ (US 8 f). Konstatierungen zu einer Nötigungshandlung in subjektiver Hinsicht lassen sich den Entscheidungsgründen, die lediglich eine Abgrenzung zu einer Gewaltanwendung im Sinn des § 201 Abs 1 StGB enthalten, nicht entnehmen.

[6] Davon ausgehend kritisiert die Subsumtionsrüge (Z 10) – unter Hinweis auf die objektiven (vgl RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882), einen Nötigungsvorsatz indizierenden Verfahrensergebnisse (vgl RIS‑Justiz RS0099689; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.191) – zutreffend, dass das Erstgericht durch Feststellungen (zur subjektiven Tatseite) zu klären gehabt hätte, ob der Angeklagte zusätzlich das Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB begangen hat (zur möglichen Konkurrenz von Haupttat und Nötigung vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0091453 [T5]).

[7] Aufhebung des Urteils wie im Spruch ersichtlich sowie des Beschlusses auf Erteilung einer Weisung waren – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Folge. Darauf war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.

[8] Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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