European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00120.23Y.1123.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I.2., demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im * K* betreffenden Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche sowie der Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Der Angeklagte wird mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* – soweit hier relevant – der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I.1.a und I.2.), des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (I.1.b) und des Vergehens der Nötigung nach § 83 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 28. Juni 2022 in K*
I. zu 1.a) und 2. nachstehende Personen vorsätzlich am Körper verletzt, zu 1.b) einem anderen absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen versucht, und zwar
1. * S* dadurch, dass er ihm
a) eine angezündete Zigarette auf den linken Oberarm drückte, wodurch dieser eine rundliche Brandwunde erlitt;
b) einen Stich mit einem spitzen Jausenmesser versetzte, wodurch der Genannte eine 15 cm lange und zwei mm breite Schnittverletzung links am Deltamuskel erlitt;
2. * K*, indem er ihm eine Schnittverletzung im Bereich des Ohres zufügte, wodurch der Genannte eine circa 12 cm lange und ein bis vier mm breite oberflächliche Verletzung von der Stirn bis zum Ohr erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.
[4] Zutreffend macht die Mängelrüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall, nominell Z 5a) zu I.2. des Schuldspruchs eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4) geltend. Diese stützten die Tatrichter auf das objektive Tatgeschehen und die allgemeine Lebenserfahrung, wonach mit „Messerattacken in aller Regel Schnittverletzungen“ einhergingen. Dass der Angeklagte über diese verfüge, sei ihm „zwanglos [zu] unterstellen“ (US 7).
[5] Nach den Urteilskonstatierungen verletzte der Angeklagte den K* beim Ausholen zum gar nicht gegen ihn, sondern gegen S* gerichteten Messerstich (US 4 [„mit dem Messerhieb“, „weitere Stichführung“]; vgl auch die als glaubwürdig bewertete [US 7] Aussage des S*, wonach der Angeklagte eine einzige Bewegung ausgeführt habe und der Stich gegen ihn gerichtet gewesene sei ON 32a, 8). Dabei kam es ihm darauf an, S* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen (US 4). Aus welchem Grund das Erstgericht trotz dieser Umstände der Tat dennoch zur Bejahung eines auf die Zufügung von Schnittverletzungen bei K* gerichteten Vorsatzes gelangte, hätte es für eine mängelfreie Begründung darlegen müssen. Da diesem Begründungserfordernis nicht Genüge getan wurde, stellt sich die Begründung der Tatrichter als offenbar unzureichend dar (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 448; 13 Os 77/14v, 11 Os 148/12t).
[6] Dieses Begründungsdefizit erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs zu I.2., demzufolge des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie des Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht und bedingter Entlassung (vgl RIS‑Justiz RS0100194; zum im zweiten Rechtsgang zu beachtenden Verschlechterungsverbot RIS‑Justiz RS0100700 [insbes T10]) bereits in nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO).
[7] Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
[8] Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde keine Berechtigung zu.
[9] Der Mängelrüge (der Sache nach Z 5 dritter Fall, nominell Z 5a) zuwider können zu I.1.b) des Schuldspruchs die Feststellungen zum Verletzungsbild beim Opfer (US 4) und die Beschreibung des Jausenmessers als spitz im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; US 2) nach den Denkgesetzen nebeneinander bestehen (vgl RIS‑Justiz RS0117402 [T14]). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang eigene Schlussfolgerungen auf die Täterschaft des Angeklagten zieht, übt sie in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik (vgl aber RIS‑Justiz RS0098471 [T1]).
[10] Indem die weitere Mängelrüge (der Sache nach Z 5 fünfter Fall, nominell Z 5a) zu I.1.b) des Schuldspruchs Aktenwidrigkeit in Bezug auf das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) geltend macht, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt. Denn der Nichtigkeitsgrund der Z 5 fünfter Fall betrifft die Relation zwischen einem Beweisergebnis (Inhalt einer in der Verhandlung vorgekommenen Urkunde oder Aussage) und dessen Wiedergabe in den Entscheidungsgründen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 465).
[11] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt zu I.1.b) des Schuldspruchs mit dem Inhalt der Vernehmung der medizinischen Sachverständigen Dr. M* in der Hauptverhandlung, wonach die Aussage des Opfers über den Tathergang nicht exakt nachvollziehbar und es nicht zwingend sei, dass der Angeklagte das Opfer ohne Abwehrbewegung im Halsbereich getroffen hätte (ON 40 S 7 und 9), keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4). Gleiches gilt für die Ausführungen der Sachverständigen zur Sitzposition des Opfers.
[12] Der Tatsachenrüge (Z 5a) zu I.1.a) des Schuldspruchs zuwider ergeben sich aus den (im Übrigen von der Beschwerde nicht bezeichneten – vgl aber RIS‑Justiz RS0117446 [insbesondere T13]) Beweismitteln über die am linken Oberarm gelegene Stelle der Brandwunde keine erheblichen Bedenken gegen die Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten (US 4).
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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