OGH 11Os148/12t

OGH11Os148/12t12.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Februar 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zellinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mariel K***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. Juni 2012, GZ 39 Hv 214/11m-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, und des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Kassation (auch) des Strafausspruchs verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Mariel K***** - abweichend von der auf das Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB gerichteten Anklage (ON 14) - des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Oktober 2011 in F***** den Thomas M***** unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit durch (ohne zumindest bedingten Verletzungs- oder Misshandlungsvorsatz erfolgtes) Versetzen eines leichten Stoßes, wodurch der Genannte zu Boden stürzte und an den dadurch erlittenen, im Ersturteil im Einzelnen dargestellten Verletzungen sowie einer eitrigen Entzündung der unteren und oberen Luftwege mit Lungenbeteiligung im Sinne einer Lungenentzündung verstarb, fahrlässig getötet.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt - wie bereits die Generalprokuratur ausführte - Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert zutreffend, dass die zum Vorliegen eines Misshandlungsvorsatzes iSd § 83 Abs 2 StGB getroffene Negativfeststellung (US 4) offenbar unzureichend begründet ist. Das Erstgericht stützt sich in diesem Zusammenhang zunächst auf die Verantwortung des Angeklagten, der jedoch lediglich eine „Verletzungsabsicht“ in Abrede stellte (ON 27 S 2 iVm ON 20 S 5 f; vgl auch ON 2 S 15) und zu einem auf die Zufügung eines nicht ganz unerheblichen körperlichen Übels (Burgstaller/Fabrizy in WK² StGB § 83 Rz 25 mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0092867), also auf Misshandlung gerichteten Vorsatz nicht (ausdrücklich) befragt wurde.

Im Weiteren verweist das Erstgericht bloß auf seinen persönlichen Eindruck vom Angeklagten und dessen schmächtige Statur, lässt aber - wie die Staatsanwaltschaft richtig aufzeigt - bei dem solcherart gezogenen (bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzenden [RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452]) Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen wesentliche den äußeren Geschehensablauf betreffende Umstände unerörtert (US 10): den der Tat unmittelbar vorausgegangenen Streit (US 3, 4 und 7) zwischen den Beteiligten, das hohe Alter des Tatopfers (US 3) sowie dessen durch den Stoß des Angeklagten bewirktes Zu-Boden-Stürzen mit Bewusstlosigkeit und schweren Schädel- und Hirnverletzungen (US 4). Diesen kommt indes entscheidende Bedeutung zu. Denn der Begriff des körperlichen Übels ist unterhalb der Schwelle zur Verletzung oder Gesundheitsschädigung iSd § 83 Abs 1 StGB gelegen, es reicht jede Einwirkung physischer Kraft, die das körperliche Wohlbefinden nicht ganz unerheblich beeinträchtigt (Burgstaller/Fabrizy in WK² StGB § 83 Rz 12 mwN). Bei darauf gerichtetem Vorsatz ist der Tatbestand des § 83 Abs 2 StGB auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.

Aufgrund der zuvor genannten Tatumstände hätte das Erstgericht darlegen müssen, aus welchem Grund es dennoch zur Verneinung dieses Vorsatzes gelangte. Da diesem Begründungserfordernis nicht Genüge getan wurde, stellt sich die tatrichterliche Begründung als offenbar unzureichend dar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 448).

Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil aufzuheben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Stichworte