OGH 15Os119/23y

OGH15Os119/23y8.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 8 Hv 71/22p des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2023, AZ 8 Bs 288/22x, ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, sowie des Verteidigers Mag. Amann zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00119.23Y.1108.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2023, AZ 8 Bs 288/22x, verletzt in der Annahme der Bindung an den vom Erstgericht seiner Sanktionsfindung zu Grunde gelegten Strafrahmen § 295 Abs 1 erster Satz StPO.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22. August 2022, GZ 8 Hv 71/22p‑31, wurde * B* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB sowie in Anwendung von § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 4 StGB nach § 87 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt.

[2] Dabei ging das Schöffengericht (irrig) von einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von „bis zu siebeneinhalb Jahren“ Freiheitsstrafe aus (US 7).

[3] Das zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe zuständige Oberlandesgericht Graz gab dem Rechtsmittel Folge und setzte die Freiheitsstrafe mit Urteil vom 17. Jänner 2023, AZ 8 Bs 288/22x, auf drei Jahre herab. Begründend hielt es vorweg fest, dass „infolge der nach § 295 Abs 1 StPO angeordneten Bindung des Berufungsgerichts an den Ausspruch über die Schuld (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und über das anzuwendende Strafgesetz (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO)“ die über den Angeklagten zu verhängende Sanktion innerhalb des vom Erstgericht fälschlich mit (anstatt zwei bis zehn) „siebeneinhalb Jahren“ Freiheitsstrafe angenommenen Strafrahmens auszumessen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt, steht das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2023, AZ 8 Bs 288/22x, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

[5] Gegenstand der Bindung des Berufungsgerichts an den „Ausspruch des Gerichtes über die Schuld des Angeklagten und über das anzuwendende Strafgesetz“ gemäß § 295 Abs 1 erster Satz StPO ist das Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und das darauf angewendete Strafgesetz (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0116586; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 295 Rz 1; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 27; Ratz, WK-StPO § 295 Rz 15).

[6] An den vom Erstgericht angenommenen Strafrahmen hingegen besteht keine Bindung.

[7] Vorliegend ging das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht daher zu Unrecht von einer Bindung im Sinn des § 295 Abs 1 erster Satz StPO an den vom Erstgericht – zum Vorteil des Angeklagten – fehlerhaft ausgemessenen Strafrahmen aus. Das bloß die Strafbemessung betreffende Verschlechterungsverbot stünde der Annahme eines im Verhältnis dazu nach oben korrigierten Strafrahmens im Übrigen nicht entgegen (vgl RIS‑Justiz RS0100733 [T1]).

[8] Die dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichende (§ 292 letzter Satz StPO) Gesetzesverletzung war festzustellen.

Stichworte